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Tatort Schönleinstraße: Hier zündeten Jugendliche einen Obdachlosen an.

© dpa

Feuerattacke in Berliner U-Bahnstation: Obdachloser angezündet - Prozess beginnt

Im Dezember zündeten sie einen Obdachlosen in einer Berliner U-Bahnstation an. Nun kommen sechs junge Flüchtlinge wegen Mordversuchs vor Gericht. Ihr Opfer hätte "qualvoll verbrennen können", so die Anklage.

Der obdachlose Mann schlief tief und fest. Maciej B. lag auf einer Bank im U-Bahnhof Schönleinstraße. Den Kopf hatte er auf einen Rucksack gebettet und eine Decke über sich gezogen. Er blieb auch regungslos, als sich junge Männer in seiner Nähe lautstark unterhielten. Sie sahen in seine Richtung, sie sollen sich über ihn lustig gemacht haben. Was dann geschah, entsetzte bundesweit: Die Gruppe soll versucht haben, den Schlafenden anzuzünden. Sieben 16- bis 21-Jährige stehen ab Dienstag vor dem Landgericht – sechs von ihnen wegen versuchten Mordes.

Es war laut Ermittlungen Nour N., 21 Jahre alt und wie die Mitangeklagten ein Flüchtling, der in der Nacht zum 25. Dezember ein Feuerzeug nahm. Er habe erst ein Stück Papier neben dem Kopf des Schlafenden angezündet, dann ein Taschentuch. Flammen drohten auf B. überzugreifen. Die Gruppe aber ging. Nur durch das Eingreifen von Fahrgästen einer kurz darauf einfahrenden U-Bahn wurde Schlimmeres verhindert. Sie weckten den 37-Jährigen aus Polen und löschten das Feuer. B. blieb unverletzt.

Der erste Verdächtige stellte sich am Abend des Tattages

Ein Mordversuch, heimtückisch und grausam. Davon geht die Anklage aus. Aufgrund eines „spontan gefassten gemeinsamen Tatentschlusses“ hätten N. und fünf Mitangeklagte, 16 bis 19 Jahre alt, den Obdachlosen anzünden wollen. Sie hätten billigend in Kauf genommen, dass der arglose Maciej B. „qualvoll verbrennen könnte“. Dem siebten Angeklagten wird unterlassene Hilfeleistung zur Last gelegt. Ein abscheuliches Verbrechen, in weiten Teilen von Überwachungskameras aufgezeichnet. Die Verdächtigen zogen sich demnach nach der Tat schnell ihre Kapuzen über die Köpfe und sprangen in die nächste Bahn.

Nur wenige Stunden nach dem mutmaßlichen Mordanschlag beantragte die Polizei eine Öffentlichkeitsfahndung - wegen der Schwere des Delikts. Ein Richter genehmigte sie rasch. Mit Bildern aus einem Zug suchten die Ermittler öffentlich nach den Tätern. Der erste Verdächtige stellte sich am Abend des Tattages. Der 21-jährige N. sei fünf Stunden später festgenommen worden. Es sind junge Flüchtlinge, sechs stammen aus Syrien, einer aus Libyen. Sie sollen zwischen 2014 und 2016 nach Deutschland gekommen sein, die meisten als „unbegleitete Minderjährige“. Sie waren Angaben zufolge in verschiedenen Berliner Flüchtlingsunterkünften untergebracht. Einige seien wegen mutmaßlicher Straftaten aufgefallen, aber keiner habe Vorstrafen.

Angeklagten haben viele Ausreden

Die wegen Mordversuchs Angeklagten befinden sich in Untersuchungshaft. Was die mutmaßlichen Täter in ersten Verhören erklärten, sind aus Sicht der Ermittler zum großen Teil Ausreden. Sie hätten den Mann nicht töten wollen und damit gerechnet, dass er durch die Flammen aufwachen und aufstehen würde, soll ein 18-Jähriger erklärt haben. Ein anderer gab zur Protokoll, er habe N. aufgefordert, „das mit dem Feuer zu lassen“. Er habe gedacht, das Feuer sei ausgegangen. N. soll sich auf Trunkenheit berufen haben: Er könne sich nicht erinnern. Videoaufzeichnungen belegen Angaben zufolge das Gegenteil. Minutenlang sollen die jungen Männer noch neben dem Schlafenden gestanden, sich munter unterhalten, gefeixt, sich amüsiert haben. Als sie Kameras auf dem Bahnhof bemerkten, hätten sie sich die Kapuzen über die Köpfe gezogen. Für den Prozess vor einer Jugendstrafkammer sind acht Tage vorgesehen.

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