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Filmstadt Berlin: Dreharbeiten für die TV-Serie "Babylon Berlin" im Sommer 2016 auf dem Alexanderplatz.

© Thilo Rückeis

Filmen in Berlin: Die Stadt dreht auf

Trotz der Turbulenzen um Kosslick & Co.: Als Produktionsort für Spielfilme, Serien und Werbung bleibt Berlin Spitze.

„Die Internationalen Filmfestspiele Berlin standen am Rand der Auflösung. Jetzt zeigte sich, wie sehr es sich rächen sollte, dass die Pläne zu einer Reform der ,Berlinale’ in den Mühlen von Senat, Festspiele GmbH, Kuratorium und Festspielleitung steckengeblieben waren.“

Nein, das sind keine auf die aktuellen Turbulenzen um Kosslick & Co. gemünzten Zeilen. Sie sind vielmehr dem vom Filmhistoriker Wolfgang Jacobsen verfassten Rückblick „50 Jahre Berlinale“ entnommen und beziehen sich auf die Filmfestspiele im Sommer 1970. Damals entzündete sich an Michael Verhoevens Wettbewerbsfilm „o.k.“ um die Vergewaltigung und Ermordung eines vietnamesischen Mädchens durch US-Soldaten ein Riesenkonflikt, der schließlich zum Rücktritt der Jury und vorzeitigen Abbruch des Festivals führte.

Im Bezirk Mitte gibt es die meisten Dreharbeiten

Nun, so schlimm ist es derzeit nicht, obwohl die Erklärung der 79-köpfigen Regisseursriege noch lange nachklingen wird. Schließlich geht es um Berlins Rang als Filmstadt, und da ist ein Festival wie die Berlinale eine Visitenkarte von allerhöchster Bedeutung.

Freilich nicht die einzige, denn Filme werden hier nicht nur gezeigt, sondern auch gedreht und dies nicht zu knapp. Ein Indikator für die steigende Attraktivität Berlins als Drehort sind bereits die Zahlen zur „Nutzung öffentlichen Straßenlandes für Filmaufnahmen im Bezirksvergleich“, nach denen Sebastian Schlüsselburg und Anne Helm, beide Abgeordnete der Linken, den Senat befragt hatten. Aus der Antwort der Verkehrsverwaltung ist bei aller Unvollständigkeit der Angaben – aus Charlottenburg-Wilmersdorf kamen gar keine, aus Pankow und Neukölln einige nicht – doch ein klarer Trend erkennbar: knappe Verdoppelung der Anträge wie der Genehmigungen in den vergangenen fünf Jahren. Waren 2012 stadtweit noch 987 Anträge und 978 Genehmigungen für Drehs auf öffentlichem Straßenland zu verzeichnen, so 2016 bereits 1829 und 1792. Spitzenreiter war jeweils der Bezirk Mitte: Im Vorjahr wurde dort 601 mal eine Genehmigung erteilt. Es folgten Tempelhof-Schöneberg (364), Friedrichshain-Kreuzberg (283) und Steglitz-Zehlendorf (247). Schlusslicht blieb Marzahn-Hellersdorf: Nur drei mal wurde dort um eine Drehgenehmigung ersucht, für alle gab es grünes Licht.

Entsprechend dieser Zahlen klingelte es in den Bezirkskassen auch in sehr unterschiedlicher Lautstärke, am lautesten wiederum in Mitte (Sondernutzungs- und Verwaltungsgebühren 2016: 64 870 Euro), kaum noch vernehmbar in Marzahn-Hellersdorf (417 Euro). Berlinweit kamen so fast 210 000 Euro zusammen, während die Verkehrslenkung noch einmal fast 322 000 Euro einsackte. 2012 waren es dort erst rund 211 000 Euro. Und im laufenden Jahr (Stand: Ende Oktober) sind bereits Gebührenbescheide über fast 297 000 Euro ergangen.

Zurück in die Fünfziger: 2004 drehte Dominik Graf (mit Megafon) auf dem Kurfürstendamm "Der Rote Kakadu".
Zurück in die Fünfziger: 2004 drehte Dominik Graf (mit Megafon) auf dem Kurfürstendamm "Der Rote Kakadu".

© Kai-Uwe Heinrich

Selbstverständlich sind das nicht alles Produktionen, die eine Chance hätten, ins Programm der Berlinale oder sonst eines Festivals zu rutschen. Serien wie „Soko Wismar“ „GZSZ“ sind ebenso darunter wie Werbefilme. Und ohnehin lassen die auf den Berliner Straßen und Plätzen aufgebauten Kameras nur ahnen, wie groß der Output des Drehorts Berlins wirklich ist, finden doch viele Dreharbeiten auch in geschlossenen Räumen statt, so etwa aktuell bei „Lara“, Jan-Ole Gersters erster Regiearbeit seit seinem erfolgreichen, mit sechs Lolas geehrtem Debüt „Oh Boy“. Auch in Leipzig und Weimar entstehen Aufnahmen, aber Berlin bleibt doch der Hauptdrehort des um den 60. Geburtstag der von Corinna Harfouch gespielten Titelheldin kreisenden Films.

Corinna Harfouch und Tom Schilling drehen gerade "Lara"

Für diese ein besonderer Tag, in doppelter Hinsicht: Der 60., das auch, aber zugleich der Tag, an dem ihr Sohn Viktor, gespielt von Tom Schilling, sein erstes Solo-Klavierkonzert gibt, dazu mit einer eigenen Komposition. Leider hat er sie nicht eingeladen, anders als seinen Vater und dessen neue Lebensgefährtin. Doch Lara hat ihre eigenen Pläne, hat die letzten Konzertkarten erworben, will sie verteilen – als Geburtstagsgeschenk an sich selbst. Es kommt jedoch alles anders.

Die Berliner Aufnahmen entstehen überwiegend indoor, doch müssten auch Mittel des „Lara“-Projekts in den aktuellen Gebühreneinnahmetöpfen der Bezirke stecken, hat doch Gerster dreimal etwa in Charlottenburg gedreht, so bei Rogacki in der Wilmersdorfer Straße und vor dem Theater des Westens in der Kantstraße, das zumindest als Außenansicht des Konzertorts dienen darf. Im Hansaviertel wiederum wurde vor dem von Oscar Niemeyer entworfenen Hochhaus gedreht – in Mitte also.

In die Statistik eingeflossen sind auch Produktionen wie die Miniserie „4 Blocks“, die im Milieu eines arabischen Clans in Neukölln spielt und im Sommer 2016 an 50 Drehtagen im Kiez von Kreuzkölln entstand, mit Originalschauplätzen von der Sonnenallee übers Kottbusser Tor bis zum Görlitzer Park. Die Serie lief erfolgreich sogar auf der vergangenen Berlinale, die Fortsetzung ist in Arbeit.

In die Berliner Unterwelt – spätestens seit Fritz Langs „M“ ein beliebter Handlungsort – zieht es aktuell auch das Ermittlergespann der zweiten deutschen Netflix-Serie „Dogs of Berlin“, während man auf die Fortsetzung der beiden „Babylon Berlin“-Staffeln noch etwas warten muss. Aber sie wird kommen, das steht fest, schon der Erfolg verpflichtet dazu. Und gerade erst hat das Medienboard Berlin-Brandenburg, das die Region gern als „Deutschlands Film- und Serienstandort Nr. 1“ rühmt, für die dritte Staffel wieder 120 000 Euro locker gemacht, zwecks Entwicklung der Drehbücher. Die Kosten für die Drehgenehmigungen sollten da mehr als wieder drin sein.

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