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Volle Dröhnung. In Berlin dank vieler Spätis an jeder Ecke zu haben.

© Thilo Rückeis

Verkaufsverbot für Alkohol in der Nacht: Berlins Jugend ist eher bekifft als besoffen

Der CDU-Innenpolitiker Peter Trapp hatte ein Verkaufsverbot für Alkohol in der Nacht gefordert - jetzt nimmt er es zurück. Denn Berlins Jugend trinkt recht wenig – jedenfalls im Vergleich.

Von
  • Sandra Dassler
  • Fatina Keilani

Soll es ein nächtliches Verkaufsverbot von Alkohol in Berlin geben? Angesichts zahlreicher volltrunkener Jugendlicher insbesondere an Wochenenden hatten Politiker kürzlich diese Forderung erhoben. Einer von ihnen war der CDU-Innenexperte Peter Trapp. Doch der hat seine Meinung nun geändert, denn er hat dazugelernt. „Ich fand das viel: mehr als 900 von der Polizei aufgelesene alkoholisierte Jugendliche im vergangenen Jahr“, sagte Trapp am Donnerstag dem Tagesspiegel. „Aber dann habe ich von Gesundheitssenator Mario Czaja erfahren, dass Berlin, Bremen, Hamburg und München in der Statistik ganz hinten liegen.“ Da die präventiven Maßnahmen der Gesundheitsverwaltung besser greifen würden als gedacht, „bin ich nicht mehr dafür, repressive Maßnahmen anzuwenden“, so Trapp. Die genannte Zahl von über 900 Alkoholisierten ergibt sich aus der Polizeistatistik; nicht alle der so Registrierten kamen aber ins Krankenhaus.

Es gibt jedenfalls Erfolge. „Obwohl wir in Berlin kein nächtliches Alkoholverkaufsverbot wie in Baden-Württemberg haben, sind die Zahlen der in Krankenhäuser mit einer Alkoholintoxikation eingelieferten Kinder und Jugendlichen in Berlin deutlich rückläufig“, teilt die Landesdrogenbeauftragte Christine Köhler-Azara mit. Im Jahr 2012 seien insgesamt 395 Berliner Kinder und Jugendliche im Alter von 10 bis 19 Jahren mit einer Alkoholvergiftung in Berliner Krankenhäusern behandelt worden, im Jahr 2013 seien es nur noch 270 gewesen.

Prävention ist erfolgreich, aber unterfinanziert

Das sei erfreulich und zum Teil der erfolgreichen Präventionsarbeit geschuldet, meint die Senatsgesundheitsverwaltung. Zu erfolgreichen Maßnahmen zählt das Projekt „Halt“, auf das der Senat verweist. „Das ist ein sehr erfolgreiches Projekt“, sagt die Sprecherin der Gesundheitsverwaltung, Regina Kneiding. Wenn ein Jugendlicher mit Alkoholvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert werde, tauche im Idealfalle noch am Krankenbett ein „Halt“-Mitarbeiter auf und biete seine Hilfe an.

Was Kneiding nicht sagt: Das Projekt „Halt“ ist eigentlich unterfinanziert. Es ist ein Gemeinschaftsprojekt der Caritas mit der Stiftung SPI. Diese schrieb im September an den SPD-Gesundheitspolitiker Thomas Isenberg, im Jahr 2013 habe man 50 Kinder und Jugendliche aus Mangel an Ressourcen nicht mehr beraten können. Ende September 2014 seien es bereits wieder 45 junge Menschen, die nicht erreicht werden konnten. Kneiding wollte dies nicht kommentieren.

SPD-Politiker Isenberg fordert keine zeitliche, wohl aber eine räumliche Beschränkung des Alkoholverkaufs. An Tankstellen würde er ihn am liebsten ganz verbieten, denn: „Autofahrer brauchen keinen Alkohol.“ Mindestens aber müssten Supermärkte und andere Verkaufsstellen das Jugendschutzgesetz strengstens einhalten. Das heißt: Kein Alkohol an unter 16-Jährige und kein harter Alkohol an unter 18-Jährige.

Diese Forderung existiert allerdings schon lange; dennoch gelingt es Jugendlichen und sogar Kindern immer wieder, an die Droge heranzukommen. Der Tagesspiegel hatte vor fast genau einem Jahr eine 14-Jährige zu Testkäufen losgeschickt, und sie hatte problemlos Alkoholika von Bier bis Wodka bekommen.

In Bayerns Kliniken landen mehr als dreimal so viele Alkoholvergiftete

Der Suff bis zur Bewusstlosigkeit ist den Zahlen zufolge eher ein Problem der Jugendlichen in den Flächenländern. In Berlin liegen andere Drogen vorn, vor allem Cannabis. „Der Alkoholkonsum bleibt ein Problem in Berlin, aber vor allem bei den Erwachsenen“, sagt Kneiding.

Laut Bundes- und Landesstatistik zum „Komasaufen“ liegen die Zahlen der jugendlichen Alkoholopfer in Berlin deutlich hinter denen in Flächenländern wie Baden-Württemberg, Bayern oder auch Brandenburg. Bezogen auf 100.000 Jugendliche kamen im Jahr 2013 in Berlin 120 Personen im Alter zwischen 10 und 20 Jahren wegen Alkohols in Krankenhäuser. In Baden-Württemberg waren es 284, in Bayern sogar 402. In Brandenburg wurden 217 jugendliche Komasäufer registriert – immer noch fast doppelt so viele wie in Berlin. Dennoch sei – bis auf Hamburg – der Trend in allen Bundesländern seit Jahren rückläufig, sagt Rüdiger Scharf von der Pressestelle der DAK. So war bei den 15- bis 20-Jährigen der Rückgang mit knapp zwölf Prozent besonders hoch. Auch die bundesweite Kampagne „Kenn dein Limit“ ist offenbar erfolgreich.

Die Drogenbeauftragte Köhler-Azara positioniert sich nicht klar zu einem Alkoholverkaufsverbot. Aus fachlicher Sicht wäre es sicherlich „der Gesundheit vieler Menschen, vor allem und gerade auch der vieler Erwachsener, zuträglich“, teilte sie mit. Es gegen den Willen der Bevölkerung durchzusetzen, sei aber wenig erfolgversprechend. Und ein Verbot ergebe auch nur Sinn, wenn man seine Einhaltung kontrollieren könne.

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