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Das Treppenhaus einer Grundschule in Berlin.

© Stefan Schaubitzer/dpa

Marode Schulen und Wahlkampf in Berlin: Schuld sind wie immer alle

Berlin hat seine Schulen verwahrlosen lassen – jetzt kommt der Hilferuf. Jeder sucht die Schuld für das Chaos bei anderen, und alle haben irgendwie recht. Das ist das Problem. Ein Kommentar.

"Früher haben wir immer gelacht, wenn wir uns die Ost-Berliner Schulen angeguckt haben", gab am Mittwoch der Spandauer Bildungsstadtrat zum Besten. Dieser Verfall! Diese verrottete Substanz! Heute weiß er, dass das auch ohne 40 Jahre Kommunismus geht.

Berlin im Jahr 2016. Wenige Monate vor den Wahlen zum Abgeordnetenhaus wird ordentlich abgerechnet. Die Koalitionäre von SPD und CDU schenken sich nichts. Eine Schlüsselrolle spielt dabei die um vier Milliarden Euro pendelnde Summe des Schulsanierungsstaus. Das Schuldzuweisungskarussell dreht sich in atemberaubender Geschwindigkeit. Und alle haben recht. Irgendwie. Aber keiner kommt aus der Sache fein raus.

Denn die „Schuld“ ist hübsch gleichmäßig verteilt. Ein gutes Quäntchen geht auf den Mauerfall, der dazu führte, dass bereits bewilligte Schulbauvorhaben im West- Teil gestoppt wurden, um das Geld in die verkommene Infrastruktur der Ost-Bezirke zu pumpen. Und dann kamen irgendwann Sarrazin und Wowereit mit der Ansage „Sparen bis es quietscht“, weil sie der nächsten Generation etwas weniger Schulden aufbürden wollten. Aus dieser Zeit stammt die folgenschwere Verringerung der Gelder für die bauliche Unterhaltung.

Berlin hat den Substanzverlust zugelassen

Nun also – 4,9 Milliarden. Mit dieser Zahl ist umzugehen. Da hat es auch wenig Sinn, wenn der Senat den Bezirken jetzt vorhält, sich hier und da verrechnet zu haben: Berlin hat in den vergangenen Jahren unter SPD-Führung einen immensen Substanzverlust zugelassen, der auch nicht unbedeutender wird, wenn man den einen oder anderen Nicht-SPD-Stadtrat bei Ungenauigkeiten ertappt.

Dennoch lohnt es sich, bei den Bezirken genauer hinzusehen, die nun mal für den Zustand der Schulen zuständig sind. Manche haben Investitionsmittel liegen lassen, Sanierungsgelder zweckentfremdet, sich weggeduckt oder einfach die Schuld im Bezirksamt hin und her geschoben. Für einen „Hilferuf“, wie ihn die CDU am Mittwoch öffentlichkeitswirksam formulierte, blieb da all die Jahre offenbar keine Zeit. Er wird wahlkampfgerecht erst jetzt formuliert.

Wer soll glauben, dass irgendetwas besser wird?

Wer aber soll den Bezirken jetzt noch glauben, dass künftig alles besser wird? Dass die Zählgemeinschaften nicht wie bisher auf Kosten der Schulen Entscheidungen treffen? Wer soll aber auch dem Senat glauben, dass er es besser kann? Schließlich ist er es, der neue Schulbauvorhaben mitunter so lange blockiert, bis zeitlich nichts mehr geht außer genormten Unterrichtsmodulen. Und er ist es doch, der die bezirklichen Hochbauämter ausbluten ließ, bis sie nicht mehr arbeitsfähig waren.

Nicht umsonst geht der Berliner Blick seit geraumer Zeit nach Hamburg. Dort wurde mit der Gründung eines personell gut ausgestatteten Landesbetriebs ein dritter Weg beschritten. Er erhält ein auf Jahre festgelegtes auskömmliches Budget für Bewirtschaftung, Sanierung und Neubau der Schulen, die somit nicht länger Spielball von Haushalts- und Parteipolitikern sind. Der künftige Senat braucht gute Argumente, um eine vergleichbare Lösung auszuschließen. Ost-Berliner Standard reicht nicht.

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