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Kongresse statt Kaufrausch. Senator Geisel ist gegen ein Shoppingcenter im ICC, das für die geplante Asbestsanierung geschlossen wurde.

©  Doris Spiekermann-Klaas

Mauerpark, ICC, Hochhäuser: Berlins neuer Bausenator will Wohnungen statt Shopping-Malls

Andreas Geisel, der neue Stadtentwicklungssenator, hat seine Ziele für Berlin vorgestellt. Der Wohnungsneubau habe Priorität, Bürgerbeteiligung eingeschlossen. Weitere Einkaufszentren brauche Berlin dagegen nicht – schon gar nicht im ICC.

Für den neuen Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) ist diese Diskussion in der Urania der bisher größte öffentliche Auftritt in seiner knapp dreimonatigen Amtszeit – etwa 400 Gäste wollen am Mittwochabend etwas über seine Ziele und Leitbilder erfahren. Geisel ist entspannt, auskunftsfreudig und lächelt viel – bezieht aber auch deutlich Stellung. Als die Rede auf die umstrittene Wohnungsbauplanung am Mauerpark in Mitte kommt, die der Senator dem Bezirk Mitte soeben entzogen hat, ist Geisel um eine klare Ansage nicht verlegen: "Wir sind die Regierung, und irgendwann gehört auch mal eine Entscheidung dazu."

Moderiert wird der Abend von Gerd Nowakowski, Leitender Redakteur des Tagesspiegels, und Bärbel Winkler-Kühlken, die zum Vorstand der Architektenkammer Berlin gehört. Als Nowakowski nach Geisels Prioritäten fragt, kommt die Antwort prompt: An erster Stelle stehe der Wohnungsbau.

In der größten Senatsverwaltung ist der neue Chef für vieles zuständig

Aber Geisel ist auch Umwelt- und Verkehrssenator. „Gab es einen Praxisschock in der Riesenbehörde?“, fragt Nowakowski. Nein, sagt Geisel, der früher Bürgermeister und Baustadtrat in Lichtenberg war. Aber er „lerne jeden Tag etwas dazu“. Das sei normal in Berlins größter Senatsverwaltung: Sein Amtsvorgänger, der jetzige Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD), habe „selbst nach drei Jahren noch neue Zuständigkeiten entdeckt“.

170 000 neue Wohnungen möglich

Geisel spricht über den neuen Wohnungsmarktbericht: Seit 2011 sei Berlins Bevölkerung um 175 000 Menschen gewachsen, also um mehr als die Einwohnerzahl von Potsdam. Deshalb werde nicht nur die Berliner Innenstadt „verdichtet“, sondern „flächendeckend in der ganzen Stadt gebaut“. Der große Vorteil Berlins im Vergleich zu anderen Städten: „Wir haben Platz.“ An mehr als 1000 Stellen gebe es noch Potenzial für insgesamt mindestens 170 000 Wohnungen.

Bürgerbeteiligung gehört dazu

Aus dem Volksentscheid gegen die Randbebauung des Tempelhofer Feldes „haben wir gelernt“, sagt der Senator. Andererseits müssten Anwohner auch bereit sein, Ergebnisse langjähriger Bürgerbeteiligungen zu akzeptieren. Im Fall des Mauerparks seien die Interessen der Anwohnerschaft berücksichtigt worden, „das ganze Projekt hat sich stark gewandelt“. Bei privaten Bauvorhaben seien Bürger oft enttäuscht, wenn ihre Forderungen nicht aufgegriffen würden. Bei vielen Projekten seien die Investoren dazu aber nicht verpflichtet.

Hochhäuser setzen Akzente

Der Senator findet städtebauliche „Dominanten“ an ausgewählten Orten richtig, um „Akzente“ zu setzen. Als gelungenes Beispiel nennt er das Charlottenburger „Zoofenster“-Hochhaus mit dem 2013 eröffneten Hotel Waldorf-Astoria. In den 90er Jahren habe der damalige Senatsbaudirektor Hans Stimmann zu Recht viel Wert auf die Berliner Traufhöhe von 22 Metern gelegt, heute aber „haben wir eine andere Zeit“.

Bausenator Andreas Geisel (SPD) stellte sich Bürgerfragen.
Bausenator Andreas Geisel (SPD) stellte sich Bürgerfragen.

© Cay Dobberke

Hin und wieder komme er in der Kantstraße am „Kantdreieck“ mit dem markanten Dachsegel vorbei, dann „ärgere ich mich jedes Mal über die Proportionen“. Ursprünglich hatte Architekt Josef Paul Kleihues das 1995 eröffnete Bürogebäude als Turm geplant – aber der Bezirk erlaubte dem Investor KapHag seinerzeit nur eine Bauhöhe von 36 Metern zuzüglich des 18 Meter aufragenden Segels. Nun setzt sich Geisel für eine Aufstockung ein: „Ich habe mir vorgenommen, mit dem Bauherrn zu reden.“ Auch die Haltung des Bezirksamts habe er sich schon erläutern lassen. Wie berichtet, will der Bezirk weitere Etagen nur genehmigen, wenn es am Dachsegel künftig keine oder nur noch ausgewählte Werbung gibt.

Ein Shoppingcenter im ICC „finde ich doof“

Fast 70 Einkaufszentren gibt es schon in Berlin, weitere sind geplant. Jetzt reicht es dem Senator: „Wir haben zu viele Shoppingmalls.“ Neubauten würden nur noch in Ausnahmefällen an „integrierten Standorten“ genehmigt, wo sie sich gut in Einkaufsstraßen einfügten und es genügend Kaufkraft gebe. Das habe der Senat im „Stadtentwicklungsplan Zentren“ geregelt. Ein Einkaufszentrum im geschlossenen Internationalen Congress Centrum (ICC) am Charlottenburger Messegelände lehnt Geisel ab: „Das finde ich doof.“

Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU), die Nutzungsmöglichkeiten für das frühere Kongressgebäude prüft, sei „auch nicht begeistert“ von einem Einkaufszentrum. Vernünftig sei eher ein „Nutzungsmix“, der wieder Kongresse im ICC ermögliche, ergänzt vielleicht durch ein Hotel an der Stelle des leer stehenden Parkhauses und nur wenige Läden.

„Perspektivisch“ könne er sich einen Denkmalschutz für das ICC vorstellen.

Aktuell sind weitere Berliner Center rund um das Karstadt-Warenhaus am Ku'damm, in der einstigen Schultheiss-Brauerei in Moabit, neben der O₂-World (künftig: Mercedes-Benz Arena) in Friedrichshain sowie im künftigen Quartier „Pankower Tor“ geplant.

Stadtplatz am Roten Rathaus

Vor dem Roten Rathaus in Mitte „könnte ich mir einen gepflasterten Stadtplatz für die Stadtgesellschaft vorstellen“, sagt der Senator. Bisher „weichen wir auf den Pariser Platz aus oder auf die Straße des 17. Juni“. Das seien national bedeutsame Orte, als Treffpunkt für Berliner biete sich aber auch der Rathausvorplatz an.

Zu kurz geraten. Der Senator plant Gespräche über eine Aufstockung des Kant-Dreiecks in der Kantstraße, das in den 1990er Jahren kein Hochhaus werden durfte.
Zu kurz geraten. Der Senator plant Gespräche über eine Aufstockung des Kant-Dreiecks in der Kantstraße, das in den 1990er Jahren kein Hochhaus werden durfte.

© Cay Dobberke

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