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Hartes Geschäft. Die Verstromung von Braunkohle gilt als besonders schädlich für das Klima. In der Lausitz hängen aber Tausende Arbeitsplätze davon ab.

© Patrick Pleul/dpa

Hilfsprogramm für die Lausitz: Kohle für den Ausstieg

Die Landesregierung in Potsdam setzt auf den Brennstoff – die Wirtschaft in Cottbus ist da schon weiter: Sie präsentiert Ideen zum Strukturwandel und fordert ein Milliarden-Hilfsprogramm für die Lausitz.

Die Lausitzer Wirtschaft stellt sich offensiv auf den zu erwartenden Ausstieg aus der Braunkohle in absehbarer Zeit ein: In einem aktuellen, dem Tagesspiegel vorliegenden Positionspapier fordert die Industrie- und Handelskammer Cottbus deshalb ein flankierendes 2,5-Milliarden-Euro-Programm des Bundes für die Lausitz, samt Ausbau von Verkehrstrassen und der Ansiedlung von Instituten. Vorbild ist der 1994 beschlossene Ausgleichsvertrag für die Bonner Region nach der Entscheidung für den Umzug der Bundesregierung nach Berlin. Ähnlich wie damals sollte nun für die Lausitz ein Vertrag von Bundesregierung, beteiligten Bundesländern und den Landkreisen abgeschlossen werden.

„Zweck des Vertrages soll sein, die Folgen des Verlustes der fossilen Energiewirtschaft durch Strukturmaßnahmen auszugleichen, um die Lausitz als Industriestandort zu erhalten“, heißt es. Das Papier, das der Cottbuser IHK-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Krüger verfasst hat, trägt den Titel: „Was die Lausitz jetzt braucht“. Es richtet sich an die CDU, CSU, FDP und Grünen auf Bundesebene, bei deren Sondierungsgesprächen in dieser Woche Einigungen für einen Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohle in den nächsten eineinhalb Jahrzehnten erwartet werden.

Regierung Brandenburgs gegen den Ausstieg

Adressat ist aber auch die von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) geführte rot-rote Regierung Brandenburgs, die gegen den Ausstieg kämpft. Noch vorige Woche hatte er nach der gemeinsamen Sitzung der Kabinette Brandenburgs und Berlins öffentlich seine Position bekräftigt: „Meine Position ist bekannt: Wir werden die Braunkohle für unsere Energieversorgung noch Jahrzehnte brauchen.“ Wie bei der von ihm spät gestoppten Kreisreform läuft Woidke erneut Gefahr, von Realitäten und Entwicklungen überholt zu werden.

Inzwischen sieht es nach allen Signalen danach aus, dass der Kohleausstieg schneller kommt als erwartet, mit Jamaika, den Welt-Klimabeschlüssen oder strengeren EU-Auflagen für Kohlekraftwerke. Jüngst hat sogar die Stadt Cottbus, die lange das Selbstverständnis als Hauptstadt des Kohlereviers pflegte, eine Richtungsentscheidung mit Signalwirkung getroffen: Die Stadtwerke stellen bis 2022 ein Braunkohlekraftwerk auf Gas um.

Bergbauunternehmen als größter Arbeitgeber

In dem Positionspapier warnt  Krüger, früher selbst CDU–Staatssekretär für Wirtschaft in der damaligen SPD/CDU-Landesregierung, vor „gravierenden Folgen“, wenn ein schneller Ausstieg aus der Braunkohleförderung und -verstromung in der Lausitz nicht adäquat flankiert würde. „Keine andere Region in Deutschland hängt so von der Energiewirtschaft ab wie die Lausitz.“ Das Bergbauunternehmen LEAG sei mit 8000 Beschäftigten nicht nur größter Arbeitgeber, sondern mit 900 Millionen Euro jährlich auch der größte Auftraggeber für viele Dienstleister. Kritik übt Krüger an den Regierungen Brandenburgs und Sachsens. „Die von den beiden Landesregierungen nach der gemeinsamen Kabinettssitzung am 13.Juni 2017 in Großräschen eingesetzten Lausitzbeauftragten haben bisher keinen substanziellen Beitrag geleistet, eine erkennbar gemeinsame Position der Lausitz zu formulieren, wo die Zukunft der Region nach der Braunkohle sein soll“. Und: „Die Ergebnisse der Bundestagswahl in Brandenburg und in Sachsen haben das Übrige getan, die Landesregierungen zu schwächen.“ Das SPD-regierte Brandenburg hat keinen direkten Draht in die CDU-geführte Bundesregierung mehr. In Sachsen trat Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU) nach dem AfD-Sieg in seinem Bundesland ab. Tillich und Woidke hatten im Sommer vom Bund ein 1,2-Milliarden-Programm für den Lausitzer Strukturwandel gefordert, was aber kaum Widerhall fand. Im Vergleich zu den damaligen Bonn-Hilfen sei die Summe „zu gering“, schreibt Krüger. „Analog wären deshalb vom Bund 2,5 Milliarden Euro zu fordern.“

Transformation der Energiewirtschaft

Und zwar 500 Millionen Euro für die Transformation der Energiewirtschaft, weitere 750 Millionen „für den Ausbau der Straßenverbindungen nach Dresden, Leipzig, Breslau und Berlin...“, den Aufbau eines flächendeckenden Mobilfunknetzes im 5G-Standard und flächendeckende Glasfasernetze für High-Speed-Internet. Außerdem werden in der Liste auch die „Ansiedlung von mindestens zwei außeruniversitären Forschungseinrichtungen“ oder die Verlagerung von Bundeseinrichtungen, etwa die „Ansiedlung der neu aufzubauenden Autobahngesellschaft“ gefordert.

Für die Bonner Region stellte der Bund 1,4 Milliarden Euro bereit. Nach der Bilanz, die zehn Jahre später der damalige Bundesbauminister Manfred Stolpe (SPD) dem Bundestag vorlegte, war das Geld für den Strukturwandel gut angelegt. Das Fazit des Bauministers: „Insgesamt ergibt sich hieraus ein Arbeitsplatzeffekt von bis zu rund 25 000 Arbeitsplätzen.“.

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