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Um der vorrückenden Roten Armee die Orientierung zu erschweren, sprengte die Wehrmacht die Dorfkirche in Malchow vor deren Eintreffen.

© Claus-Dieter Steyer

Letzte Kriegstage in Berlin: Der Anfang vom Ende des Zweiten Weltkriegs

In Malchow erreichte der Krieg Berlin. Der Lichtenberger Ortsteil wurde am 21. April 1945 von der Roten Armee zuerst besetzt. Eine Zeitzeugin erzählt.

Die Panzersperren auf der Fernstraße an der nördlichen Berliner Stadtgrenze fielen um wie Streichhölzer. „Der Taifun stupste die Stahlstangen nur an, und schon stand die Spitze der endlosen Kolonne im Dorf.“ Irene T. hat das Eindringen der Roten Armee nach Berlin vor 70 Jahren erlebt. „Ja, es war ein Taifun, der damals über uns hereinbrach.“ Die hoch betagte Frau gehört zu den wenigen noch lebenden Zeitzeugen der dramatischen Ereignisse im April 1945 im heutigen Lichtenberger Ortsteil Malchow. „Ach, ich möchte mich gar nicht daran erinnern“, sagt sie am Telefon und bittet darum, ihren vollen Namen nicht zu veröffentlichen. „Es gab damals schlimme und gute Russen, viele voller Hass, andere mit Rücksicht. Heute kann niemand über diese schreckliche Zeit richten.“

Dann erzählt sie doch über die für sie unvergessliche Situation am 21. April 1945 an der heutigen Bundesstraße 2, die vom Autobahndreieck Barnim über Malchow nach Weißensee und weiter bis zum Alexanderplatz führt. Um 10.30 Uhr habe die Wehrmacht die mittelalterlichen Dorfkirchen in Malchow und im benachbarten Wartenberg sowie in Falkenberg gesprengt, um den Angreifern die Orientierung zu erschweren. „Um 12 Uhr rollten die ersten Panzer bei uns nach Berlin. Malchow war damit der erste besetzte und befreite Berliner Ortsteil“, sagt Irene T.

Meist gilt Marzahn als der Bezirk, in dem die Rote Armee zuerst eintraf. Eine Gedenktafel an der Landsberger Allee verweist seit DDR-Zeiten auf das „erste von der Roten Armee befreite Haus“. Irene T. ist sich aber sicher: Dort sei die Armee erst Stunden später gewesen.

Auf nennenswerten Widerstand seien die Russen in Malchow nicht getroffen. Die alten Häuser stünden ja alle noch entlang der Straße. Nur vier seien bei Bombenangriffen auf eine an der Wartenberger Straße befindliche Munitionsfabrik zerstört worden. Ein Haus sei beim Vormarsch der sowjetischen und polnischen Soldaten in Brand gesteckt worden. „Aber die Armee hatte es an jenem Apriltag eilig, ins Berliner Zentrum vorzustoßen“, erinnert sich Irene T. Ganz Weißensee sei praktisch kampflos übergeben worden. Erst auf Höhe der heutigen S-Bahn-Station Greifswalder Straße habe die Wehrmacht einen letzten Abwehrring aufgebaut.

Wer sich heute in Malchow auf die Suche nach Spuren aus jenen Kriegstagen begibt, findet noch das erste von der Roten Armee eingenommene Berliner Haus. Es steht direkt an der viel befahrenen Dorfstraße in Höhe der Einmündung des Blankenburger Pflasterwegs stadteinwärts auf der linken Seite. Nur wenige hundert Meter sind es von hier bis zur Ruine der Malchower Dorfkirche. Nur noch Reste einer Mauer und ein Gedenkstein mit der Aufschrift „2. Weltkrieg“ sind von dem Gotteshaus geblieben. Inmitten des einstigen Kirchenschiffs steht eine Bank für die Friedhofsbesucher. Sie blicken auf einen großen Steinhaufen, der von der Sprengung der Kirche übrig blieb. An einen Wiederaufbau war nie gedacht worden.

Ganz in der Nähe von Malchow findet sich noch ein weiteres Zeugnis der dramatischen Ereignisse am 21. April 1945. Auf dem kleinen Friedhof in Blankenburg an der Kastanienallee liegen in einer Doppelreihe schmale Grabsteine, auf denen vor allem jenes Datum als Todestag eingraviert steht. Die Opfer waren kaum älter als 14 oder 15 Jahre oder schon jenseits der 60. Es dürfte sich also um Mitglieder des sogenannten Volkssturms gehandelt haben, der sich in der bereits ausweglosen Situation der Roten Armee entgegenstellen musste.

Am 21. April erinnern die evangelischen Kirchengemeinden Malchow und Wartenberg mit Gedenkfeiern an die Zerstörung der Dorfkirchen. Diese finden um 15 Uhr an der Ruine in Malchow, um 16 Uhr an den Trümmern in Wartenberg und um 17 Uhr an der Ruine in Falkenberg statt. Das Gemeindebüro organisiert Mitfahrgelegenheiten (Tel. 925 14 90).

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