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Kinder spielen und basteln in einer Kindertagesstätte in Berlin-Friedrichshain.

© dpa/Kay Nietfeld

Kinderbetreuung in Berlin: Ämter erschweren Ausbau von Kitaplätzen

In Berlin fehlen tausende Kitaplätze. Dennoch beharren Ämter auf zum Teil fragwürdige Vorgaben für neue Einrichtungen – etwa auf eine eigene Dusche für den Koch.

1000? 3000? Oder mehr? Noch ist unklar, wie viele Kita-Plätze bis zum Sommer in Berlin fehlen werden. Klar ist aber, dass Ämter und Kita-Aufsicht die Erweiterung der Kapazitäten erschweren. Freie Träger berichten von „lähmenden“ und „absurden“ Vorschriften. „Viele kleine Projekte geben auf“, bestätigt der Dachverband der Kinder- und Schülerläden (DAKS).

Im schlechteren Fall wird die Kita gar nicht erst gegründet

Ein Beispiel: Ab 25 Kindern muss eine Kita eine Freifläche, also einen Spielplatz vorweisen können – selbst wenn sich in der Nähe ein öffentlicher Spielplatz befindet. Da es in der Innenstadt kaum noch solche Freiflächen gibt, verzichtenTräger darauf, mehr als 25 Kinder aufzunehmen – selbst wenn die betreffende Immobilie Platz für 30 oder 35 Kinder hätte.

Fragwürdig sei es auch, wenn einer „Mini-Innenstadtkita“ ein teures und raumgreifendes behindertengerechtes WC vorgeschrieben werde, obwohl das betreffende Hochparterre nur über eine Treppe zu erreichen sei, schildert ein Kitaträger aus Wedding eine konkrete Erfahrung. Auch die Vorschrift, dass pro Kind 3 bis 4,5 Quadratmeter vorgehalten werden müssten, werde oft so ausgelegt, dass Aufsichtsbeamte auf 4,5 Quadratmeter beharrten – mit Hinweis auf inzwischen geltende höhere Standards.

Kritisiert wird zudem immer wieder die Vorgabe, dass – sofern der Weg aus der Küche in den Gruppenraum durch den Flur an einem WC vorbei führt – dieses WC einen Vorraum braucht. Das Gleiche gelte für die Lieferung durch einen Caterer auf dem Weg zur Küche: „Auch das kostet im besten Fall pädagogische Nutzfläche und damit Platzkapazität.

Im schlechteren Fall wird die Kita dann gar nicht erst gegründet, weil die Räume sind wie sie sind, und ein Vorraum nicht möglich ist“, beschreibt eine Kitabetreiberin ihre Erfahrungen. Die Forderung nach „direkt belüftbaren Garderoben“ ist eine weitere Facette im Vorschriftendschungel – ebenso wie die Forderung nach einer Dusche für den Koch.

„Wie setze ich meinen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz um?“

Die Küchenvorschriften gelten ohnehin als besonders großes Ärgernis. Selbst kleinste Einrichtungen müssten Fettabscheider und mehrere Spülbecken vorhalten, berichtet DAKS-Sprecher Roland Kern. Manche Einrichtungen verzichteten dann lieber auf das – eigentlich empfohlene – Selberkochen.

Als Hemmnis wird auch geschildert, dass Jugend-, Gesundheits- und Stadtplanungsämter von Bezirk zu Bezirk unterschiedliche Maßstäbe anlegten. Als Beispiel wird genannt, dass in einem Bezirk die Waschmaschine nicht im WC stehen darf und im anderen nicht in der Küche, während der nächste Bezirk einen eigenen Raum fordert – ebenfalls auf Kosten der pädagogischen Nutzfläche. DAKS-Sprecher Kern wünscht sich denn auch einen „Agenten für den Kitaausbau“ in den Jugendämtern: Eine Art „Ämterlotse“, der den Trägern helfen könnte.

Erhöhter Kitaplatzbedarf in Berlin nach Bezirken.
Erhöhter Kitaplatzbedarf in Berlin nach Bezirken.

© Visualisierung: Tsp

Möglicherweise werden sich die Ämter aber künftig etwas kooperativer zeigen. Denn die Familien sind mit zunehmender Not ungeduldiger, wie die ersten Klagen, über die der Tagesspiegel berichtete, belegen. „Es werden deutlich mehr, die uns kontaktieren“, sagt Katrin Molkentin, die Vorsitzende des Landeselternausschusses für die Kitas (LEAK). Sie erwägt aktuell, den Familien, die keinen Platz finden, mit einer Infoveranstaltung unter die Arme zu greifen. Arbeitstitel: „Wie setze ich meinen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz um?“

Erhöhte Nachfrage nach Kitaplätzen

Die erhöhte Nachfrage nach Kitaplätzen hat mehrere Gründe, darunter an erster Stelle die Verschiebung der Schulpflicht: Waren vor fünf Jahren nur 20 Prozent der Sechs- bis Siebenjährigen noch in der Kita, sind es inzwischen fast 30 Prozent. Zur Nachfragesteigerung führte zudem das Sprachfördergesetz: Wer schlecht Deutsch kann, muss vor Schulbeginn in die Kita.

Diese Gruppe ist durch die Flüchtlingszuwanderung noch erheblich gewachsen. Auch der erweiterte Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab dem ersten Lebensjahr, der Wegfall des Betreuungsgeldes sowie die stufenweise Abschaffung der Kitagebühren für alle Altersgruppen hat die Nachfrage angeheizt.

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