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Rote Badeente mit SPD-Logo.

© Kitty Kleist-Heinrich

Geschenke im Wahlkampf: Was Parteien für die Wähler übrig haben

Vor der Wahl gibt’s was geschenkt: Abertausende Stifte und Gummibärchen werden verteilt. Von den parteieigenen Händlern kommt Massenware, lokal aber entstehen auch originelle Ideen.

Wahlkampfzeit ist Geschenkezeit. Die Rede ist nicht von den milliardenteuren Gaben, mit denen insbesondere die Regierungsparteien ihr Schaufenster dekorieren: mehr Kindergeld, Mütterrente, Freibeträge. Solche Dinge werden nach der Wahl oft wieder weggeräumt. Ganz real sind dagegen die kleinen Gaben, die Parteien und Kandidaten unters Wahlvolk bringen. „Streuwerbemittel“ heißen sie im Fachjargon, „Giveaways“ auf Neudeutsch, „Kinkerlitzchen“ bei einem Direktkandidaten.

Ein Streifzug durch das Angebot der Wahlkämpfer legt einerseits den Verdacht nahe, dass der deutsche Wahlkampf die Konjunktur in China belebt, soweit es sich um die Hersteller etwa von Quietscheenten, Luftballons und Flaschenöffnern handelt. Die Kugelschreiber als wohl meistverschenkte Artikel stammen dagegen meist aus deutscher Produktion. Im „Imageshop“ der SPD gibt es gerade 50 Stück gratis zu jeder Bestellung dazu. Die Rubrik „Topseller“ wird von einem Kuli- Modell namens „Hawaii“ angeführt. Das klingt zwar eher nach FDP und Hotelier, aber der Imageshop ist „eine Firma der SPD-Unternehmensgruppe“. Gegründet vor Gerhard Schröders Wahlkampf 1998, gibt es ihn online und mit einer analogen Filiale im Willy-Brandt-Haus. Lollis und Karamellbonbons sind ausverkauft, aber Luftballons – 500 Stück für 25,50 Euro – sind ebenso noch zu haben wie ein SPD-Plüschbär für 89,90 Euro.

Nach Auskunft des Landesverbandes gehen Kulis, Schreibblöcke und Luftballons immer. Eine neu ins Programm genommene Buddelschippe sei ebenso beliebt wie der Flaschenöffner mit dem Slogan „Das Bier entscheidet“. Für die letzten 72 Stunden stellt die Zentrale noch rote Schuhlöffel in Aussicht – als Starthilfe für den Weg ins Wahllokal.

Auf Nachfrage betonen sowohl SPD- Landessprecherin Josephine Steffen als auch der Berliner FDP-Wahlkampfmanager Helmut Metzner fast wortgleich, dass in der Demokratie ja etwas schiefliefe, wenn ein verschenkter Kuli schon eine Wählerstimme brächte. Aber Metzner weiß aus persönlicher Erfahrung und psychologischer Forschung, dass kleine Gaben sich als Einstieg in ein freundliches Gespräch bewähren. Als bestes Beispiel dafür habe er kürzlich einen Koch erlebt, der vom liberalen Rührlöffel mit der Aufschrift „Koche mit Liebe, wähle mit Verstand“ sehr angetan gewesen sei. Die Forschung habe außerdem ergeben, dass warme Getränke der Gesprächsatmosphäre besser täten als kalte. Insofern müsste die FDP mit ihrem morgendlichen Leistungsträger-Kaffeeausschank an Berliner Bahnhöfen goldrichtig liegen.

Das Gros ihrer Gimmicks bezieht die FDP bei zwei Online-Händlern im Sauerland. Auch die Linken beziehen ihre Geschenke vom politisch befreundeten „Media Service“. Landesparteisprecher Thomas Barthel berichtet ebenfalls vom immerwährenden Run auf die Kulis. Gummibärchen seien ein ähnlicher Klassiker, Kondome eher „zielgruppenspezifisch“.

Die CDU betreibt ebenfalls einen eigenen Online-Versand. In dem wird interessanterweise zwischen „Streu-“ und „Sympathie-“Artikeln unterschieden. Während Grillgewürzsalz als Streuartikel sofort einleuchtet, ist das bei Teebeuteln weniger offensichtlich. Und Schlüsselringlampen fallen unter „Sympathie“, wo sich auch Bären tummeln, die kleiner und mit 6,90 Euro auch viel, viel billiger sind als die bei der SPD.

Die Grünen haben sich nach Auskunft von Landesparteisprecher Christian Honnens bewusst gegen Kugelschreiber entschieden. Neben Brausepulver und Lollis gehören aber auch bei ihnen kleine Plastikwindräder zum Repertoire – ebenso wie bei der FDP. Und Strom erzeugen auch die grünen Rädchen nicht. Ein bisschen öko sind die Grünen aber doch: Im Juni haben sie in Gatow 20 000 Sonnenblumen gesät, die nun geerntet und verteilt wurden.

Ein bisschen Botanik versucht auch die SPD – via Imageshop mit Chilisamen und Kernen für rote Sonnenblumen sowie durch Einzelaktionen wie die der Direktkandidatin Ülker Radziwill, deren Wahlkampfhelfer jüngst mit roten Rosen durch Charlottenburger Kneipen zogen. Ein dabei Beschenkter berichtet von aufrichtiger Freude, aber auch von praktischen Problemen beim Transport der Blume durch die Partynacht: „Am Ende war die Rose ziemlich komprimiert.“

Tatsächlich scheinen die originellen Aktionen eher lokal zustande zu kommen als in den Zentralen: Die Neuköllner CDU-Kandidatin Christina Schwarzer verteilt schwarze Glückskekse, die statt der sonst üblichen Großserienweisheiten ihre Forderungen und Ziele für die Bundespolitik enthalten. Und der Linke Stefan Liebich, der in Pankow wieder um sein Direktmandat kämpft, schenkt ausgewählten Sympathisanten ein kleines Kochbuch mit den Lieblingsrezepten seiner Fraktionäre aus dem Bundestag. Darin finden sich zwischen Hüftsteak (Liebich), Kochbanane mit Hähnchen (Gesine Lötzsch) und Île Flottante (Sahra Wagenknecht) auch „politische Rezepte“ wie Infos zur Lebensmittel-Ampel.

Die Piraten sind mit Fähnchen und Kugelschreibern zwar ebenfalls im politischen Establishment angekommen, aber auch mit einer originellen politischen Idee präsent: aufgerissene Briefe. „Sie fragen sich, warum Ihre Post geöffnet wurde?“, steht auf einem Zettel darin. „Das fragen wir uns bei E-Mail auch!“ Diese Aktion der Bochumer Piraten fand bundesweit Nachahmer, so auch in Berlin.

Bleibt die Frage, was die kleinen Geschenke kosten. Die ist nur vage zu beantworten, weil die Präsente von Bundes-, Landes- und Kreisverbänden sowie den Kandidaten gemeinsam finanziert werden – mit unterschiedlichen Gewichtungen in jeder Partei. Bei den Berliner Linken heißt es, die 10 000 Euro vom Landesverband seien der größte Einzelposten. Die SPD beziffert ihr Berliner Wahlkampfbudget auf 300 000 Euro, von denen aber „nur ein sehr geringer Teil“ in die kleinen Gaben gehe. FDP-Mann Metzner betont, dass man für 200 Euro schon ziemlich viel Kleinkram bekomme. Und ein SPD-Direktkandidat macht eine Rechnung auf, die auf andere Wahlkreise übertragbar sein dürfte: Von seinem Wahlkampfbudget über 67 000 Euro seien jeweils rund zehn Prozent für Plakate und „Kinkerlitzchen“ weggegangen. Er selbst habe knapp 15 000 Euro in seinen Wahlkampf investiert. Teurer als Kuli & Co. seien im Zweifel die vielen Termine: „Bei Vereinen oder ehrenamtlichen Dingen wird erwartet, dass der Kandidat einen Schein in die Spendenbox wirft. Das ist ja auch in Ordnung.“ Aber eben auch teuer.

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