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Graf Orlok hat Durst. Ein Ausschnitt aus dem Film "Nosferatu - Eine Symphonie des Grauens" von Friedrich Wilhelm Murnau aus dem Jahr 1922 (gezeigt 2013 in Langenfeld/Nordrhein-Westfalen in der Ausstellung "Auf Draculas Spuren. Geister und Vampire in der Kunst- und Kulturgeschichte")

© Kaiser / dpa

Murnau-Grab nicht zum ersten Mal geschändet: Diebe zum Gruseln

Der Leichnam des weltbekannten Regisseurs Friedrich Wilhelm Murnau ist geschändet worden: Unbekannte entwendeten aus der Gruft in Stahnsdorf seinen Kopf. Schon früher war die letzte Ruhestätte auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf entweiht worden.

„Der Kopp is aber weg.“ Auch unter zufälligen Besuchern des Südwestkirchhofs Stahnsdorf – in diesem Fall einem älteren, mit Lageplan übers Gelände spazierenden Ehepaar – hat sich Mittwochmittag längst herumgesprochen, was sich in einer der vergangenen Nächte hier ereignet hat: Das Grab des Regisseurs Friedrich Wilhelm Murnau ist von Unbekannten, wie in einem Teil der gestrigen Ausgabe berichtet, geschändet, Gruft und Sarg geöffnet und der Schädel des Toten entwendet worden.

Möglicherweise mit okkultistischem Hintergrund, so könnte man die Reste einer Kerze interpretieren, die am Tatort zurückblieb, aber das ist bislang reine Spekulation. Es würde immerhin zur Gruselwelt von „Nosferatu“ passen, dem wohl bekanntesten, 1922 entstandenen Werk Murnaus, das Werner Herzog 1979 erneut interpretiert hatte, diesmal mit Klaus Kinski statt Max Schreck in der Rolle des blutsaugenden transsylvanischen Grafen.

Die Tat war am Montag vom langjährigen Friedhofsverwalter Olaf Ihlefeldt entdeckt worden, der es sich, nach leidvollen Erfahrungen mit Buntmetalldieben, zur Gewohnheit gemacht hat, auf die bedeutendsten Mausoleen und Grabstätten einen prüfenden Blick zu werfen. Diesmal fiel ihm auf, dass die Doppelflügeltür, die hinter dem Murnau-Grabmal, am Fuße einer in die Tiefe führenden Treppe, den Zugang zur Gruft versperrt, einen kleinen Spalt offenstand. Die Eindringlinge hatten die Tür offenbar einfach aufgedrückt, sie danach aber wegen des herausstehenden Riegels nicht mehr ganz schließen können.

Nicht die erste Attacke

In der Gruft sah alles, bis auf die Kerze, unverdächtig aus. Doch als Ihlefeldt den Deckel des Sarges aufklappte, fand er den Leichnam ohne Kopf vor. Die Särge der beiden Brüder Murnaus, die ebenfalls in der türkisblauen, mit einem prächtigen Deckenmosaik verzierten Gruft begraben wurden, blieben unberührt.

Es war nicht die erste Attacke auf Murnaus letzte Ruhestätte. Bereits in den siebziger Jahren war der Sarg von Eindringlingen geöffnet und der Deckel dabei beschädigt worden, die Leiche aber blieb unberührt. Murnau war am 11. März 1931 bei einem Autounfall im kalifornischen Santa Barbara ums Leben gekommen, ein halbes Jahr vor der Uraufführung seines letzten, in der Südsee spielenden und dort auch gedrehten Films „Tabu“. Vor der Überführung nach Deutschland war der Leichnam mehrfach balsamiert worden, was ihren derzeitigen, vergleichsweise gut erhaltenen Zustand erklärt.

Was aus der Grabstätte werden soll, ist unklar

Bei der Beerdigung hielten Carl Mayer, Drehbuchautor von Murnaus Film „Sunrise“, und auch Regisseur Fritz Lang Grabreden, zu den Trauergästen gehörte Emil Jannings. Auch später wurde Murnau in seiner zeitweisen Wahlheimatstadt Berlin geehrt, erhielt 1989 in der Douglasstraße 22 in Grunewald, wo er von 1919 bis 1926 gewohnt hatte, eine „Berliner Gedenktafel“ und 2012 auf dem „Boulevard der Stars“ in der Potsdamer Straße seinen Bronzestern. Und ohnehin ist das Mausoleum ein Berliner Ehrengrab.

a Die Grabstätte Friedrich Wilhelm Murnaus und seiner beiden Brüder auf dem Südwestkirchhof in Stahnsdorf.
a Die Grabstätte Friedrich Wilhelm Murnaus und seiner beiden Brüder auf dem Südwestkirchhof in Stahnsdorf.

© Hirschberger/dpa

Was nun aus der Grabstätte Murnaus werden soll, ist noch unklar. Der Sarg wurde wieder verschlossen, die Tür mit einem zweiten Schloss ausgestattet. Zumauern wäre denkbar oder eine Erdbestattung neben dem Mausoleum, sagt Ihlefeldt. Auf jeden Fall möchte man Murnau in Stahnsdorf behalten.

Schon vor drei Jahren war eine Grabstätte in Stahnsdorf in ähnlicher Form entweiht worden. Damals traf es den Schauspieler und Autor Gustav Kadelburg, von ihm und seinem Kollegen Oscar Blumenthal stammte die Vorlage zu Ralph Benatzkis Singspiel „Im weißen Rößl“. Der massiv ummauerte Zinksarg wurde aufgebrochen und schwer beschädigt, an dem Leichnam immerhin vergriff man sich nicht.

Seit 2013 herrschte Ruhe

Die Hauptsorgen bereiteten Ihlefeld in den zurückliegenden Jahren aber Buntmetalldiebe. Allein 2013 gingen sieben Mausoleen ihrer Kupferdächer verlustig, dabei entstand ein Schaden von 140 000 Euro, der erst jetzt behoben werden kann. Seither herrsche immerhin Ruhe, sagt Ihlefeld, aber die ist auf dem Südwestkirchhof stets nur relativ, ist er doch bei Wildschweinen und auch Rehen hochbeliebt.

Seit 1909 gibt es diese Begräbnisstätte, die das Problem der überfüllten Berliner Innenstadtfriedhöfe lösen sollte und bald angesichts ihrer idyllischen Lage bei der hauptstädtischen Prominenz populär wurde. Heinrich Zille, Werner von Siemens, Lovis Corinth, Elisabeth von Ardenne, Vorbild für Fontanes Effi Briest, und viele weitere Berühmtheiten liegen hier begraben.

Der Kirchhof wurde so zum Spiegel der Berliner Kulturgeschichte, den Ihlefeldt beharrlich als spannendes Ausflugsziel publik zu machen sich vorgenommen hat, so im Spätsommer des Vorjahres durch eine Kulturnacht. Auch ein Film von Murnau wurde dabei mit Klavierbegleitung gezeigt, der thematisch bestens passte: „Nosferatu“.

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