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Die Berliner SPD von Landeschef Michael Müller würde Rot-Rot-Grün gern zum Modell für den Bund machen.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Nach der NRW-Wahl: Berliner SPD rückt nicht von linkem Profil ab

Noch hält Berlins SPD an der Idee einer rot-rot-grünen Koalition im Bund fest - trotz der jüngsten Wahlschlappen. Bald stehen die nächsten Entscheidungen an.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Das hatten sich die Berliner Genossen anders vorgestellt. Der SPD-Landesverband wollte am 20. Mai im Hotel Estrel seine Kandidaten für den Bundestag mit dem Rückenwind küren, den man sich vom angeblichen Heilsbringer Martin Schulz erhoffte. Jetzt stehen die Sozialdemokraten auch in der Hauptstadt bedröppelt da. Noch im März hatte der SPD-Landeschef Michael Müller auf einer Klausurtagung der Parteispitze von einer „sehr guten Ausgangslage“ gesprochen. Am Sonntagabend, nach der dritten Wahlniederlage der Sozialdemokraten, war es endgültig vorbei mit dem Optimismus. „Das trifft uns ganz hart“, sagte Müller.

Seine Parteifreundin Eva Högl, die von der Berliner SPD am Sonnabend zur Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl am 24. September nominiert wird, fasste ihre Gefühlslage so zusammen: „Traurig, ärgerlich, bitter“. Und der ehemalige SPD-Landeschef Jan Stöß twitterte ironisch: „Die gute alte Lagertheorie ist irgendwie auch widerlegt.“ Eine ebenso knappe wie ehrliche Analyse: Der Traum von einer linken, rot-rot-grünen Mehrheit über Berlin und Thüringen hinaus ist vorerst geplatzt. Ein Projekt, für das sich die starke SPD-Linke in Berlin auch im Bund seit Langem engagiert. Deren heimliche Führungsfigur, der SPD-Fraktionschef Raed Saleh, sagte zur Lage seiner Partei am Montag nichts.

Geringes Vertrauen in linke Regierungen

Aus Sicht der Berliner SPD, aber auch der mitregierenden Linken und Grünen, ist das NRW-Wahlergebnis auch deshalb ein Schlag, weil es das geringe Vertrauen der Wähler in linke Regierungen bestätigt, das schon im Saarland und in Schleswig-Holstein spürbar wurde. Auch die Berliner sind sensibel, wenn es um innere Sicherheit, Bildung und Verkehr geht. Auch in Berlin ist soziale Gerechtigkeit ein Thema, das Rot-Rot-Grün noch nicht mit Leben erfüllt hat. Selbst in Nordrhein-Westfalen waren die Wähler mit der alten Regierung unter Hannelore Kraft zufriedener, als es die Bürger in Berlin mit dem Müller-Senat sind. Die Koalition hat Glück, dass in Berlin wohl erst 2021 das Abgeordnetenhaus neu gewählt wird.

Trotzdem ist es den Sozialdemokraten in Berlin nicht egal, wie sie bei der Bundestagswahl abschneiden. Sollte es der Bundespartei nicht gelingen, neuen Auftrieb zu erhalten, dürfte die Landes-SPD bei höchstens 25 Prozent hängen bleiben. 2013 waren es 24,6 Prozent. Dann hätte die Berliner CDU doch wieder Chancen, das prestigeträchtige Duell in der Hauptstadt – wie vor vier Jahren – für sich zu entscheiden. In Berlin ist also mit einem harten Bundestagswahlkampf zu rechnen, in dem sich auch die Regierungspartner SPD, Linke und Grüne gegenseitig nichts schenken werden.

Berliner SPD vertritt linkes Profil

Wobei die Berliner SPD von ihrem linken Profil nicht abrücken wird. Das zeigt auch das Antragspaket für das Wahlprogramm der Bundespartei, das der SPD-Landesvorstand vor einer Woche beschlossen hat. Annika Klose, die Landeschefin der Jungsozialisten, lobt ausdrücklich die Forderungen nach „höheren Steuern für Reiche, mehr Mitbestimmungsrechten für Arbeitnehmer und grundlegenden Reformen im Bildungs- und Gesundheitssystem“. In einer Resolution zur Bundestagswahl, die allerdings schon im März beschlossen wurde, spricht sich die Berliner SPD-Führung ausdrücklich für ein rot-rot-grünes Bündnis im Bund „als grundsätzliche Option“ aus. In der Bundespartei war man von diesem Beschluss nicht begeistert. Ob die Berliner Genossen angesichts der neuen Lage mit diesem klaren Bekenntnis noch den Wahlkampf bestreiten, bleibt abzuwarten.

Die nächste Gelegenheit, über den Kurs der Sozialdemokraten nach den empfindlichen Wahlschlappen zu diskutieren, bietet sich in Berlin schon am Sonnabend, wenn die SPD-Bundestagskandidaten gekürt werden. Für die ersten fünf Plätze (Eva Högl, Swen Schulz, Cansel Kiziltepe, Klaus Mindrup und Mechthild Rawert) gibt es im SPD-Landesverband einen breiten Konsens. Drei weitere Plätze auf der Landesliste, die noch als aussichtsreich gelten, werden nach den Gesetzen der Wildnis belegt. Wer im freien Spiel der Kräfte überlebt, ist noch offen.

Eine Talkrunde („Zeit für mehr Gerechtigkeit“) soll zu Beginn der Veranstaltung die innerparteiliche Debatte zur Lage der SPD kanalisieren. Per Video zugeschaltet wird der Kanzlerkandidat Martin Schulz, sein Grußwort ist noch in Arbeit. Er selbst ist am nächsten Wochenende auf dem Landesparteitag der bayerischen Sozialdemokraten zu Gast. Vielleicht ist der eine oder andere Delegierte in Berlin froh, dass Martin Schulz nur virtuell dabei ist.

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