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Stolz wie Bolle. Jürgen Müller, 73, am Schreibtisch seiner Buchdruckerei in Tempelhof. Sohn Michael hat hier auch sein Wahlkreisbüro eingerichtet.

© Thomas Loy

Im Kiez von Michael Müller: Ein unauffälliger Kunde

Im Tempelhofer Fliegerviertel wohnt Michael Müller seit seiner Kindheit. Hier hilft er seinem Vater in der Druckerei und kauft in den Geschäften nebenan ein. Ein Rundgang.

Und noch ein Anruf eines Genossen. Glückwünsche zum Regierenden Sohn. Jürgen Müller, 73, sitzt lächelnd am Schreibtisch seiner Druckerei, zwischen Bleisatzkästen und Familienfotos, und kann sein Glück kaum fassen. „Ganz doll geht es mir, so richtig stolz.“ Eben war er noch im Abgeordnetenhaus, bei der Wahl von Michael Müller, zusammen mit der Familie. Am Abend, wenn alles vorbei ist, wollen sie zusammen feiern. Und am Montag geht es ins Konzert, zu Klaus Hoffmann. Nur Vater und Sohn.

Und schon wechselt Jürgen Müller, ehemals Chef der Tempelhofer SPD-Abteilung, vom Privaten in die Politik. Dass Sohn Michael, der wie Vorgänger Wowereit auch Kultursenator ist, mit diesem Ressort eher fremdeln werde, sei ein Fehlurteil. „Wir waren in diesem Jahr schon viermal in der Oper. Michael geht auch gerne ins Tipi-Zelt.“ Sein Kernthema allerdings sei das Soziale, die „steigenden Mieten“ und die kleinen Gewerbetreibenden. Zu denen er selbst gehört. „Jürgen und Michael Müller“ steht über dem Eingang zur Buchdruckwerkstatt im Tempelhofer Fliegerviertel.

Michael Müller hilft seinem Vater in der Druckerei

Im vergangenen Jahr, als Jürgen Müller schwer erkrankte, habe ihm Michael am Wochenende geholfen, die Aufträge zu erledigen oder eine Walze auszuwechseln. Michael Müller arbeitete zehn Jahre in der Druckerei, nachdem er eine kaufmännische Lehre am Ku’damm gemacht hatte, erzählt Vater Jürgen. Einzelhandel, was genau, weiß er nicht mehr.

Bei Klaudia Kalcher von der "Tempelhofer Bücherstube" kauft Michael Müller gerne Bücher zum Verschenken.
Bei Klaudia Kalcher von der "Tempelhofer Bücherstube" kauft Michael Müller gerne Bücher zum Verschenken.

© Thomas Loy

Das Vater-Sohn-Gespann funktionierte gut. Michael hätte die Druckerei übernommen, wäre ihm nicht die Politik in die Quere gekommen. Mit 17 trat er in die SPD ein und folgte dem Vater später auf den Chefposten des Ortsvereins. „Ich war erst dagegen, wir sind ja keine Erbfolgemonarchie“, aber die Tempelhofer Genossen hätten das so gewollt. Und dann nahm Michael „Stufe um Stufe“ bis ins Amt des Regierenden.

Das mit der Politik hatte schon Michaels Oma angefangen. „Die arbeitete in einem Spielwarengeschäft in der Hermannstraße, später ging sie zu Woolworth und hat die Frauen dort in die Gewerkschaft geholt. Und mich nahm sie mit in die SPD“, erzählt Jürgen Müller.

Michael Müller wuchs im Fliegerviertel auf und wohnt dort bis heute. Eine bürgerliche Gegend, ruhig, grün, eher konservativ. Gleich gegenüber der Druckerei ist ein großes Carré mit Grundschule, Kita, Nachbarschaftstreff und Fußballplatz. In den großen Pausen schallt Kinderlärm in die Seitenstraßen.

In seiner Straße gibt es noch viele Traditionsgeschäfte

Die Müllers schätzen die traditionelle Gewerbemischung in der Manfred-von- Richthofen-Straße. Hier gibt es Goldschmied, Fahrradladen, Optiker, Fleischer, Schuhmacher, zwei Blumenläden, drei Frisöre, Schneider, Butter Lindner, einen Buchladen und sogar ein Fachgeschäft für Elektrowaren, Inhaber: Werner Kelling.

Herr Kelling kennt Michael noch „aus der Lehrzeit“, möchte aber nicht viel erzählen, wegen der Diskretion. Klar ist: Die Müllers sind keine „Mediamarkt-Kunden“, sie kaufen hochwertige Marken, und zwar bei Herrn Kelling, „schon aus Familientradition“.

Ähnlich ist es im gut sortierten Buchladen von Klaudia Kalcher. Der Laden funktioniert, auch wegen der Solidarität unter den Gewerbetreibenden und Nachbarn. „Man kauft nicht bei Amazon oder Dussmann, sondern bestellt hier“, sagt Frau Kalcher. Auch Michael Müller komme vorbei, um Bücher zu kaufen, vor allem zum Verschenken. „Ein bescheidener, unauffälliger Kunde.“

Die Flughafen-Debatte geistert noch herum - die um THF

Die Freude, dass das neue Stadtoberhaupt aus ihrem Kiez kommt, wird nur verhalten vorgetragen. Ein pensioniertes Ehepaar, ehemals in der höheren Verwaltung tätig, erklärt nach einigem Nachsinnen, Müller sei seinen ehemaligen Kontrahenten Stöß und Saleh vorzuziehen.

Heinz Genz vom Papierwarengeschäft sieht Michael Müller „so drei Mal im Jahr“, wenn der Briefumschläge oder Kugelschreiberminen braucht. Müller engagiere sich zwar gegen steigende Wohnungsmieten, aber bei den Gewerbemieten „kann er nicht viel machen.“ Die seien noch so hoch wie zu Zeiten der „Tempelhof Air Base“, deren US-Soldaten die Ladenkassen füllten.

Die schon fast vergessene Debatte um die Schließung des Flughafens Tempelhof, hier geistert sie weiter durch die Köpfe. Vater und Sohn Müller waren 2007 auch uneins. Jürgen wollte weiter Flugzeuge über die Häuser donnern hören, Michael war dagegen. Schnee von gestern. Jetzt muss sich Michael um den neuen Flughafen kümmern.

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