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Schön wie wir. Cordula Simon und Anna Hermanns am Rathaus Neukölln in der Karl-Marx-Straße

© Doris Spiekermann-Klaas

Gemeinsame Sache in Neukölln 2017: Neuköllner setzen sich für einen sauberen Kiez ein

Mit der Kampagne „Schön wie wir“ unterstützt der Bezirk das Engagement für bepflanzte Baumscheiben und saubere Plätze.

Täglich gehen Anna Hermanns und Cordula Simon an achtlos weggeworfenen Kaffeebechern und Pizzakartons vorbei. An Sperrmüllbergen, mitten auf der Straße. Damit sich das ändert, engagieren sich die Berlinerinnen für ein schöneres Neukölln. Die beiden Frauen sind für die Kampagne „Schön wie wir“ des Bezirksamts zuständig.

Zwei Millionen Euro für illegalen Sperrmüll

Neukölln ist zusammen mit Mitte Spitzenreiter der illegalen Sperrmüllentsorgung. 2016 stellten Bürger fast 4 200 Kubikmeter Sperrgut auf den Straßen ab. Über zwei Millionen Euro hat das den Bezirk seit 2014 gekostet. „Weil Einzelne ihren Müll nicht richtig entsorgen, fehlt an anderer Stelle Geld“, sagt Simon. Dieses Geld würde sie lieber in Bildung oder Infrastruktur investieren. Das geht anscheinend vielen Neuköllnern so: „Fünfzig Prozent der Post an die Bezirksbürgermeisterin sind Beschwerden über Abfälle auf den Straßen“, berichtet Hermanns.

Bei ihrem Amtsantritt vor rund zwei Jahren hat sich Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) deswegen dem Kampf gegen den Müll verschrieben. Im März 2016 startete die Kampagne „Schön wie wir“. Zwar sind die Zahlen noch nicht entscheidend gesunken. Deutlich gewachsen ist aber das Engagement der Bürger: 4 000 Freiwillige haben sich seitdem für ihren Bezirk eingesetzt. 159 Aktionen gab es, und es sollen mehr werden. Denn Umdenken brauche Zeit, sagt die 36-Jährige.

Und es gibt sie ja schon: die Bürger, die mit gutem Beispiel vorangehen. Die Kinder der sozialpädagogischen Einrichtung Waschküche in der High-Deck-Siedlung reinigen regelmäßig ihren Spielplatz. Die Stadtteilmütter verteilen Flyer und demonstrierten mit dem Besen in der Hand gegen Straßenabfälle. Das Team von „Diemarktplaner“ ruft zu Putzaktionen im Anschluss an die Neuköllner Wochenmärkte auf. Unternehmen wie die Reinigungsfirma Universal und die Neukölln Arcaden halten als Paten Spielplätze sauber. Und immer mehr Bürger bepflanzen Baumscheiben vor ihrer Haustür.

Baumscheibenbepflanzung erwünscht

Die Baumscheibenbepflanzung ist in Neukölln nämlich ausdrücklich erwünscht. Am liebsten mit der Neuköllner Mischung. So nennen Hermanns und Simon die Blumensamen, die sie kostenlos verteilen. Mit Sonnenblumen und Kosmeen soll der Bezirk in den Kampagnenfarben Pink und Gelb erblühen. Das schönste Beet will das Bezirksamt dann am 15. September küren. Für die richtige Bepflanzung der Baumscheiben und die korrekte Sperrmüllentsorgung verteilt der Bezirk Flyer. „Auch von Bürgern aus anderen Bezirken hören wir Lob“, sagt Hermanns. „Es wäre toll, wenn Neukölln ein Vorbild in Sachen Sauberkeit wird.“

Um dieses Ziel zu erreichen, ist auch das Ordnungsamt an Bord. Die Mitarbeiter gehen mehrmals wöchentlich die schlimmsten Ecken ab, Anti-Müll nennt sich die Aktion. 15 Hotspots hat der Bezirk ausgemacht, an denen sich der Sperrmüll häuft. „Müll zieht Müll“, sagt Simon. Liegt irgendwo eine Matratze, kommt schnell ein Kühlschrank dazu. Oder Fernseher, Kinderwagen und Autoreifen.

Manche Abfälle sind sogar als gefährlich einzustufen, wie Lacke und Benzin. Besonders empört hat Simon eine Baufirma, die ihren Schutt auf der Straße ablegte. Nachts bewachen daher seit April sogenannte Müll-Sheriffs die Hotspots in der Warthestraße, der Weserstraße oder der Schillerpromenade. Gleichzeitig nutzen immer mehr Bürger die Möglichkeit, Müllablagerungen online dem Ordnungsamt zu melden. Die BSR holt die Abfälle dann ab.

Viele wissen nicht, dass man Sperrmüll kostenlos abgeben kann

Aber warum landet das Sperrgut eigentlich auf der Straße? „Manchmal ist es Unkenntnis. Viele wissen nicht, dass sie drei Kubikmeter Sperrmüll kostenlos bei der BSR abgeben können“, sagt Hermanns. Auch finanzielle Gründe spielen eine Rolle. In Neukölln wohnen 75 000 Hartz-IV-Empfänger. Aber Armut und Müll müssen nicht miteinander einhergehen, betonen die beiden Frauen. Es geht ihnen darum, das Image des Bezirks zu ändern.

Neuköllns Sauberkeit liegt den beiden auch persönlich am Herzen. „Wir sind Neuköllner Urgesteine“, sagt Hermanns. Die gebürtige Neuköllnerin wohnt noch heute hier. Sie will ihren Nachbarn zeigen, dass der Kampf gegen den Müll kein Kampf gegen Windmühlen ist. Zum Aktionstag am 8. und 9. September rufen die beiden alle Bürgerinnen und Bürger ihres Netzwerks zum Mitmachen auf.

Die Aktionen können die Freiwilligen auf der Webseite der Kampagne anmelden und Fotos von ihren Erfolgen hochladen. Das soll andere Bewohner zum Umdenken bewegen. Nach dem Motto: Wenn der Nachbar zum Besen greift, kann ich das auch. Und im besten Fall kommen die Nachbarn über den Müll ins Gespräch.

Jana Scholz

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