zum Hauptinhalt
Berlins Innensenator Frank Henkel (l, CDU) und der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) auf der letzten Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses vor der Sommerpause.

© dpa

SPD und CDU haben versagt: Berlin hat allen Grund zur Traurigkeit

Der Senat war 2011 mit dem Versprechen angetreten, Berlin kraftvoll voranzubringen. Sein offensichtliches Versagen ist nicht nur eine Lachnummer. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ulrich Zawatka-Gerlach

Als gäbe es nichts Wichtigeres, das den Berlinern unter den Nägeln brennt – in der letzten Parlamentssitzung vor der Sommerpause gab der Regierende Bürgermeister Michael Müller eine Regierungserklärung zur Rolle Berlins als Hauptstadt ab. Das schadet nicht. Aber viel besser wäre es gewesen, drei Monate vor der Abgeordnetenhauswahl eine ehrliche Debatte über den Zustand der Stadt zu entfachen, die als Parlaments- und Regierungssitz, aber auch als erblühende Wirtschaftsmetropole eine Vorbildfunktion für Deutschland zu erfüllen hätte. Es aber nicht schafft.

Das hat viel mit dieser Regierung zu tun, einer rot-schwarzen Koalition, die im Herbst 2011 mit dem Versprechen antrat, Berlin kraftvoll voranzubringen. Heute wissen wir, dass SPD und CDU an dieser Aufgabe großenteils gescheitert sind. Ja – die Wirtschaft boomt, die Touristen kommen in Scharen, und in diesen Sommertagen präsentiert sich die deutsche Hauptstadt charmant und lebensfroh. Aber Berlin ist sozial tiefer gespalten denn je, die Infrastruktur verkommt und die öffentliche Verwaltung ist von Grund auf erneuerungsbedürftig.

Viele Berliner fühlen sich ausgegrenzt

In der Debatte des Abgeordnetenhauses wurde das auch laut gesagt, doch nur von den Grünen, Linken und Piraten. Die Rede des Regierungschefs und SPD-Spitzenkandidaten Müller gipfelte aber in der Mahnung, dass man aufhören solle, diese fantastische Hauptstadt mit ihrem hervorragenden Potenzial schlechtzureden. Berlin werde auch deshalb mit Kritik und Spott überzogen, weil die Stadt wegen ihres wachsenden Erfolgs von außen argwöhnisch beobachtet werde.

Was für ein Quatsch!

Denn das Wohlwollen, das der Hauptstadt bundesweit und international entgegengebracht wird, ist fast grenzenlos. Das böse Berlin-Bashing der neunziger Jahre gibt es schon lange nicht mehr. Die einzige Lachnummer ist das Versagen dieses Senats – nicht auf allen, aber auf zu vielen Ebenen. Wobei das Unvermögen, der explosiv wachsenden Millionenstadt Berlin einen starken, ordnenden und fördernden Staat zur Seite zu stellen, eher ein Grund zu großer Traurigkeit ist.

Viele Berliner, die an den Chancen, die diese Stadt grundsätzlich bietet, nicht teilhaben können, fühlen sich ausgegrenzt und sind wütend. Sie werden empfänglich für politische Alternativen, vor denen sich jeder Demokrat gruselt. Das wird sich auch nicht ändern, solange der politische Anspruch, den die Regierenden vor sich hertragen, und die Lebenswirklichkeit weit auseinanderklaffen. Und Müller ist schlecht beraten, wenn er nun in Parteitagsreden und Regierungserklärungen dauernd versucht, die AfD in Acht und Bann zu schlagen. Er treibt damit jene Wähler, die eh schon auf der Flucht sind, nur noch weiter weg.

Den Berlinern steht in jedem Fall ein merkwürdiger Wahlkampf bevor. So wie es jetzt aussieht, kann man nach dem Sommerurlaub wählen, was man will – es kommt immer Rot-Rot-Grün dabei heraus. Die Sozialdemokraten in der Hauptstadt scheinen, ob mit Meier oder Müller an der Spitze, mit einer Ewigkeitsgarantie für das Regierungsamt ausgestattet zu sein. Es sei denn, dass es den Grünen gelingen sollte, aus Versehen stärkste Partei in Berlin zu werden. Doch für jeden Senat, der nach dem 18. September regiert, hat die Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek im Parlament einen schönen Wunsch ausgesprochen: „Eine pulsierende Hauptstadt braucht eine pulsierende Politik.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false