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Gib mir eine Aufgabe: Was für deutsche Kinder normal oder lästig ist, danach sehnen sich Flüchtlingskinder: Schulalltag.

© picture alliance/ dpa

Flüchtlinge in Berlin: Für die Kinder heißt es: endlich Schule

Als Flüchtlinge dürfen die Asylsuchenden nicht arbeiten, die Kinder aber dürfen lernen. In "Willkommensklassen" sollen sie ihre Deutschkenntnisse verbessern, um den Unterricht folgen zu können - dafür werden sie in den verschiedenen Bezirken unterschiedlich in den Unterricht integriert.

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Sie kommen aus Ländern, in denen Krieg herrscht, und haben lange keine Schule besuchen dürfen. In diesen Tagen geht für die Flüchtlingskinder in Hellersdorf der Unterricht los – in eigenen Klassen. Die Kolibri-Grundschule hat in einem Schreiben die Eltern darüber informiert, dass die Schule die Kinder der Flüchtlinge unterrichten wird. Auch an der Konrad-Wachsmann-Oberschule soll es eine Gruppe geben. „Die Kinder nichtdeutscher Herkunft werden in einer eigenständigen Klasse beschult“, heißt es in dem Brief der Kolibri-Schule.

Vorwurf des Alltagsrassismus

Bei einigen Nutzern des Kurznachrichtendienstes Twitter hat der Tonfall dieses Briefs Empörung hervorgerufen. Sie vernehmen den Unterton, deutsche Eltern müssten nicht fürchten, dass ihre Kinder mit den Flüchtlingskindern groß in Berührung kommen. Das sei „Alltagsrassismus“, so einige Twitterer. Die Schulleitung selbst wollte dazu keine Auskunft geben. Rektorin Gudrun Hennig verweist an das Schulamt, von dem sie zu der Elterninformation angewiesen worden sei. Die Büroleiterin von Bezirksbürgermeister Stefan Komoß (SPD) bestätigte, dass es an den Schulen Fragen von Eltern gegeben habe und die Briefe „Ruhe reinbringen“ sollten.

Es ist in Berlin durchaus üblich, neu zugezogene Kinder ohne Deutschkenntnisse in sogenannten Willkommensklassen zu unterrichten, bis sie dem Unterricht folgen können. Das bestätigt die Bildungsverwaltung, die allerdings lieber von Lerngruppen spricht. Auch für ausländische Kinder und Jugendliche, die in Berlin wohnen, gilt die Schulpflicht, wenn sie einen sogenannten Aufenthaltstitel haben, dazu zählt auch ein Asylantrag oder eine Duldung. Kinder ohne Aufenthaltstitel unterliegen nicht der allgemeinen Schulpflicht, sie haben aber ein Recht auf Schulbesuch, so regelt es das Berliner Schulgesetz. Rund 200 dieser Willkommensklassen gibt es derzeit in Berlin, über 2300 Kinder werden dort unterrichtet. Die meisten Lerngruppen gibt es in Mitte (35) und Neukölln (31), durchschnittlich zwölf Schüler sind in einer Klasse. Ziel sei es, die Kinder so schnell wie möglich in reguläre Klassen zu integrieren. „Wir machen keinen Unterschied, ob es Flüchtlingskinder oder Diplomatenkinder sind. Es wird nur geschaut, ob sie gut genug deutsch sprechen, um dem Unterricht zu folgen“, sagte eine Sprecherin.

Separate Klassen führen zur Isolierung von Neuankömmlingen

Die Hans-Fallada-Schule in Neukölln hat seit vielen Jahren Erfahrung mit der Integration von Flüchtlingskindern, in der letzten Zeit waren es vor allem Roma-Kinder. Derzeit werden über 70 Schüler dort in Lerngruppen unterrichtet. Die Schule sei allerdings davon abgekommen, die Neuankömmlinge in getrennten Klassen zu betreuen, sagt Konrektorin Rita Heiming. „Das hat sich für die Erstklässler bewährt, aber für die älteren Kinder organisieren wir es jetzt anders.“ Diese bekämen jeden Tag zwei bis vier Stunden intensiven Deutschunterricht, den Rest des Tages verbringen sie im Regelunterricht – in Fächern wie Sport, Musik oder Kunst, in denen die Sprachkenntnisse nicht im Vordergrund stünden. „Der Kontakt zu den anderen Kindern ist wichtig“, sagt Heiming. Separate Klassen hätten dazu geführt, dass die Neuankömmlinge isoliert worden seien. Bei gemeinsamen Projekten könnten die Kinder dagegen sehen, dass die neuen Schüler vieles können, auch wenn sie noch nicht deutsch sprechen. „Unser Ziel ist es, die Kinder zu integrieren.“

Rechtlich gesehen ist Integration nicht das Ziel, wenn es sich um Asylbewerber handelt. Es gehört vielmehr zum Grundkonzept des Asylverfahrens, dass Antragsteller gerade nicht allzu heimisch werden sollen, solange ihr Verfahren läuft – damit man sie im Falle der Ablehnung leichter wieder loswird. Man wolle erst mal prüfen, ob sie ein Recht haben, hier zu sein, bestätigt die Integrationsbeauftragte Monika Lüke. Deswegen hätten sie keinen Anspruch auf Teilnahme an Integrationskursen und dürften nicht arbeiten. „Im Ergebnis bleiben aber doch 80 Prozent von ihnen hier“, sagt Lüke. „Es wäre wichtig, ihr Potenzial zu nutzen und sie arbeiten zu lassen. So können sie sich selbst eine Lebensgrundlage schaffen.“

Auch die Politik hat mittlerweile erkannt, dass diese Regelung kontraproduktiv ist, da der Arbeitswille unter Flüchtlingen groß ist und Fachkräfte benötigt werden. Im März hat die Integrationsministerkonferenz einstimmig dafür plädiert, Asylbewerbern und Geduldeten das Recht auf Teilnahme an den Integrationskursen zu gewähren. Arbeiten dürfen sie nach neun Monaten, allerdings nur wenn kein Einheimischer oder EU-Bürger den Job machen will. Erst nach vier Jahren haben sie gleichberechtigten Zugang zum Arbeitsmarkt. Wenn es nach Lüke und Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) ginge, würde man auch diese Einschränkung abschaffen.

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