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Schultafel: "1./2. Stunde fällt aus"

© dpa

Lehrermangel in Berlin: Die Bildungspolitik der SPD ist ein Desaster

In Berlin fehlen neue Grundschullehrer. 1.000 Lehrer werden gebraucht, nur 175 schließen ihre Ausbildung ab. Schuld am Mangel sind fehlende Absprachen und Machtkämpfe in der Partei. Ein Kommentar.

Es gibt kein Parteiprogramm, das nicht den Wert der Bildung betont und ihre Förderung zum zentralen Ziel erhebt. Zu Recht. Denn was in den Köpfen der Kinder und Jugendlichen steckt, bildet das Fundament für die Zukunft des Landes. In Berlin, wo die Sozialdemokraten die Möglichkeit haben, die Kinder von der Kita bis zum Beruf zu begleiten, werden Chancen vertan, weil eine Hand nicht weiß, was die andere tut, und Machtkämpfe wichtiger sind.

Im Ressort von Bildungssenatorin Sandra Scheeres laufen alle Fäden und Planungen zusammen. Sie hat theoretisch viel Macht, um den jungen Menschen einen erfolgreichen Start ins Leben zu ermöglichen. Doch je mehr sich die Legislaturperiode dem Ende zuneigt, umso weniger ist klar, wofür dieser ideale Ressortzuschnitt gut ist. Die Dinge greifen nicht ineinander, sondern driften auseinander – so als lebten die drei Staatssekretäre für Jugend, Schule und Hochschule auf drei unterschiedlichen Planeten.

Rund 800 Lehrer fehlen

Ein geradezu monströses Beispiel für das Eigenleben der Teilressorts ist der jüngste Befund zum Lehrermangel: Berlin braucht auf einen Schlag 1.000 neue Grundschullehrer, aber nur 175 beenden dieses Jahr ihre Ausbildung. Offenbar hat niemand den Hochschulen rechtzeitig vermittelt, wie viele Lehrer in Pension gehen und ersetzt werden müssen. Der dadurch entstandene Mangel verschärft sich jetzt noch durch die Flüchtlinge.

Bald wird jeder zweite Berliner Schüler eine nichtdeutsche Muttersprache haben, aber es fehlen Pädagogen, die den schwierigen Prozess der zweisprachigen Alphabetisierung steuern können. Es mangelt an Lehrern, die allen Kindern, ob deutschstämmig oder nicht, das Fundament aller Fundamente beibringen können, nämlich lesen und schreiben. Regelmäßig schneiden die Drittklässler bei Vergleichsarbeiten in diesen Fächern schlecht ab. Deshalb hatte Pisa-Papst Jürgen Baumert dem Senat auf Wunsch von Bildungssenatorin Scheeres schon vor Jahren empfohlen, dass alle Berliner Grundschullehrer dringend Mathematik und Deutsch studieren sollen. Monatelang wurde über das entsprechende Lehrerbildungsgesetz gestritten. Aber offenbar hat man vergessen, die entsprechenden Studienplätze zu schaffen

Schlechte Betreuungssituation

Ähnlich undurchdacht wirkt die Kitapolitik. De facto teilen sich in Berlin acht bis zehn Kleinkinder eine Erzieherin. Im Bundesdurchschnitt sind es zwei Kinder weniger. Das Erschrecken darüber war groß. Doch obwohl Scheeres als Bildungssenatorin wissen müsste, wie sehr die Schullaufbahn auch von der Qualität der Kita abhängt, kämpfte sie nicht für eine bessere Betreuungsrelation.

Da musste erst SPD-Fraktionschef Raed Saleh kommen. Er setzte die Finanzierung kleinerer Kitagruppen durch, weil er die dafür nötige Hausmacht besitzt – und weil er im Gegenzug die wahlkampftaugliche Abschaffung der Krippenbeiträge erreichen wollte.

Und Sandra Scheeres? Die Herrin über ein Riesenressort kann dieser Überwältigungspolitik nichts entgegensetzen. Der SPD-Fraktionschef walzt Bedenken und Widerspruch nieder und führt die Senatorin und ihre Staatssekretäre wie unmündige Kinder vor: Ab und an bekommen sie ein Riesengeschenk, ansonsten haben sie ihren Mund zu halten. So erweist sich ein wirkmächtiges Ressort als Seifenblase, die der Fraktionschef nach Belieben mal zum Platzen, mal zum Tanzen bringt. Die Bildung bleibt dabei auf der Strecke.

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