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Übergelaufen. Beim Starkregen vor einer Woche war die Kanalisation überfordert, das Wasser aufzunehmen - wie hier in Schöneberg.

© Pilick/dpa

Folgen des Starkregens in Berlin: Von wegen ausgepumpt

Mehr als eine Woche nach dem Jahrhundertregen stehen immer noch viele Häuser unter Wasser. Bei vielen Berlinern sind die Folgen noch nicht abzusehen.

Von Sandra Dassler

„Wir waten hier immer noch im Wasser“, sagt ein Köpenicker. „Uns hat man einfach vergessen“, klagt eine Frau, deren Haus in den Mäckeritzwiesen in Tegel steht. Mehr als eine Woche nach dem Starkregen stehen in Berlin noch immer zahlreiche Keller und Wochenendgrundstücke unter Wasser. Wie viele es genau sind oder waren, kann niemand sagen, denn die Schäden der Privathaushalte werden nirgendwo zentral erfasst. Das Land verweist auf die Zuständigkeit der Bezirke, aber auch dort weiß niemand Genaueres.

„Das Bezirksamt ist nicht der direkte Ansprechpartner für vom Starkregen geschädigte Menschen“, sagt Michael Hielscher, Sprecher des Bezirksamts Reinickendorf: „Ich kann Ihnen lediglich mitteilen, dass mir aktuell keine Beeinträchtigungen des Schul- und Sportbetriebs in Reinickendorf mehr gemeldet sind.“

Eine bloße Gebäudeversicherung reicht nicht

Gemeldet werden müssten die Schäden letztlich bei den Versicherungen, sagt Hielscher. Doch beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) sind noch keine Meldungen der einzelnen Versicherungen eingegangen. „Nächste Woche können wir bestimmt mehr sagen“, sagt GDV-Sprecherin Kathrin Jarosch, weist aber darauf hin, dass in Berlin überhaupt nur 30 Prozent der Wohngebäude gegen Elementarschäden versichert sind (deutschlandweit sind es rund 40 Prozent). Eine einfache Gebäudeversicherung reicht dafür nämlich nicht aus. Das sagt auch Rolf Neumann, Sprecher der Feuersozietät Berlin-Brandenburg: „Wir empfehlen unseren Kunden seit Längerem, unbedingt eine Elementarschadenversicherung abzuschließen, weil im Zuge des Klimawandels auch unsere Region zunehmend von Unwettern betroffen ist und die Wohngebäudeversicherung nur Schäden durch Feuer, Leitungswasser, Sturm und Hagel abdeckt, nicht aber durch Starkregen und Überschwemmungen.“

Versicherung erwartet bis zu 2000 Schadensfälle

Bis Mittwoch wurden bei der Feuersozietät rund 750 Schäden durch den Starkregen der vergangenen Woche gemeldet, sagt Neumann: „Da erfahrungsgemäß nicht alle sofort ihre Schäden registrieren lassen, gehen wir insgesamt von ein- bis zweitausend Schadensfällen aus. Dabei waren übrigens nur wenige Autos betroffen, sondern vor allem Gebäude und Hausrat.“ Zum Glück halte sich der Schaden in Grenzen: „Bisher betrug er nur bei etwa 25 von den 750 Fällen mehr als 5000 Euro“. Knapp zweitausend Einsätze wegen Wasserschäden registrierte die Berliner Feuerwehr. Zu vielen kleineren Problemen war sie gar nicht erst ausgerückt.

Hinzu kommt, dass bei etlichen Berlinern die Folgen des Starkregens noch gar nicht abzusehen sind, weil ihnen das Wasser noch immer zwar nicht bis zum Hals, aber zumindest bis zum Knöchel oder Knie steht. Kein Wunder, dass die Nerven blank liegen und es viel Kritik an der Politik und an der Feuerwehr gibt. So beschweren sich die Anwohner in den Mäckeritzwiesen in Tegel, dass sich die Feuerwehr schlicht geweigert habe, das Wasser abzupumpen.

„Das ist so nicht richtig“, sagt Feuerwehr-Sprecher Thomas Kirstein. „Wir waren mehrmals mit erfahrenen Einsatzleitern vor Ort und haben den Anwohnern auch erklärt, dass es derzeit keinen Sinn macht, das Wasser abzupumpen. Es würde sofort wieder nachlaufen, weil es nämlich Grundwasser ist, dass dort sehr hoch steht.“ Die Mäckeritzwiesen liegen in einer Senke, sagt Kirstein, und haben immer mal wieder Probleme mit zu hohem Grundwasser. Ähnliches gilt für weitere Gartensiedlungen, unter anderem in Spandau und im Friedrichshagener Erpetal. Einige davon sollen demnächst endgültig zu sogenannten Überschwemmungsgebieten deklariert werden.

Experten gehen davon aus, dass infolge des Klimawandels auch in Deutschland lokale Unwetter mit Phänomenen wie Starkregen und Tornados zunehmen. Weltweit sterben dabei schon heute mehr Menschen als bei großen medienträchtigen Katastrophen.

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