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Gerichtshöfe in Wedding: Künstler zeigen ihre Ateliers - und bangen um die Zukunft

Dieses Wochenende öffnen die Künstler der Gerichtshöfe Wedding wieder ihre Ateliers – in dieser Form jedoch vielleicht zum letzten Mal.

Schon 1983 mieteten sich die ersten Künstler in leerstehenden Gewerberäumen der Gerichtshöfe in Wedding ein. Dabei hatten offene Ateliers von Anfang an Tradition. Mitte der 1990er veranstalteten die Künstler gemeinsam mit der Vermieterin, der Wohnungsbaugenossenschaft Gesobau, das erste Weddinger Sommerfest in Hof und Atelier. Seitdem kamen und gingen die Lange Nacht der Museen, eine Artlounge und Kunstaktionen unter dem Motto „MoKuzuMimi“, frei übersetzt „Moderne Kunst zum Mitnehmen".

Doch mit den Veranstaltungen könnte nun erst einmal Schluss sein: Die stadteigene Gesobau plant die teilweise Umwandlung der Gewerbe- in Wohnflächen und gefährdet damit aus Sicht der Mieter den Fortbestand der Gerichtshöfe als Kunst- und Gewerbestandort. „Zwar betont die Gesobau, niemanden vertreiben zu wollen“, sagt Künstlerin und Mieterin Birgit Bayer. „Aber wir können uns nicht vorstellen, wie eine gemischte Nutzung von Wohnen und Gewerbe in den Gerichtshöfen aussehen soll.“

Die Mediation läuft, die Modernisierung wurde erstmal verschoben

Die Gesobau selbst erklärt, dass in einem laufenden Mediationsprozess nach einer gemeinsamen Lösung gesucht werde, um Gewerbe, Künstler und studentisches Wohnen zukünftig unter einem Dach zu vereinen. Während dieses Prozesses seien die Modernisierungspläne um zwei Jahre aufgeschoben worden. Derweil werde die Wohnungsbaugenossenschaft auch weiterhin die Veranstaltungen der Künstlergemeinschaft unterstützen.

Der ursprünglich als „Industriestätte Nordhof“ gebaute Fabrikkomplex bietet mit hohen Decken, Lastenfahrstühlen und einer auf Schwerlasten ausgerichteten Konstruktionsweise ideale Voraussetzungen für Künstler und Gewerbetreibende. „Wir verstehen, dass die Gesobau verpflichtet ist, Wohnraum zu schaffen – aber warum ausgerechnet hier?“, fragt sich Bayer.

Die Gerichtshöfe in Wedding.
Die Gerichtshöfe in Wedding.

© Thilo Rückeis

Auch Gero Niggemeier, der im Erdgeschoss das Unternehmen Denttabs managt, zeigt wenig Verständnis für die Pläne der Wohnungsgenossenschaft: „Nur wenige Meter von hier besitzt die Gesobau eine große Freifläche“, sagt er. „Schon wirtschaftlich ist es sicherlich viel effizienter, auf der Fläche neuzubauen, als die ungeeigneten Fabrikräume umzugestalten.“ Fehlendes Tageslicht und unzureichende Anschlüsse an die Wasserversorgung und Kanalisation seien nur einige der Probleme, die die Konstruktion kleiner Studentenappartements illusorisch machten. „Außerdem machen Künstler zwangsläufig Lärm“, sagt Günter Ries, einer der Urgesteine der Künstlergemeinschaft. Inmitten von Wohnungen seien Arbeiten mit Holz und Metall kaum möglich.

Einigen ist die Zukunft zu unsicher

Trotz des ermutigenden Versprechens der Gesobau herrscht bei den Mietern nun vor allem Unsicherheit. Aktuell würden auslaufende Mietverträge nur noch im Jahrestakt verlängert.  Für viele Künstler und Gewerbetreibende stellt das ein kaum kalkulierbares Risiko dar, sie sehen sich in ihrer Existenz bedroht. Einige haben daher bereits aufgeben und sind ausgezogen, viele Räume stehen schon leer.

Die Mieter sehen sich als Teil einer stadtweiten Entwicklung: „Gewerbe und Künstler werden immer mehr an den Stadtrand gedrängt“, sagt Bayer. Schon jetzt sei es kaum möglich, geeignete Atelier- und Gewerbeflächen im Innenstadtraum zu finden. „Dabei setzt sich sogar der Berliner Senat dafür ein, neue Flächen für Ateliers bereitzustellen und alte Flächen zu erhalten."

Der Kontakt zur Wohnungsbaugesellschaft sei bislang eigentlich immer gut gewesen: „Die Gesobau hat schon früh das Potential von uns Kunstschaffenden erkannt und uns über viele Jahre finanziell bei Veranstaltungen unterstützt“, sagt Bayer. Doch in den vergangenen Jahren sei die Unterstützung immer weniger geworden, sodass die Künstlergruppe 2004 den Verein Kunst in den Gerichtshöfen gründete. Ziel ist es, in den Ateliers einen lebendigen Austausch zwischen der Nachbarschaft und den Künstlern zu ermöglichen. „Wir engagieren uns von Anfang an für die Nachbarschaft, der Kiez liegt uns sehr am Herzen“, sagt Bayer.

Tag der Offenen Tür am Wochenende

Andrea Wallgren etwa erzählt von wöchentlich stattfindenden Kunstseminaren, die ursprünglich für Geflüchtete gedacht waren. Mittlerweile kämen ganz verschiedene Menschen aus der Nachbarschaft, „die bunte Weddinger Mischung“, nennt sie das.

Künstlerin Andrea Wallgren
Künstlerin Andrea Wallgren

© Madlen Haarbach

Dieses Wochenende laden die Gerichtshöfe zum vielleicht letzten Mal zur Langen Nacht der offenen Ateliers. Geplant sind Führungen, Einblicke in die Ateliers von mehr als 30 Künstlern sowie eine Ausstellung mit 19 Gastkünstlern. Ein Artquiz soll die Besucher auch in entlegenere Ateliers locken und eine Lichtinstallation speziell abends für eine ganz besondere Atmosphäre sorgen.

Die Gerichtshöfe öffnen diesen Samstag, 23. September, von 16 bis 24 Uhr und Sonntag, 24.September, von 11 bis 16 Uhr. Der Zugang erfolgte über die Gerichtsstraße 12-13. Der Eintritt ist frei. Mehr Informationen gibt es auf: www.gerichtshoefe.de

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