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 Furries laden zum Kuscheln ein.

© Manfred Thomas

"Furry"-Konferenz in Berlin: Menschen in Ganzkörper-Flauschanzügen zeigen, was sie können

Menschen in Tierkostümen: Mehrere tausend Furries treffen sich derzeit zur „Eurofurence“ in Berlin.

Wolfsgeheul und Körpersprache muss man beherrschen, wenn man mit den flauschigen Wesen, die seit Mittwoch im und um das Hotel Estrel umherstromern, ins Gespräch kommen will. Aufgeschlossen sind sie allemal, die „Furries“, also Menschen in Tierkostümen, die sich zur Eurofurence in Neukölln treffen: Immer wieder bleiben einzelne Hunde, Wölfe, Drachen, Mäuse und andere auf zwei Beinen gehende Tierfiguren stehen, lassen sich mit glücklichen Kindern fotografieren, kuscheln mit Schaulustigen und miteinander. Ein Begleiter der Gruppe stimmt mehrfach Wolfsgeheul an, etwa dreißig Furries heulen lautstark zurück.

Aber wie kommuniziert man mit so einem Menschen, der sich gerade in einer Tierrolle befindet? Ein Versuch, einen etwa zwei Meter großen Fuchs anzusprechen, scheitert zuerst an der Sprache, denn dieser Furry versteht nur Englisch. Seinen Kopf abnehmen mag er aber auch nicht, schließlich ist er gerade ein Fuchs und nichts anderes. Außerdem braucht er jetzt Wasser von einem der „Paramedics“, die mit Handwagen voller Wasser und Strohhalmen zur Stelle sind und aufpassen, dass keiner in seinem Tierkostüm eingeht.

Die Möwe mit dem teuren Kopf.
Die Möwe mit dem teuren Kopf.

© Manfred Thomas

Furries sprechen entweder wie Tiere - oder Englisch

Die Helfer werden in den kommenden Tagen viel zu tun haben: 2.600 Teilnehmer aus mehr als 50 Ländern werden sich bis zum Sonntag zu Kostümbau, Zeichnen von Porträts und Onlineavataren und anderen Aspekten der vielfältigen Fankultur austauschen. Gekuschelt, gespielt und gefeiert wird natürlich auch, allerdings nicht immer im Kostüm. Denn länger als ein paar Stunden hält es niemand in den warmen Hüllen aus.

Mit Jorinda hat sich in der Zwischenzeit ein Furry gefunden, der reden kann und mag. Sie trägt einen Möwenkopf und passende Flügel und ansonsten schwarze Straßenkleidung. Die 29-jährige aus Jena heißt im wirklichen Leben anders, ist aber wie die meisten nur unter ihrem Rollennamen hier. Von Comics über Tiere kam sie in die Onlinegemeinschaft, besuchte dann lokale Treffen und ließ sich in mehreren Jahren Detailarbeit von einer Grafikerin ihren Charakterkopf bauen. „Die Möwe ist mein Lieblingstier, außerdem ist es ziemlich außergewöhnlich in der Szene“. Den Kindern das Eis aus der Hand klauen will sie aber nicht, im Gegenteil: „Wenn ich in meiner Rolle bin, kann ich verspielter sein und mich anderen Menschen leichter annähern“, sagt Jorinda.

Furries kommen in allen Formen und Farben.
Furries kommen in allen Formen und Farben.

© Manfred Thomas

Eine Gemeinschaft auf der ganzen Welt

Für sie ist die Gemeinschaft mehr als nur ein Nischenhobby. „Wenn man auf Dienstreise 800 Kilometer entfernt vom Wohnort ist, kann man dort mit jemandem Kaffee trinken gehen, den man aus der Community kennt.“ Wiedererkennungswert ist wichtig, denn zur Furry-Identität gehört normalerweise nicht nur ein Kostüm, das bis zu 15.000 Euro kosten kann, wenn man sich sein Leopardenkunstfell von Hand weben lässt. Ein Großteil der Aktivitäten finden in Foren und Facebook-Gruppen statt, deswegen braucht man auch einen kunstgerecht gezeichneten Avatar — so wird man auch auf Treffen gleich wiedererkannt.  

Die Gemeinschaft, die Jorinda auf Dienstreisen erlebt, hat schon amerikanische Furries zu Tanor, 43 Jahre alt und als Furry eigentlich ein Wolf, ins Ruhrgebiet gebracht. Er schwitzt heute nur in schwarzem T-Shirt, denn er hat bisher noch kein Kostüm. Das will er selber bauen und sich gleich ein paar Ratschläge auf dem Treffen in Berlin holen. „Man hilft sich gegenseitig und es herrscht eine Friedfertigkeit, die wirklich beeindruckend ist.“ Sprachbarrieren gibt es nicht, denn Englisch ist die Standardsprache. Ein paar Meter weiter ist ein hundeartiges Wesen mit Flügeln auf einer Bank kollabiert und bittet auf Italienisch um Wasser. Was für ein Hundeleben.

Furry-sein ist nicht immer leicht. In den Kostümen wird es heiß.
Furry-sein ist nicht immer leicht. In den Kostümen wird es heiß.

© Ralf Hirschberger/dpa

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