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Die Nummer ist schnell zur Hand, doch ein Notruf ist nur im Notfall vonnöten.

© dpa

Hashtag #NoNotruf: Polizei-Kampagne mit Unterhaltungswert

Unter dem Hashtag #NoNotruf twitterte die Berliner Polizei die absurdesten 110-Rufe. Die Aktion sollte helfen Missbrauch einzudämmen.

Fünf Tage lang hat die Berliner Polizei Nonsens getwittert. Nämlich all die Anrufe, die beim Notruf 110 eingehen – aber kein Notruf sind. Kinder, das ist eine Erkenntnis, sind es in den seltensten Fällen, die sich da einen Scherz erlauben. „Kinder sind verantwortungsbewusst“, sagt Kommissarin Yvonne Tamborini, „das ändert sich erst im Halbstarkenalter.“ Ansonsten sei es eine bunte Mischung: Betrunkene, Einsame, Faule und Doofe – die Polizistin formuliert es etwas freundlicher, „ein Querschnitt“. 20 Prozent der Anrufe seien „Quatsch“, heißt es im Präsidium.

Ein paar Beispiele: „Können Sie bitte meine betrunkene Freundin aus meiner Wohnung abholen?“ „Ich habe geklaut, wurde erwischt, kommt das ins Führungszeugnis?“ „Können Sie mich nach Hause fahren? Ich bin total voll.“„Auf der Avus wird gebaut, wie komme ich jetzt nach Potsdam.“

Echte Notrufe müssen warten

Solche Anrufe bremsen die Notrufannahme natürlich aus, echte Notrufe müssen warten. Wie berichtet, kann die Polizei aus Personalmangel nur noch 75 Prozent der Anrufe bei der „110“ innerhalb der vorgegebenen zehn Sekunden annehmen. 25 Prozent hängen in der Warteschleife. Tatsächlich ist die Zahl der Notrufe in den vergangenen Jahren deutlich gesunken. Im Jahr 2000 waren es noch 1,7 Millionen, im Jahr 2014 nur noch 1,3 Millionen. „Gründe für diesen Umstand sind hier nicht bekannt“, teilte das Präsidium auf Anfrage mit. Für 2015 gibt es wegen technischer Schwierigkeiten bei der Erfassung nur eine Zahl aus dem ersten Halbjahr (620 000), hochgerechnet sind es also 1,2 Millionen – eine gute Entwicklung angesichts der wachsenden Stadt.

Trotzdem war es Ziel der Kampagne, „die Zahl nicht gerechtfertigter Anrufe zu senken“. Ob diese Menschen mit der Social-Media-Kampagne bei Twitter und Facebook erreicht wurden, ist fraglich, das weiß man im Präsidium. Geplant sind deshalb Plakate in Dienststellen und Wartehallen der BVG. „Wir wollen alternative Kontakte anbieten und bewerben“, sagt Tamborini, für die Menschen, die eigentlich nur eine Frage haben. „Wir sind nicht Google-110“, sagt die Kommissarin. Die Aktion ist ein Balanceakt. „Im Zweifel immer die 110“, betont das Präsidium. Unter Radfahrern kursiert seit Monaten eine Anleitung, Falschparker als „Verkehrsbehinderung“ der 110 zu melden. Ist das ein Notruf? Prinzipiell, so antwortet Yvonne Tamborini, sei das Ordnungsamt für den ruhenden Verkehr zuständig. Für Behinderungen und Gefährdungen allerdings die Polizei.

Erreichbarkeit eingeschränkt

Als Alternativen für den Notruf nennt die Polizei: das Bürgertelefon mit der einprägsamen Nummer 4664-4664, das Info-Telefon 115 des Senats, die Ordnungsämter und natürlich die Kontaktaufnahme bei der Internetwache.

Allerdings hat die Polizei ihre Erreichbarkeit selbst eingeschränkt. Seit Oktober 2013 ist die Telefonzentrale der Polizei nur noch werktags von 7 bis 19 Uhr besetzt, nachts und an Wochenenden ist die 4664-0 schlicht abgestellt.  Theoretisch sollen Anrufer nun das Bürgertelefon wählen – wie viele stattdessen ohne Not die 110 anklingeln, ist unklar. Und wenn es eng wird in der Notrufzentrale, wird das Bürgertelefon abgeschaltet. Täglich klingelt die 110 im Schnitt 3500-mal, das Bürgertelefon nur 117-mal. Ein Gespräch beim Notruf dauert 1 Minute 21 Sekunden. Eines beim Bürgertelefon „deutlich länger“, Zahlen gibt es nicht.

Die Feuerwehr hat bei der 112 die gleichen Probleme. Für eingerissene Fingernägel und tropfende Wasserhähne wird der Notruf gewählt. Jeder Beamte in der Leitstelle kennt „Onkel Achim“, der sich jahrelang jede Nacht über die 112 nach dem Stand der Dinge erkundigte.

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