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Abgeheftet. Der Streit um die Konzession fürs Gasnetz füllt nicht nur die Aktenordner der Berliner Verwaltung, sondern auch der Justiz. Jetzt sind wieder eine paar Blätter hinzugekommen.

© Doris Spiekermann-Klaas

Gescheiterte Vergabe des Gasnetzes in Berlin: Grüne: Urteil ist eine Ohrfeige für den Senat

Die Finanzverwaltung von Ulrich Nußbaum verliert krachend vor Gericht gegen die Gasag. Schadenfreude gibt es bei der Opposition sowie der CDU. Und die Strom-Konzession steht auf der Kippe.

Von Sabine Beikler

Der Grünen-Politiker Michael Schäfer war nach der Anhörung vor dem Landgericht zum Vergabeverfahren der Gasnetzkonzession fassungslos. „Die Verwaltung weiß seit 20 Jahren, dass die Konzessionen auslaufen. Und nichts haben sie vorbereitet“, sagt er und setzt nach: Die Senatsfinanzverwaltung habe „diese Scheiße“ selbst vorbereitet.

Das Urteil sei eine „doppelte Ohrfeige für den Senat“. Das Gericht habe Finanzsenator Nußbaum ein „sehr fehlerhaftes Vergabeverfahren“ attestiert. Zudem habe das Landgericht festgestellt, dass Berlin Energie überhaupt kein gültiges Gebot abgegeben hat. Dafür sei „allein Senator Michael Müller verantwortlich“. Nicht nur Schäfer fand klare Worte. Die Ausführungen des Vorsitzenden Richters Peter Scholz waren an Deutlichkeit nicht zu überbieten: Das Verfahren litt an erheblichen Verfahrensmängeln. Die Gewichtung der Unterkriterien im Verfahren seien „nicht hinreichend nachvollziehbar“ gewesen. Und dass die Gewinnerin des Verfahrens, das landeseigene Unternehmen Berlin Energie, sich nicht hätte bewerben können, war eindeutig: Das Gericht hat den Abschluss des Konzessionsvertrags mit Berlin Energie untersagt. Damit ist jedoch nicht gesagt, dass die Gasag AG zum Zug kommt. Denn die Gasag forderte im Hauptantrag ihrer Klage auch, das Gericht möge entscheiden, dass der Konzessionsvertrag mit der Gasag oder in einer Kooperation mit dem Land abgeschlossen werde. Diesen Antrag wies das Landgericht ab.

Die SPD macht Nußbaum verantwortlich

Ob die Senatsfinanzverwaltung in Berufung geht, war am Dienstag nicht zu klären. Die Sprecherin sagte, das Gericht habe der Gasag „nicht die Konzession zugeschlagen. Die inhaltlichen Hinweise zum Verfahren werden wir jetzt sorgfältig prüfen“. Wie das Prozedere weitergeht, wird in die Zuständigkeit von Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) fallen, der am Donnerstag das Amt des scheidenden Finanzsenators Nußbaum übernehmen wird. Innerhalb der SPD ist deutlich zu vernehmen, dass sie für diese Schlappe Nußbaum und die bei ihm angesiedelte Vergabestelle verantwortlich macht. Denn es gab mehrfach Hinweise darauf, dass das Verfahren mangelhaft sein könnte. So urteilten Juristen aus dem Haus von Justizsenator Thomas Heilmann (CDU), dass der landeseigene Betrieb Berlin Energie überhaupt nicht an der Ausschreibung zur Übernahme des Berliner Gasnetzes hätte teilnehmen dürfen. Auch fehle es an „Transparenz“ bei der Wahl der Kriterien zur Bewertung der Angebote, schrieben die Juristen. Die Finanzverwaltung wies die Kritik zurück. Nach einem heftigen Streit wurde die Konzessionsentscheidung im Senat lediglich zur Kenntnis genommen.

Die Verwaltung will nach "bestem Wissen" gehandelt haben

Berlin Energie wurde im März 2012 bei der Senatsfinanzverwaltung gegründet, im November 2012 wechselte die Zuständigkeit auf die Stadtentwicklungsverwaltung. Der „oberste Dienstherr“ war Staatssekretär Christian Gaebler (SPD), bis im Mai 2013 Wolfgang Neldner als neuer Geschäftsführer kam. Nach „bestem Wissen“ habe man das erfüllt, was die Vergabestelle vorgegeben hat, hieß es gestern aus der Stadtentwicklungsverwaltung. Das Unternehmen sei „rechtlich und finanziell sauber aufgestellt“. Allerdings waren die im Haushalt eingestellten Bürgschaften, die für Berlin Energie hätten eingesetzt werden können, noch nicht zu dem Zeitpunkt im Parlament verabschiedet, als das finale Angebot abgegeben werden musste. Offenbar gab es in der Verwaltung Bestrebungen, das Unternehmen in eine GmbH umzuwandeln, wie sie der Vorsitzende Richter als Möglichkeit nannte. In der Finanzverwaltung sei man jedoch auf Ablehnung gestoßen, weil es während eines Verfahrens problematisch gewesen wäre, die Gesellschaftsform eines Bieters zu wechseln.

Der Koalitionspartner sieht sich in seinen Bedenken bestätigt

SPD-Fraktionsvize Jörg Stroedter sagte, er halte nach wie vor die Bewerbung von Berlin Energie für eine „korrekte Bewerbung“. Dass Unterkriterien bewertet werden sollen, sei „irrelevant“. Er halte den Urteilsspruch für einen „massiven Eingriff“ in ein Verfahren. Schadenfreude gab es bei der CDU. Man habe „ja schon immer gesagt, dass man das Verfahren kritisch sieht“, hörte man aus Fraktion und Senat. „Die Bedenken der CDU haben sich bewahrheitet. Unsere Rechtsauffassung ist voll bestätigt worden. Ich fordere die SPD auf, die Rechtslage endlich anzuerkennen und danach zu handeln“, sagte CDU-Generalsekretär Kai Wegner. Bei Strom und Gas brauche man „endlich Rechtssicherheit“. Für Noch-Senator Nußbaum sei das „eine Klatsche zum Abschied. Mit seiner rechthaberischen Haltung hat Nußbaum Berlin Energie einen Bärendienst erwiesen. Selten hat ein deutsches Gericht einem Senator bescheinigt, sein Handeln sei rechtlich nicht nachvollziehbar. Stünde sein Weggang nicht unmittelbar bevor, müsste er wohl zurücktreten.“

Offen ist, ob das Verfahren neu aufgerollt wird

Es ist völlig offen, ob das Konzessionsverfahren zum Gas neu aufgerollt wird oder ob es möglicherweise Verhandlungen zwischen Gasag und dem Land über eine Kooperation gibt. Die Gasag wird ab 1. Januar weiterhin das Gasnetz betreiben, eine Interimsvereinbarung wird erarbeitet. Klar dürfte nach dem Urteil aber sein, dass der erst kürzlich überarbeitete zweite Verfahrensbrief zur Stromnetz-Konzession am Dienstag wohl nicht wie geplant im Senat verabschiedet wird.

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