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Auch bei Erwachsenen können schwere Symptome auftreten.

© Mauritius

Keuchusten: Eine tückische Krankheit

Keuchhusten ist hoch ansteckend. Und die Infektionszahlen steigt seit einigen Jahren wieder. Außerdem sind nicht nur Kinder, sondern immer mehr Erwachsene betroffen. Grund ist die Impfmüdigkeit.

Es ist keine hundert Jahre her, da starben in Deutschland jedes Jahr rund 10 000 Säuglinge am Keuchhusten. Dank einer in den 1930er Jahren erstmals eingeführten Impfung hat die hochansteckende Krankheit ihren Schrecken verloren. Doch seit Anfang dieses Jahres sind die Mediziner aufgeschreckt: Die Zahlen der Infizierten steigen stetig. Waren 2013 zu Beginn der Meldepflicht für Keuchhusten noch etwa 12 000 Fälle erfasst worden, erkrankten im vergangenen Jahr bereits mehr als 22 000 Menschen daran. Drei Säuglinge starben an der Infektion – das war lange nicht mehr geschehen. Experten sehen Grund für den Anstieg zum einen in der detaillierteren Erfassung, zum anderen aber hauptsächlich in immer größer werdenden Impflücken. Ein trockener Reizhusten, Schnupfen, leichtes Fieber – die ersten Symptome von Keuchhusten erinnern an eine Erkältung. Die Kinder werden ins Bett gepackt, mit Tee, Taschentüchern und einer guten Geschichte versorgt. Erwachsene ignorieren die Krankheitsanzeichen meist und schleppen sich angeschlagen ins Büro. Bis die Symptome – bei Klein und Groß – schlimmer und die Hustenattacken so heftig werden, dass man sich erbricht. Das ist im besten Falle einfach nur unangenehm. Für Säuglinge und Menschen mit einem schwachen Immunsystem oder einer schweren Grunderkrankung kann Keuchhusten jedoch schnell lebensgefährlich werden: Sie leiden unter Atemaussetzern und die Lunge kann sich entzünden oder dauerhaft geschädigt werden. „Die Erkrankungszeichen sind anfangs häufig noch untypisch, sodass die Diagnose zu dem Zeitpunkt oft nicht gestellt wird. Gleichzeitig sind die Erkrankten genau dann schon hochinfektiös“, sagt Cornelia Feiterna-Sperling von der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Pneumologie und Immunologie an der Charité Universitätsmedizin Berlin. So werden Kranke, die den Keuchhusten selbst gut wegstecken und ihn als hartnäckige Erkältung oder Bronchitis fehldeuten, zur Gefahr für andere. Denn Betroffene sind mindestens drei Wochen lang ansteckend und infizieren in dieser Zeit durchschnittlich 17 weitere Personen. Nahezu jeder Kontakt zwischen einem erkrankten und einem gesunden Menschen führt zur Ansteckung. Hinzu kommt, dass Keuchhusten sehr häufig atypisch verläuft, die bekannten Stadien also überhaupt nicht in dieser Form auftreten.

Früher hieß die Krankheit der "100-Tage-Husten"

So macht sich das zweite Stadium bei Säuglingen unter sechs Monaten meist nicht mit den charakteristischen Hustenanfällen, sondern mit Atemstillständen bemerkbar. „Säuglinge im ersten Lebensjahr haben zudem ein erhöhtes Risiko für schwerwiegende Komplikationen wie Apnoen, Lungenentzündungen oder Krampfanfälle“, sagt Feiterna-Sperling. Jugendliche und Erwachsene werden oft nicht mit Keuchhusten diagnostiziert, weil sie als einziges Symptom einen trockenen Husten haben. Das Problem: In ihrem Blut ist der Erreger dennoch nachweisbar, sie können also andere anstecken.
Keuchhusten ist weltweit eine der häufigsten Infektionserkrankungen der Atemwege. Die Betroffenen husten über mehrere Wochen oder sogar Monate. Der Volksmund nannte die Erkrankung daher früher auch den 100-Tage- Husten. Der Erreger des Keuchhustens heißt Bordetella pertussis. Dieses Stäbchenbakterium produziert verschiedene Giftstoffe, die die Schleimhäute der Atemwege schädigen und so die Symptome verursachen. Ein zweiter Erreger, Bordetella parapertussis, kann ebenfalls Keuchhusten verursachen. Allerdings erkranken weniger als 20 Prozent der von diesem Bakterium befallenen Menschen an Keuchhusten, der Großteil bekommt entweder eine einfache akute Bronchitis oder merkt überhaupt nichts von der Infektion.
Der Keuchhusten, sagt Ulrich Heininger, ist auf vielen Ebenen kompliziert. Der Professor ist Leitender Arzt in der Pädiatrischen Infektiologie und Vakzinologie des Universitäts-Kinderspitals beider Basel und hat sich zu Pertussis – so der medizinische Name für Keuchhusten – habilitiert. „Eine Therapie muss so früh wie möglich begonnen werden – dann, wenn man eigentlich noch gar keinen Verdacht hat, dass es Keuchhusten sein könnte“, sagt Heininger.

Von sechs Geimpften bleibt einer ungeschützt

Auch bei Erwachsenen können schwere Symptome auftreten.
Auch bei Erwachsenen können schwere Symptome auftreten.

© Mauritius

Immerhin: Es gibt wirksame Impfstoffe, die gut verträglich sind. Diese sogenannten azellulären Keuchhustenimpfstoffe erreichen einen Wirkungsgrad von 85 Prozent. Das heißt, von sechs Geimpften bleibt einer ungeschützt. Um einen Erreger, der nur bei Menschen vorkommt, vollständig auszurotten, bräuchte man einen Wirkungsgrad des Impfstoffes von 95 Prozent und gleichzeitig eine Impfquote von 95 Prozent. Tatsächlich hat die Wissenschaft bereits in den 1940er Jahren einen Impfstoff gegen Keuchhusten entwickelt, der einen höheren Wirkungsgrad hat als die heutigen Varianten. Doch dieser sogenannte Ganzkörperimpfstoff war deutlich schlechter verträglich: Viele Kinder bekamen nach der Impfung Fieber, Schwellungen und Schmerzen, in den 1990er Jahren kam sogar der Verdacht auf, die Pertussis-Impfung sei Ursache für schwere Hirnschäden oder Todesfälle bei kleinen Kindern. „Das wurde intensiv untersucht und heute weiß man, dass dem nicht so ist, doch das alles war Anlass genug, um neue Impfstoffe zu entwickeln“, sagt Ulrich Heininger.
Heute werden Kinder und oft auch Erwachsene mit Ausnahme von Polen in ganz Europa mit den azellulären Impfstoffen immunisiert, die Mediziner haben damit eine bessere Verträglichkeit gegen eine etwas schlechtere Wirksamkeit eingetauscht. Das hat zur Folge, dass der Erreger weiter in der Bevölkerung zirkuliert und mal hier, mal dort Ausbrüche registriert werden. „Wir haben keinen nationaler Notstand, doch das Tückische am Keuchhusten ist, dass es jederzeit zu einem größeren Ausbruch kommen kann und plötzlich in einem Jahr 15 Säuglinge daran sterben können“, sagt Heininger.
Der Anteil an Jugendlichen und Erwachsenen unter den Patienten stieg in den vergangenen Jahren an. Der Bundesverband der Pneumologen meldet auf dem Internetportal „Lungenärzte im Netz“: 70 Prozent der Erkrankten sind über 20 Jahre alt, nur ein Prozent erkrankt im ersten Lebensjahr. Insofern ist Keuchhusten schon lange keine Kinderkrankheit mehr. Das Durchschnittsalter der Erkrankten beträgt heute etwa 42 Jahre – vor 20 Jahren waren es noch 15 Jahre.

Weniger als acht Prozent lassen ihre Impfung auffrischen

Schuld an dieser Entwicklung ist die zunehmende Impfmüdigkeit. Während rund 95 Prozent der Säuglinge geimpft sind, schätzen Experten, dass die Auffrischungsquote bei Erwachsenen bei weniger als acht Prozent liegt. Sicher, für sie und für ältere Kinder ist ein Keuchhusten meist nur lästig. Dennoch können auch hier schwerere Symptome wie Gewichtsverlust, Atempausen, Erbrechen auftreten. Der starke Husten kann zudem für Schlafstörungen, Inkontinenz, Einblutungen in die Augen oder sogar Rippen-, Leisten- oder Nabelbrüche verantwortlich sein. Als häufige Komplikationen sind Lungenentzündungen, Mittelohrentzündungen und Krampfanfälle bekannt. Mitunter verursachen die Keuchhustengifte auch langfristig allergische Erkrankungen oder Asthma. Keuchhusten ist also nichts, was man unter „bisschen Husten“ auf die leichte Schulter nehmen sollte. Das größte Risiko besteht jedoch darin, dass nicht Geimpfte den Erreger weitergeben an Menschen, für die der Keuchhusten lebensgefährlich werden kann. Da Neugeborene erst nach dem vollendeten zweiten Lebensmonat geimpft werden können, ist es umso wichtiger, dass sich Kontaktpersonen gegen Keuchhusten schützen: Das sind neben Eltern und Geschwistern auch Oma und Opa, Tanten, Onkel oder Erzieher der älteren Geschwister. Eine Auffrischung der Keuchhustenimpfung ist deshalb so wichtig, weil der Impfschutz im Laufe der Jahre nachlässt. „Weder eine durchgemachte Erkrankung noch eine Impfung gegen Keuchhusten bietet einen langfristigen Schutz vor einer Erkrankung beziehungsweise einer erneuten Infektion und Erkrankung“, sagt Cornelia Feiterna-Sperling. Wie lange der Schutz einer Impfung wirkt, darüber streiten die Mediziner. Als Pi-mal- Daumen-Regel gelten derzeit rund zehn Jahre. Allerdings verschwindet so ein Impfschutz nicht einfach über Nacht, es ist davon auszugehen, dass er über die Jahre sukzessive weniger und der Geimpfte anfälliger für den Erreger wird. Als Grundimmunisierung empfiehlt die Ständige Impfkommission insgesamt sechs Impfdosen: Im Alter von zwei, drei, vier sowie zwischen elf und 14 Monaten, dann mit fünf, sechs sowie zwischen neun und 17 Jahren. Erwachsene sollten dann mindestens alle zehn Jahre auffrischen. Eine Möglichkeit, den Erreger weiter einzudämmen, wäre ein neuer Impfstoff mit einem höheren Wirkungsgrad. Die Wissenschaft versucht derzeit, den immunologischen Marker für Keuchhusten zu finden und dort mit der Entwicklung eines Impfstoffes anzusetzen. Doch auch der kann nur funktionieren, wenn man sich impfen lässt.

Von Claudia Füßler

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