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Rabbiner David Wolpe, Vertreter von Juma (jung, muslimisch, aktiv) und Staatssekretärin Sawsan Chebli diskutieren im Säulensaal des Roten Rathauses zu Antisemitismus und Islamfeindlichkeit.

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Interreligiöser Dialog: Staatssekretätin Chebli wirbt für religiöse Toleranz

Im Rothen Rathaus traf Sawsan Chebli junge Muslime und amerikanische Rabbiner - eine lebendige Diskussion über Antisemitismus und Islamfeindlichkeit.

Der Weg zum interreligiösen Dialog ist voll von Hindernissen: Ob sie denn zum Cateringteam gehöre, fragte das Wachpersonal des Roten Rathauses Larissa Iman. Ironischerweise war die 26-jährige hijabtragende Studentin gerade auf dem Weg zu einem Runden Tisch, wo sie als Rednerin die Position junger Berliner Muslime zum Thema Islamfeindlichkeit und Antisemitismus vertreten sollte.

Das Missverständnis wurde aufgeklärt und nun erzählt sie die Anekdote als Beispiel für antimuslimischen Rassismus in Berlin bei Falafel und Hummus, unter den Augen einer Büste von Immanuel Kant im Säulensaal des Rathauses. Auf aufklärerische Gedanken beruft sich auch Gastgeberin Sawsan Chebli, Bevollmächtigte des Landes Berlin beim Bund und Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement und Internationales. „Religiöse Toleranz hat eine Jahrhunderte alte Geschichte in Berlin“, sagt sie in ihrem Eingangsstatement.

Junge Muslime und Rabbiner an einem Tisch

Chebli hatte neben Vertretern des von ihr initiierten Vereins Juma (jung, muslimisch, aktiv) den amerikanischen Rabbiner David Wolpe zur Diskussion geladen. Wolpe, der in den USA als prominentes Sprachrohr des konservativen Judentums gilt, hatte die Staatssekretärin bei einem jüdischen Kongress in Washington kennengelernt.

„Ich habe noch nie eine deutsche muslimische Politikerin bei einem jüdischen Kongress getroffen, daher war ich neugierig“, erinnert sich der 58-jährige Rabbiner. Er beobachtet die Situation der jüdischen Gemeinschaft in Europa und ist besorgt: Juden seien die sprichwörtlichen Kanarienvögel in der Goldmine, Antisemitismus sei also ein frühes Warnzeichen für zunehmenden Rassismus und Radikalisierung, warnt er im Rathaus. Chebli stimmt zu: „Antisemitismus ist eine Gefahr nicht nur für Juden, sondern für unsere Demokratie insgesamt.“

Ressentiments sind weit verbreitet

Der aktive und stark institutionalisierte jüdisch-muslimische Dialog in den USA soll als Vorbild für Deutschland dienen, denn es sind neben der klassischen Rechten auch Muslime, die antisemitische Ressentiments hegen und sogar übergriffig werden. 470 antisemitische Vorfälle registrierte die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus allein im Jahr 2016, im August 2012 wurde einem Rabbiner in Friedenau auf offener Straße von arabischen Jugendlichen das Jochbein gebrochen.

Jüdische Eltern schicken ihre Kinder zunehmend auf jüdische Schulen, weil ihre Kinder an öffentlichen Schulen antisemitischen Beschimpfungen ausgesetzt sind. Aber auch verbale und sogar körperliche Angriffe gegen Muslime seien ein Problem, berichtet Chebli. „Islamfeindlichkeit gibt es nicht nur in rechten Milieus. Antimuslimischen Rassismus finden wir auch in der Mitte der Gesellschaft. Meine Schwestern und meine Mutter berichten mir, dass verbale Angriffe auf offener Straße zugenommen haben. Dem müssen wir entgegentreten“, sagt sie.

Erhitzter Dialog

Viele der Juma-Teilnehmer sind Mitglieder des Projekts „Interreligious Peers“ und gehen regelmäßig zusammen mit einem jüdischen Tandempartner in Schulen, um Kinder für antimuslimischen Rassismus und Antisemitismus zu sensibilisieren. Bei aller Geübtheit in interreligiöser Verständigung: Der Dialog zwischen jungen Muslimen und dem Rabbi tut manchmal weh. Wolpe hakt nach: Soll man sich von islamistischem Terror distanzieren? Die jungen Muslime reagieren abwehrend – ihr Islam sei tolerant und hätte mit dem Islamverständnis einiger weniger Gewalttäter nichts zu tun, sagen sie einhellig. Sawsan Chebli versucht, zu vermitteln: „Ich kann verstehen, wenn Ihr es Leid seid – aber steht auf und verteidigt, wofür Ihr steht.“

Direkte Begegnung als Gegenmittel

Auch wenn nicht alle Differenzen beigelegt werden können, sind sich die Teilnehmer am Donnerstagabend einig: Es ist der direkte Dialog in der Nachbarschaft, der zählt. Larissa Iman weiß aus ihrer Erfahrung mit Berliner Schülern, dass Differenzen in der Begegnung oft einfach verschwinden: „Wir stehen da als muslimisch-jüdisches Tandem vor der Gruppe, als Persönlichkeiten, die sagen: Wir leben unseren Glauben. Bisher habe ich noch nie negative Reaktionen auf uns erfahren.“

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