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Trümmerfrauen. „Women at work“ – Frauen bei der Arbeit – nannte Cecil F. S. Newman dieses Bild von Frauen, die den Schutt beiseite räumen.

©  Cecil F.S. Newman / Stadtmuseum Berlin

Fotoausstellung im Märkischen Museum: Berlin 1945: Eine Stadt in Ruinen

Ein britischer Ingenieur kommt 1945 nach Berlin, um beim Wiederaufbau zu helfen – und macht einzigartige Bilder von der Zerstörung, aber auch vom Optimismus. Bis zum 25. Oktober sind die Aufnahmen im Märkischen Museum zu sehen.

Eine Fotoschau über „Berlin 1945/46“ ist ins Märkische Museum gekommen, und der Betrachter möchte gleich am Anfang seine Begeisterung, aber auch eine große Betroffenheit mitteilen: Sensationell, was da in sechs Räumen gezeigt wird. Es ist das genau lokalisierte Abbild der Kriegszertrümmerung dieser Stadt, seiner Häuser, Kirchen und Straßen. Berlin, Brechts großes Karthago: nach dem zweiten Krieg noch bewohnbar, gerade so.

Sofort nach dem Ende des Krieges galt in Ost und West die Losung: Fort mit den Trümmern und was Neues hingebaut. Heute können wir nur ahnen, wie es damals, 1945, war. In dieser Ausstellung aber wird die Vergangenheit der zerbombten Stadt bildlich greifbar. Und verlockt zum Vergleich, was aus dem Damals heute geworden ist. Kleine Andreasstraße in der Nähe vom Ostbahnhof, 1946: Nur die langen Schornsteine der Häuser ragen in den Himmel, Mauern sind geborsten, Schutt bedeckt die Straßen, in denen Kinder spielen, Trümmerfrauen Ziegel putzen oder zerschossene Panzer zu ihrer letzten Wrack-Parade aufmarschieren.

Newman spricht Deutsch, raucht Pfeife und ist zwei Meter groß - eine Autorität

Die Pfeife im Mundwinkel: Cecil F.S. Newman.
Die Pfeife im Mundwinkel: Cecil F.S. Newman.

© Stadtmuseum Berlin

Im Juli 1945 kommt Cecil Newman, ein dreißigjähriger Captain der Royal Engineers, mit den britischen Besatzungstruppen nach Berlin. Seine Heimat war 1941 von deutschen Bomben getroffen worden – nun meldet sich der Ingenieur und Stadtplaner freiwillig, um Berlin beim Wiederaufbau zu helfen. Er arbeitet eng mit der Verwaltung zusammen, berät den damaligen Stadtbaurat Hans Scharoun, kümmert sich um den Wiederaufbau gesprengter Brücken und um das Zusammenknüpfen der Berliner Verkehrsnetze. Der Mann ist eine Autorität mit seinen zwei Metern Länge, er spricht Deutsch, raucht stetig Pfeife und zückt bei jeder Gelegenheit seine kleine Leica-Kamera.

Der Foto-Chronist wird zum Dokumentar im Kleinbildformat: „Als Cecil Newman Mitte der achtziger Jahre stirbt, hinterlässt er mehr als 1400 Berliner Bilder“, sagt Ines Hahn, die Kuratorin der Ausstellung, die im Stadtmuseum für alles Fotografische zuständig ist. In vielen Bildern erkenne man den Blick „des Ingenieurs, der in der verheerenden Trümmerwüste eine gigantische Aufgabe sieht“. Zugleich spüre der Betrachter den fast liebevollen Blick eines Mannes, der Berlin und den Menschen – Einheimischen und Heimkehrern, Besatzern und Kollegen, Flüchtlingen und Entwurzelten, vor allem aber den Kindern mit großer Anteilnahme und Offenheit begegnet ist, sagt Ines Hahn.

Die Porträts zeigen nur optimistische Menschen

So großzügig und freundlich der Vater gegenüber den Berlinern war, so geht auch die Tochter Pat Newman mit dem Erbe um. Sie schenkt Berlin 1400 Negative. „Ich möchte, dass die Bilder wieder nach Hause kommen, hier gehören sie hin“, sagt Pat Newman und wünscht sich, dass möglichst viele Menschen kommen und sehen, wie die Stadt einst darniederlag und welche Leistung es war, sie so herzustellen, wie sie jetzt ist.

Vielleicht gibt es Überraschungen, wenn sich Zeitzeugen daran erinnern, dass da ein Riesenkerl mit Pfeife im Pferdegesicht kam und fotografierte. Die Porträts zeigen nur optimistische Menschen, die der frohen Zukunft entgegenlächeln, wie beispielsweise neun Schülerinnen der Waldschule Charlottenburg, die auf einem Foto vereint sind.

Neun Mädchen der Charlottenburger Waldschule haben einander im Arm.
Neun Mädchen der Charlottenburger Waldschule haben einander im Arm.

© Cecil F.S. Newman / Stadtmuseum Berlin

Die Ausstellung zeigt 140 Neudrucke von den digitalisierten Negativen. Sie sind zugleich Heimatkunde: Dieses Gerippe war mal der S-Bahnhof Alexanderplatz, auf dem Platz beim Schloss steht noch das Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmal, General Scharnhorst wacht neben der Neuen Wache, der Turm der Petrikirche lugt nahe dem Spittelmarkt aus dem Trümmerfeld... Einen Neubau gab es in all der Tristesse auch schon: das weiße sowjetische Mahnmal im ramponierten Tiergarten. Am Zoo-Bunker prangt noch die Durchhalteparole „Lieber tot als Sklave“, ein Mann mit Krücken quält sich durch den Trümmerschutt: Es ist der heimkehrende Soldat. Leider ist er wieder aktuell, wenn er denn überhaupt je unaktuell war.

Bis 25. Oktober, Märkisches Museum Am Köllnischen Park 5, Di - So, 10 bis 18 Uhr. Eintritt fünf, ermäßigt drei Euro. Bis 18 Jahre und am 1. Mittwoch im Monat frei. Der im Nicolai-Verlag erschienene Katalog „Berlin 1945/46. Fotografien von Cecil F.S. Newman“ kostet 16,95 Euro.

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