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Damit das Engelbecken seinen Namen wieder gerecht wird, machten Freiwillige vor der Michaelkirche sauber.

© Katharina Ludwig

Gemeinsame Sache in Berlin-Mitte 2015: Damit das Engelbecken wieder aussieht, wie's klingt

Aufräumen ist ansteckend: Vom Pankeufer bis zum Stephansplatz krallten sich Helfer Besen. Vielleicht springt ja gleich ein neuer Job dabei raus?

Das ist keine Strafaktion

Letztes Jahr ist Frauke Meyer rein zufällig am Aktionstag auf den Bürgerverein Luisenstadt getroffen, der gerade am Saubermachen war. Die 48-Jährige war neu aus Hildesheim in die Stadt gezogen, sogar eine Wohnung suchte sie noch. Jetzt wohnt sie selbst rund um das Engelbecken – einen ihrer Lieblingsplätze in Berlin – und pickt Müll von den Wegen dieser Parkanlage am ehemaligen Grenzstreifen weg.

Fünf Müllsäcke wurden schon Freitag gefüllt, aber es liegt schon wieder viel rum. Die Scherben, gefährlich für Kinder, sind Initiatorin Silke Gebel, Landesabgeordnete für die Grünen, ein besonderes Anliegen. „Das ist keine Strafaktion“, erklärt sie den Menschen, die auf der Bank in der Sonne sitzen – und bittet sie gleich, ihren Kaffeebecher selbst wegzuräumen.

Kräuter mit Kick bei Viktoria Mitte 08

„Vielleicht noch Avocado dazu?“ Am Rande der Sportanlage des Fußballvereins Viktoria Mitte 08 in Gesundbrunnen kosten Janine Gensheimer und Helferin Helen fachkundig einen Wildkräuter-Smoothie. Das frisch zubereitete dickflüssige grüne Getränk bekommen junge Spieler und ihre Eltern beim „Putz- und Gärtner Tag“ gratis.

Manches Pflänzchen lässt sich ganz wunderbar verwerten, wie hier am Rande der Sportanlage des Fußballvereins Viktoria Mitte 08 in Gesundbrunnen.
Manches Pflänzchen lässt sich ganz wunderbar verwerten, wie hier am Rande der Sportanlage des Fußballvereins Viktoria Mitte 08 in Gesundbrunnen.

© Katharina Ludwig

Seit drei Jahren wird rund um das Fußballfeld an der Stralsunder Straße gegärtnert. Es riecht nach Thymian und Salbei, am Zaun zum Spielfeld rankt sich Hopfen empor. Ein Vater zieht gerade langes, schlingendes Unkraut aus dem Beet. Die große Menge Kräuter für die Smoothies kommt aber aus einem anderen Garten. Einzelne Kinder helfen nach ihrem Spiel mit ihren Trainern Müll aufzusammeln und Büsche zu stutzen. Am Spielfeld ist normaler Ligabetrieb mit 14 Spielen an diesem Tag.

Moabiter Schnecken spielen bei den Brombeersträuchern

Warum er an diesem Samstag zum Schneckenspielplatz gekommen ist und einen Besen in der Hand hält? „Weil das meine alte Kita ist“, erklärt Roque Zeidler, neun Jahre und ein halbes. Schon seit drei Jahren pflegen Eltern des Kinderladens Stoppelhopser e. V. das Areal, wissen schon was zu tun ist: Brombeeren zurückschneiden, Gräser zwischen dem Pflaster rupfen – und bringen gleich ihr eigenes Werkzeug mit.

Auch auf dem Schneckenspielplatz in der Quitzowstraße in Moabit wurde klar Schiff gemacht.
Auch auf dem Schneckenspielplatz in der Quitzowstraße in Moabit wurde klar Schiff gemacht.

© Katharina Ludwig

Roque hat noch ein Geschwisterchen in der Kita. Seine Mutter arbeitet als Tagesmutter, auch deswegen ist er öfters hier. Hinter den Brombeersträuchern ist einer von Roques Lieblingsorten auf dem Platz. Beim Aufräumen hat er sogar noch eine letzte Beere entdeckt, „Schön sauer!“, sagt er.

Monbijoupark: Wo Ehemänner ehrenhalber aufräumen

Gerade hat eine Gruppe von Picknickern den Monbijoupark verlassen, erzählt Marlies Salazar, Becher und Glasflaschen ließen sie einfach zurück. Die Präsidentin des Berlin International Women’s Club ist am Samstag mit rund 30 Frauen mit Picke und Mülltüte durch die Wiesen gezogen.

Geschafft: die fleißigen Frauen im Monbijoupark.
Geschafft: die fleißigen Frauen im Monbijoupark.

© Katharina Ludwig

Doch ganz voll gefüllt waren die großen BSR-Säcke für ältere Freiwillige fast zu schwer. Um neuerlichen Picknick-Müll zu vermeiden, hat man eine Gruppe US-Amerikaner, die gerade Tische aufbaute und gleich mehrere Getränkekisten dabei hatte, präventiv angesprochen. Zumindest mit der Verständigung gab es keine Probleme: im Club treffen sich Frauen aus 35 Nationen, man spricht Englisch. „Honorary member“, erklärt ein Ehemann, der ebenfalls hilft, seine Präsenz.

Achtung! Am Stephansplatz aufräumen ist ansteckend

Aufräumaktionen stecken leicht an – wie am Stephanplatz in Moabit: wie hypnotisiert bewegten sich einzelne Kinder auf die freiwilligen Altersgenossen aus der Kita Kleiner Frosch zu, als sie mit dem Putzen anfingen.

Zentrum des Geschehens war der Spielzeug-Container des Kinder- und Jugendclubs Power 21, dem Initiator des Kiezputzes. Hier können Kinder auch während des Jahres Spiele und Rollschuhe leihen.

Pause, das haben sie sich verdient. Aufräumen steckt an. Die kleinen Helfer der Initiative "Sauberer Stephankiez", "Power 21" und "BürSte e.V.".
Pause, das haben sie sich verdient. Aufräumen steckt an. Die kleinen Helfer der Initiative "Sauberer Stephankiez", "Power 21" und "BürSte e.V.".

© Katharina Ludwig

Die Betreuer pflegen mit Kindern den Platz, haben erreicht, dass nicht mehr auf dem Spielplatz geraucht wird. Manchmal wird bei der Ausgabe jetzt sogar nach Besen statt Spielen gefragt. „Was macht ihr? Kann ich mitmachen?“, will ein Jugendlicher wissen. Und auch ein Lehrer der angrenzenden Hedwig-Dohm-Oberschule fragt, wie man spontan helfen kann.

Am Pankeufer wachsen sonderbare Müllbäume

„Guck, hier wachsen richtige Müllbäume“, ruft Carsten Reuter aus einer hinteren Reihe von Büschen am Pankeufer im Wedding hervor. Gemeinsam mit einer 53-jährigen Freiwilligen bildet er das „Müllteam“ des Tageszentrums Wiese 30. Dort treffen sich Berliner mit psychischen Erkrankungen.

Zwei Mal pro Woche kümmern sie sich um das Ufer. Auch am Aktionstag harken sie nach Kräften, setzen selbst gezogene Studentenblumen oder Anemonen für nächstes Frühjahr.

Am Pankeufer an der Weddinger Walter-Nicklitz-Promenade schleichen Pflanzenfreunde der Aktion "WE CARE" im Gebüsch
Am Pankeufer an der Weddinger Walter-Nicklitz-Promenade schleichen Pflanzenfreunde der Aktion "WE CARE" im Gebüsch

© Katharina Ludwig

Einer will nicht gärtnern, sondern bewacht die Promenade. Am Rand eines Beetes sitzt eine Frau mit meliertem Pagenkopf ruhig und schaut in eine Baumkrone. Diese Blätter habe sie so oft in Kroatien gesehen, wie heißen sie nur auf Deutsch? „Schöner Tag“, sagt sie und schaut weiter nach oben. „Frische Luft“.

Bei Fuchskot erst eine Lehrerin fragen!

Kurz nach 9 Uhr sind die 23 Klassen der Grundschule am Brandenburger Tor auf den Schulhof, den Sportplatz und die umliegenden Straßen ausgeschwärmt. Bald schlängelten sich Passanten im Anzug an Schülern in BSR-Westen vorbei.

Für die Klasse l2a wurde zuerst noch der Putzkodex erörtert: Sand in die Sandkiste kehren! Keine Glasscherben aufheben! Bei Fuchskot und Ähnlichem erst eine Lehrerin oder ein helfendes Elternteil fragen! Müll aus dem Mülleimer zu ziehen, um ihn dann aufzupicken, ist nicht zulässig, so die Lehrerin.

Was haben Chirurgen und die Grundschüler vom Brandenburger Tor gemeinsam? Sie tragen diese weißen Schutzhandschuhe - und sind hochkonzentriert bei der Arbeit
Was haben Chirurgen und die Grundschüler vom Brandenburger Tor gemeinsam? Sie tragen diese weißen Schutzhandschuhe - und sind hochkonzentriert bei der Arbeit

© Katharina Ludwig

Selinay aus der 6d hat sich die orangen Wände im Schulfoyer zur Aufgabe gemacht: eifrig und zu Scherzen aufgelegt schrubbt die Elfjährige mit einer Freundin. „Ich würde hier nie eingestellt werden“, sagt sie. „Und wenn: 50 Euro!“

Der Aktionstag als Jobchance: Werkeln auf der Fischerinsel

Andreas F. sagt es ganz offen: Der 55-jährige Tischler aus dem Wedding ist mit Hintergedanken zum Aktionstag gekommen. Er sucht schon lange Arbeit und hat über einen Freund gehört, dass das Kreativhaus auf der Fischerinsel immer wieder Leuten Einstiegschancen verschafft.

Das Handwerker-Network auf der Fischerinsel sägt - außer dieser Blume auch noch ein Baumhaus mit Wendeltreppe
Das Handwerker-Network auf der Fischerinsel sägt - außer dieser Blume auch noch ein Baumhaus mit Wendeltreppe

© Katharina Ludwig

Tatsächlich wird auf dem zwischen Wohntürmen etwas versteckt liegenden Gelände des Begegnungszentrums viel gewerkelt: Gerade wird an einer neuen offenen Holzwerkstatt gebaut. Sie soll eine Falttür bekommen, dafür wurde das Scharnier gelegt.

Bei einem Baumhaus mit Wendeltreppe, das Kinder, Rentner und Eichhörnchen anzieht, hat Andreas F. ein Stück des Handlaufs an der Treppe ausgebessert und frisch gelb lackiert. „Vorsicht, frisch gestrichen!“, ruft er Besuchern von unten aus zu.  

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