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Berlingesichter

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Lächelnde Berliner: Bitte recht unfreundlich!

Unsere Autorin überlegt, ab sofort etwas unfreundlicher zu werden. Ein Lächeln sagt einfach zu viel aus. Eine Glosse.

Es gibt ein Lied der Spandauer Band „Bunte Rapublik Deutschpunk“ (die Schöpfer so besinnlicher Berlin-Balladen wie „Candle Light Döner“) mit einem äußerst obszönen Titel, der auch manches T-Shirt schmückt. Natürlich wüssten Sie nun gern, wie das Lied heißt, doch es ist wie gesagt äußerst, wirklich äußerst obszön. Und da es hier und heute zwar auch um Zwischenmenschliches, aber rein Platonisches geht, wird der Titel in zensierter Form wiedergegeben: „Wer arbeiten will, muss freundlich sein.“

In dieser Hinsicht können sich die ruppigen Berliner (Arbeitslosenquote: 8,5 Prozent) von den poltrig-freundlichen Bayern (Arbeitslosenquote: 2,9 Prozent) sowieso mal eine Scheibe abschneiden.

Ein Lächeln sagt potentiell zu viel

Was in dieser, der Freundlichkeit entwöhnten Stadt ein Lächeln für weitreichende, ja potenziell existenzsichernde Folgen haben kann, weiß nur, wer als Berliner einfach mal antizyklisch lächelt: Zum Beispiel in einem Supermarkt in Prenzlauer Berg am späten Montagnachmittag, im Idealfall schneeregnet es draußen.

Die Menschen haben ihr Gesicht aus der morgendlichen S-Bahn-Fahrt mitgebracht, schieben sich mit hackenden Ellenbogen aneinander vorbei und schaufeln Waren in ihre Einkaufswagen, um sich für den nächsten Weltkrieg einzudecken. Eine adrette Dame steht im Weg, sie wird charmant zur Seite gelächelt.

Das haut sie offenbar dermaßen um, dass sie wenige Minuten später an der Käsetheke das Gespräch sucht: „Dass ich Sie hier wiedergefunden habe! Sie haben mich eben so nett angelächelt.“ Daraufhin bekommt sie gleich eine zweite Kostprobe, die sie noch mehr in Fahrt bringt. „Was machen Sie denn beruflich? Journalistin? Da hätten Sie sicher nichts gegen einen Nebenerwerb? Sie könnte ich mir super in unserem Team vorstellen. Ich arbeite übrigens im Bankwesen.“

Danke, sehr nett, aber nein, viel Glück, Tschüssikowski. Draußen die Erkenntnis: Ein Lächeln sagt oft mehr als 1000 Worte. Viel mehr. Zu viel. Deshalb wird ab sofort weniger gelächelt. Sorry, Bayern.

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