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Spott? Häme? Ach, das kennen Spandauer. Auch Tagesspiegel-Redakteur André Görke. Der kommt da nämlich her.

© Kai-Uwe Heinrich

Meine Meinung: Spandaus Altstadt? Ein totes Pflaster

Schöne Gebäude, Gaststätten, der Fluss gleich nebenan: Eigentlich ganz hübsch hier in der Spandauer Altstadt. Man müsste den Markt nur nutzen können.

Lange nicht hier gewesen. Hat sich allerdings auch nicht wirklich was verändert. Und was sagt das über diesen Platz aus?

Vielleicht ist dies hier gar kein Platz. Steht ja schon auf den Straßenschildern: „Markt“ – und nicht „Marktplatz“. Wenn Stände aufgebaut sind und es Wurst gibt und Gemüse, dann kehrt Leben ein auf den Pflastersteinen, dann duftet es, dann quasseln die Spandauer . Aber jetzt, am frühen Sonntagabend, wenn der „Markt“ für sich wirken kann, dann ist da: nichts.

13 Kilometer geht es von hier nach Süden, acht nach Norden, acht nach Westen und sechs nach Osten. Der Markt könnte das Zentrum eines Bezirks sein, der mehr Einwohner hat als Kassel oder Erfurt. Aber das ist er nicht. Die Alten treffen sich ihren Kiezen, die Jungen in den Bars der Wilhelmstadt, und die Touristen (aus Berlin) kommen nur, wenn Weihnachtsmarkt ist. Deshalb hängt offenbar immer noch diese Adventslichterkette an der Fassade. Weil kein Fremder in die Altstadt fährt, dem so viel Gleichgültigkeit auffallen könnte. Dennoch kann Spandau mehr als Adventsfolklore.

Denn die Altstadt hat romantisch zugewucherte Innenhöfe zu bieten und Altbauten, gegen die das Nikolaiviertel wie ein fieser Touristenwitz erscheint. Nur dieser zentrale Platz hier liegt so leblos mittendrin, dass man für ihn am liebsten einen Defibrillator aus den Spandau Arcaden holen möchte.

Seit 2001 steht das Einkaufszentrum nebenan, konkurriert mit dem Rathausturm über Spandaus Lufthoheit und ist eine dankbare Ausrede für Geschäftsleute in der Altstadt, weil der Grenzstreifen zwischen der alten und der neuen Shopping-Welt eine zehnspurige Straße ist. Dabei ist der Markt nicht ohne Charme, er ist sympathisch kiezig. In den Geschäften kleben Plakate mit Spielankündigungen des örtlichen Fußballklubs Spandauer SV, der 1975 mit dem aktuellen Meister und Pokalsieger Borussia Dortmund noch in einer Liga spielte. Eine Geschichte aus einer anderen Zeit, als auch der Markt noch wichtiger war.

Spandau wird nie eine große Nummer sein. Aber der Markt, weit weg von lauten Straßen und bald ohne Tegeler Einflugschneise und nah an der Havel gelegen, muss Spandaus Herz werden. Dafür müsste er anderes bieten. Kein Wasserspiel, das Mütter ohnehin anders nennen („Lucas, geh raus aus dieser Pissrinne!“). Kein Hindernis, mitten auf dem Platz. Und wieso gibt es eigentlich auf halber Strecke fünf Stufen?

Die Bäume spenden Schatten und verbrämen Bausünden, die ein Bezirksamtsmitarbeiter ohne berufliche Ambitionen in den Siebzigern genehmigen durfte. Wer setzt sich unter diese Bäume? An diesem Abend sind es Trinker. Sonst ist keiner da, weil es hier nichts gibt außer geschlossenen Läden: Supermarkt, Woolworth, Drogerie. Wie Geselligkeit geht, zeigen ein Frisör, ein Schneider, ein paar mutige Kleinunternehmer: Sie schmeißen 200 Meter vom Markt entfernt ihr „Hinterhoffest“, mit Musik und viel guter Laune. Die Spandauer sind in Scharen da. Nach Berlin will keener.

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