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Einige der Justizsenatoren mussten zurücktreten, weil Häftlinge aus den Gefängnissen ausgebrochen waren.

© Julian Stratenschulte/dpa

Nach Gefangenenausbrüchen: Warum Justizsenatoren in Berlin gehen mussten

Dirk Behrendt hat einen Rücktritt abgelehnt. Vor ihm mussten bereits einige Kollegen den Posten räumen - teils auch wegen ausgebrochener Gefangener.

Nur elf Tage blieb er. Damit war Justiz- und Verbraucherschutzsenator Michael Braun (CDU) von allen Berliner Senatoren die kürzeste Zeit im Amt. Der amtierende Senator für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung, Dirk Behrendt (Grüne), würde es dieser Tage immerhin auf ein Jahr und einen Monat bringen, sollte er sich doch noch zu einem Rücktritt entscheiden.

Michael Braun war nur elf Tage im Amt.
Michael Braun war nur elf Tage im Amt.

© dpa

Neun Gefangene waren innerhalb einer Woche aus der Haftanstalt Plötzensee ausgebrochen oder „entwichen“, wie es heißt, wenn ein Gefangener aus dem offenen Vollzug entkommt. Die Opposition fordert den Rücktritt, Behrendt aber will bleiben und die Sache aufklären.

Rücktritte nach geflohenen Terroristen

Der Grünen-Politiker wäre nicht der erste in der Geschichte der Berliner Justizsenatoren, der Probleme bekommen könnte, weil ihm die Gefangenen davonlaufen. Zwei seiner Vorgänger mussten deshalb ihre Posten räumen. Vor allem die Freien Demokraten hatten kein glückliches Händchen. Im Sommer 1976 musste Hermann Oxfort nach nur 15 Monaten zurücktreten.

Vier RAF-Terroristinnen waren aus dem Frauengefängnis Lehrter Straße in Moabit ausgebrochen. Sie überwältigten zwei Wärterinnen und seilten sich mit zusammengeknoteten Bettlaken aus dem Fenster, wo ein Fluchtwagen auf sie wartete. Oxfort zog Konsequenzen aus dem Fall, auf ihn folgte Parteifreund Jürgen Baumann.

Dem widerfuhr Ähnliches. Als Till Meyer, Mitglied der terroristischen Vereinigung „Bewegung 2. Juni“, am 27. Mai 1978 mit zwei Helfern aus der Untersuchungshaftanstalt Moabit floh, musste auch Baumann gehen. Zu dieser Zeit waren in Berliner Gefängnissen zahlreiche Terroristen inhaftiert.

Eberhard Diepgen legte 2001 sein Amt nieder.
Eberhard Diepgen legte 2001 sein Amt nieder.

© Thilo Rückeis

Dass es einen Unterschied macht, ob politische oder gewöhnliche Häftlinge fliehen, zeigte sich beim Nachfolger Gerhard Moritz Meyer, ebenfalls ein Liberaler. Innerhalb weniger Wochen verschwanden im Sommer 1980 in seiner Amtszeit 14 Häftlinge. Meyer hielt durch, trat allerdings ein Jahr später im Juni 1981 mit dem gesamten Senat des Regierenden Bürgermeisters Hans-Jochen Vogel (SPD) zurück.

Ebenfalls gemeinsam mit dem Senat legte der Regierende Bürgermeister und Justizsenator Eberhard Diepgen (CDU) sein Amt nieder. 2001 stimmte das Abgeordnetenhaus mehrheitlich für das Misstrauensvotum gegen Diepgen, er trat von seinen Ämtern zurück. Auch in Diepgens Amtszeit waren Gefangene aus Berlins Haftanstalten entkommen. Ihm war vorgeworfen worden, seine Aufgaben als Justizsenator zu vernachlässigen. Seither wurde das Ressort nicht mehr mit den Aufgaben des Regierenden Bürgermeisters kombiniert.

Klaus Riebschläger trat 1981 zurück.
Klaus Riebschläger trat 1981 zurück.

© Bernd Settnik/dpa

21 Wechsel und 19 verschiedene Justizsenatoren hat Berlin seit 1951 erlebt, als das Abgeordnetenhaus zum ersten Mal zusammentrat. So viele Senatoren hat es in keinem anderen Ressort gegeben. Rücktritte gab es auch in den anderen Senatsverwaltungen aber ähnlich viele, zum Beispiel nach der Garski-Affäre. Im Januar 1981 traten Wirtschaftssenator Wolfgang Lüder (FDP) und Finanzsenator Klaus Riebschläger (SPD) zurück, weil die Stadt eine Bürgschaft über mehr als 100 Millionen D-Mark an einen Bauunternehmer vergeben hatte, der dann pleiteging.

Den allerersten Rücktritt eines Justizsenators gab es übrigens, als der Posten noch gar nicht so hieß. Am 16. Januar 1947 wurde der Christdemokrat Thomas Schäfer von der Stadtverordnetenversammlung gewählt. Am 5. Februar trat er als Rechtsdezernent des Magistrats zurück. Er gab das Amt aus gesundheitlichen Gründen auf.

Mit 20 Tagen im Amt ist Schäfer ganz nah dran am Rekord von Michael Braun. Der Elf-Tage-Senator musste gehen, weil ihm Fehler bei Notariaten von vermeintlichen Schrottimmobilien vorgeworfen wurden, was sich später als unrichtig herausstellte.

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