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Hier wächst Gemeinschaft. Die Aktiven sorgen dafür, dass der Lietzensee-Park ein Kiez-Kleinod bleibt.

© Doris Spiekermann-Klaas

Gemeinsame Sache in Charlottenburg-Wilmersdorf 2017: Sie machen den Lietzensee schön

Am Lietzensee engagieren sich Menschen seit Jahren für ihren Park – und nun auch für das bedrohte Bürgerzentrum.

Am Ufer des Lietzensees blüht die Gelbrote Taglilie. Dazwischen ackern Freiwillige des Vereins „Bürger für den Lietzensee“. Die Lilien haben sie von Brennnesseln, Disteln und Schilf befreit. Mehrmals wöchentlich reinigen die Helfer das Seeufer, pflanzen Blumen, setzen die Parkbänke instand oder harken Laub im Kampf gegen die Miniermotte.

„Wir könnten sagen, dass wir Steuern zahlen und das war’s“, sagt der Vize-Vorsitzende Norbert Voß. „Aber wir wollen selbst aktiv werden. Wir freuen uns, wenn Besucher den Park toll finden.“ Gegründet 2004, zählt die Bürgerinitiative inzwischen 200 Mitglieder. Für seinen langjährigen Einsatz erhielt der Verein letztes Jahr im Roten Rathaus die Quast-Medaille, die Berlin seit 1987 an Institutionen verleiht, die sich in besonderer Weise um Berliner Denkmale oder die Denkmalpflege verdient gemacht haben. Aber Voß bleibt bescheiden: Engagement gebe es schließlich überall in Berlin.

Die Mitglieder pflegen nicht nur den denkmalgeschützten Park, den General Job von Witzleben im 19. Jahrhundert anlegen ließ. Vereinsmitglied und Autorin Irene Fritsch gibt auch Führungen am Lietzensee, über den sie schon mehrere Krimis und ein Sachbuch geschrieben hat. „Mir liegt die Gegend sehr am Herzen“, sagt Fritsch. Schließlich wohnt sie seit den Fünfzigerjahren am See.

Die frühere Geschichtslehrerin organisiert auch den Lietzenseetreff, eine Kulturveranstaltung der Bürgerinitiative. Diese findet im Charlottenburger Nachbarschaftshaus statt. Wie lange das allerdings noch möglich ist, weiß im Moment niemand. Denn Sozialstadtrat Carsten Engelmann (CDU) will das Nachbarschaftshaus schließen. Der Vertrag des Vereins „Nachbarschaftshaus am Lietzensee e.V.“ läuft zum Jahresende aus. Engelmann wird ihn nicht verlängern und hat bisher auch keine alternativen Räume angeboten. Bei einer Bürgerversammlung Anfang August äußerte er, dass er sich die Wilmersdorfer Seniorenstiftung als neuen Träger wünsche. Engelmann ist selbst Vorsitzender dieser Stiftung.

„Der Sozialstadtrat zerstört ein gut laufendes Projekt“, sagt die Geschäftsführerin Annette Tafel. 80 Angebote gibt es im Nachbarschaftshaus, über 70 Ehrenamtliche sind hier tätig. Neben Gymnastik-, Musik- und Computerkursen sind auch ein Großelterndienst und eine Rechtsberatung fest verwurzelt. Fester Mieter ist seit einiger Zeit das Diakonische Werk mit seinen Integrationslotsen. Außerdem finden Schlaganfallbetroffene, Suchtkranke oder „verwaiste“ Eltern Unterstützung. Gerade für die Selbsthilfegruppen sei der regelmäßige Kontakt wichtig: „Wenn wir solchen Initiativen kein Forum mehr bieten können, brechen sie schlimmstenfalls einfach auseinander“, sagt Annette Tafel. Nicht nur für den Bezirk wäre die Schließung seines einzigen Nachbarschaftszentrums ein Rückschlag. Auch das bürgerschaftliche Engagement in Charlottenburg würde damit ausgebremst.

„Ehrenamtliches Engagement ist der Grundstein unseres Hauses“, sagt die 54-Jährige. Sie war von Anfang an dabei. Seit in der Villa Anfang der Neunzigerjahre eine Freizeitstätte für Senioren entstand. 2004 erwuchs daraus das erste Stadtteilzentrum in Charlottenburg-Wilmersdorf. Seither habe der Verein immer gut mit dem Bezirksamt zusammengearbeitet. Bis der Senat 2015 seine Förderung stoppte. Nun finanziert sich das Haus durch die Vermietung seiner Räume und Spenden. Ende September soll in der Sitzung des Sozialausschusses der BVV Charlottenburg-Wilmersdorf noch einmal über die Zukunft des Hauses diskutiert werden. „Nach so vielen Jahren wäre es bitter, wenn sich ein anderer ins gemachte Nest setzt“, sagt Tafel.

Bei der Geschäftsführerin klingelt alle paar Minuten das Telefon. Viele rufen an, weil sie besorgt sind um die Zukunft des Hauses. Das Nachbarschaftshaus hat nicht nur viele Nutzer, sondern ebenso viele Unterstützer und Freunde – wie die Bürgerinitiative für den Lietzensee. Irene Fritsch und Norbert Voß mobilisieren seit Wochen Öffentlichkeit und Vereinsmitglieder, um das Nachbarschaftshaus zu unterstützen. „Für uns im Kiez ist diese soziale Begegnungsstätte sehr wichtig“, sagt Voß. Irene Fritsch ist kampfbereit: „Wenn das Haus untergeht, dann nicht heimlich, still und leise.“

Die Charlottenburger wollen zusammenhalten. Inzwischen sind es drei gemeinnützige Vereine, die sich um ein gutes Zusammenleben in der Gegend bemühen. Neben dem Nachbarschaftshaus als ältestem Verein und der Bürgerinitiative für den Lietzensee engagiert sich seit jüngstem auch die Initiative „ParkHaus Lietzensee e.V.“. Der Anwohnerverein möchte das denkmalgeschützte Häuschen, das einst ein Parkwächter mit seiner Familie bewohnte, kinderfreundlich sanieren. Angestoßen hatte die Erneuerung wiederum der Verein Bürger für den Lietzensee. Entstehen soll ein soziokulturelles Zentrum – samt Kiosk mit Eisverkauf und Getränkeausschank.

Am Aktionstag, Sonnabend, dem 9. September, wollen die „Bürger für den Lietzensee“ von 10 bis 12.30 Uhr den Wildwuchs auf der Brücke an der Neuen Kantstraße beseitigen. Helfer sind willkommen.

Jana Scholz

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