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Eine Lehrerin bei ihrer Arbeit. Ihre sexuelle Orientierung ist nicht bekannt.

© Julian Stratenschulte/dpa

Homophobie an Berliner Schulen: Kritik an Lehrer-Studie zu sexueller Orientierung

Die Autoren einer Umfrage im Auftrag der Berliner Senats zur sexuellen Ausrichtung von Lehrern verteidigen die Erhebung. CDU und FDP fordern ihren Stopp.

Eine Befragung, die derzeit an Berliner Schulen durchgeführt wird, provoziert Aufregung. Lehrkräfte werden dabei wie berichtet unter anderem nach ihrer sexuellen Orientierung und nach ihren Einstellungen zu sexueller Vielfalt gefragt. Es handelt sich um eine Studie, die von der Sigmund-Freud-Privatuniversität und der Humboldt-Universität Berlin im Auftrag der Senatsbildungsverwaltung an 60 stichprobenartig ausgewählten Schulen durchgeführt wird.

Personenbezogene Daten würden nicht weitergeleitet

„Ziel der Studie ist es herauszufinden, wie Lehrkräfte und andere pädagogische Fachkräfte in Berlin mit Vielfalt und Diskriminierung umgehen und was sie über diese Themen denken“, teilen die Wissenschaftler Meike Watzlawik von der Sigmund-Freud-Universität und Thomas Klocke von der Humboldt-Universität mit. Es gehe insbesondere um die Situation von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Jugendlichen.

Gefragt wird unter anderem danach, wie die Lehrkräfte mit Beleidigungen wie „Schwuchtel“ umgehen und wie sie die Selbstmordgefährdung von homosexuellen Jugendlichen einschätzen. Neben Angaben zu Schulart und Bezirk werden auch personenbezogene Daten abgefragt, wie etwa das Geschlecht, das Alter und die sexuelle Orientierung. Kritiker befürchten, dass so leicht die Identität der Befragten festzustellen sei.

Die Wissenschaftler versichern jedoch, dass diese personenbezogenen Daten „auf keinen Fall an Dritte, wie beispielsweise die Auftraggeberin, weitergegeben“ werden. Die Befragung sei freiwillig und könne jederzeit abgebrochen werden. Man könne auch einzelne Fragen unbeantwortet lassen – zum Beispiel jene nach der eigenen sexuellen Orientierung.

Auch in früheren Studien sei nach der sexuellen Orientierung gefragt worden, ohne dass es Aufsehen erregt hätte, sagt Wissenschaftler Thomas Klocke. Dies sei ein relevantes Kriterium, ebenso wie Alter oder Geschlecht der Befragten.

Teilnahme "ausdrücklich erwünscht"

Kritik provoziert auch ein Begleitschreiben, das von den Universitäten an die Schulleitungen verschickt wurde. Darin heißt es, dass die Teilnahme freiwillig sei, aber „von der Senatsverwaltung ausdrücklich erwünscht“. Und weiter: „Darüber hinaus vermitteln Sie Ihre Ansichten dazu anonym der Senatsverwaltung.“ Der erste Satz sei „äußerst unglücklich formuliert“, der zweite Satz missverständlich, stellt eine Sprecherin von Senatorin Sandra Scheeres (SPD) klar.

Die Senatsverwaltung bekomme nur das Studienergebnis, nicht die einzelnen Daten. Dass die Studie überhaupt in Auftrag gegeben wurde, beruhe auf einem Beschluss des Abgeordnetenhauses von 2015 zur Initiative „Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt“.

Opposition fordert Abbruch der Studie

Tom Erdmann von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sind bisher keine Beschwerden von Lehrern wegen der Befragung bekannt. „Es geht darum herauszufinden, wie das Thema in Schulen behandelt wird, und inwiefern es einen Unterschied macht, ob die Lehrkräfte selbst homo- oder heterosexuell sind.“ Er kritisiert jedoch, dass der Fragebogen vorab nicht den Personalräten vorgelegt wurde.

Die CDU fordert Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) auf, die Befragung zurückzuziehen. „Es ist völlig unzulässig, seine Beschäftigten über ihre sexuelle Orientierung zu befragen und dabei auch noch Daten zu erheben, die problemlos Rückschlüsse auf die Identität der Befragten zulassen“, kritisiert die bildungspolitische Sprecherin, Hildegard Bentele. Die Sprecherin von Senatorin Scheeres wies dagegen darauf hin, dass die CDU an dem Beschluss des Abgeordnetenhauses, eine wissenschaftliche Studie zu dem Thema durchzuführen, 2015 beteiligt war.

Einen Stopp der Befragung fordert auch FDP-Bildungspolitiker Paul Fresdorf: „Hier wird eine Grenze überschritten“, sagt er und spricht von „seltsamer Prioritätensetzung“.

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