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Vor der Gethsemanekirche: Seitdem Peter Steudtner in türkischer Haft sitzt, wird hier dagegen protestiert und gebetet.

© picture alliance / Jörg Carstens

Menschenrechtler aus Berlin: Ein kleiner Funke Hoffnung für Peter Steudtner

Dem Menschenrechtler aus Pankow drohen 15 Jahre Haft in der Türkei. Ein Besuch beim Fürbittgebet am Abend in der Gethsemanekirche.

Es ist kalt an diesem Sonntagabend in der Gethsemanekirche, in der Ecke brennen ein paar Kerzen, und in den Bänken sitzen ein paar Dutzend Menschen und halten sich an ein wenig Hoffnung fest – und einem Lied, das sie gemeinsam singen: „Kleines Senfkorn Hoffnung, mir umsonst geschenkt, werde ich Dich pflanzen, dass Du weiter wächst.“

Die Gemeinde, bekannt geworden als ein Zentrum der friedlichen Revolution in der DDR, betet wieder Abend für Abend für Frieden und Menschenrechte. Und für alle politischen Inhaftierten in der Türkei, unter ihnen Peter Steudtner.

15 Jahre Haft für Menschenrechtsseminar?

Der Menschenrechtler, der hier eigentlich um die Ecke wohnt, soll nach dem Willen der türkischen Staatsanwaltschaft bis zu 15 Jahre in Haft, weil er ein Menschenrechtsseminar in der Türkei mitorganisiert hat und deshalb als angeblicher Terrorhelfer angeklagt wird. Diese Nachricht ist erst ein paar Stunden alt, doch sie beschwert das tägliche Ritual der Gemeinde noch einmal spürbar.

Säße Peter Steudtner nicht als Geisel des türkischen Präsidenten Erdogan weit weg hinter Gittern, wäre er jetzt vielleicht hier - mit seiner Familie in seiner Gemeinde, die leise, zaghaft, fast ängstlich singt: „Kleiner Funke Hoffnung, mir umsonst geschenkt, werde ich Dich nähren, dass Du überspringst.“

Matthias Schlegel spricht ein paar Worte gegen das Vergessen seines Gemeindemitgliedes Peter Steudtner.
Matthias Schlegel spricht ein paar Worte gegen das Vergessen seines Gemeindemitgliedes Peter Steudtner.

© Robert Ide

"Damit Peter nicht vergessen wird"

Matthias Schlegel legt die Gitarre zur Seite und spricht ein paar Worte. Der 51-Jährige ist schon lange hier in der Gemeinde tätig; jeden Tag organisiert er mit anderen diese Andachten, damit „Peter nicht vergessen wird“, wie er sagt. Schlegel tröstet sich und die Anwesenden mit einem Zitat von Nelson Mandela aus dessen Haftzeit während der südafrikanischen Apartheid: „Ich wusste immer, dass ich irgendwann wieder im Sonnenschein durch die Freiheit laufe.“ Nein, die Hoffnung wollen sie hier nicht aufgeben.

Draußen am Kirchenzaun flattern Zettel im Herbstwind, die Freiheit für Peter Steudtner fordern, der hier vor allem Friedens- und Jugendarbeit gemacht hat. Drinnen erinnert eine Ausstellung an die Friedensgebete an diesem Ort, die vor 28 Jahren zum friedlichen Umbruch beitrugen. „Wachet und betet“, lautet heute das Motto, so wie damals. Inzwischen stehen sie drinnen im Kreis, entzünden Kerzen, sprechen sich Mut zu. „Herr, wir bitten Dich, gib den Gefangenen Kraft“, sagt eine junge Frau. „Lass uns alle nicht die Hoffnung verlieren“, murmelt ein älterer Mann. Der Schock der türkischen Anklageschrift, er hängt in jedem gesprochenen Satz.

Morgen treffen sie sich wieder

Nach einer Dreiviertelstunde löst sich der Kreis auf. „Einfach Leute wegfangen, das erinnert mich an früher“, sagt Matthias Schlegel, selbst gebürtiger Thüringer, beim Rausgehen. Die Menschen aus dem Kiez, einige Ältere, viele Junge, mehrere Familien mit Kindern, nehmen ihre Zettel mit den Liedtexten mit, wie als kleinen Beweis für ihre Botschaft. „Kleine Träne Hoffnung, umsonst geschenkt, werde ich Dich weinen, dass Dich jeder sieht.“ Am Montag treffen sie sich wieder hier, wie jeden Abend seit der Verhaftung. Um 18 Uhr erklingen erst die Glocken und dann die Lieder für Peter Steudtner und seine Familie.

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