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Seit Air Berlin den Bodendienstleister gewechselt hat, liegt die Gepäckabfertigung am Flughafen Tegel so ziemlich am Boden.

© Monika Skolimowska/dpa

Ferienzeit in Berlin: Koffer-Chaos und Zugausfälle

Die Ferien sind da und mit ihnen schlimme Erwartungen: Warten auf Gepäck und Verspätungen überall. Muss man sich diesmal wirklich Sorgen machen? Wir haben nachgefragt.

Endlich Urlaub, ein letztes Mal Stress beim Kofferpacken, dann rein in den Flieger oder die Bahn, auf und davon! Moment mal, war da nicht was mit verlorenen, vergessenen Koffern in Tegel? Und ist überhaupt Platz in überfüllten Zügen?

13. Juli, gegen 15 Uhr, der IC hat den Bahnhof Osnabrück verlassen, da ertönt die Stimme des Zugbegleiters: „Liebe Fahrgäste, würden Sie bitte auf den freien Sitzplätzen nachsehen, ob da ein Hochzeitskleid liegt, eine Dame hat es vergessen, als sie ausstieg.“ Gelächter, Tuscheln, Murmeln. Nach dem Halt in Münster, noch einmal der Zugbegleiter: „Vielen Dank für die Hilfe, liebe Fahrgäste, das Hochzeitskleid hat sich angefunden, es ist mit einer Kollegin von Münster auf dem Weg zurück nach Osnabrück, zu dessen Eigentümerin.“

First Class Service bei der Bahn, die zu Ferienzeiten in Erinnerung blieb für kaputte Klimaanlagen in gestrandeten Zügen mit blockierten Türen? Gibt’s aber wirklich und kommt, gefühlt, einer Revolution in der Unternehmenskultur gleich.

Erstaunlich, zumal Vielflieger vom Sittenverfall in einer anderen Branche berichten, die einstmals für Glamour, tiefengebräunte Kapitäne und freundlich-entspannte Reisebegleiterinnen stand. „Ganz schön eng hier“, sagte neulich ein Sitznachbar, während wir uns aneinander vorbei zu unseren Plätzen zwängten – „Holzklasse eben“.

Koffer-Chaos in Tegel

Und dann noch das Gedränge auf den chronisch überlasteten Alt-Airports Berlins. Ab diesen Donnerstag werden bis zum Wochenende über 120 000 Fluggäste allein bei Air Berlin in Tegel erwartet. Und der jüngste Tatsachenbericht eines leidtragenden Reisenden dieser Fluggesellschaft lässt vermuten: das Koffer-Chaos in Tegel ist noch längst nicht bewältigt.

Wir erinnern uns: Die Fluggesellschaft Air Berlin hatte wegen des Ärgers mit Wartezeiten am Gepäckband, Verspätungen und Flugausfällen die für Gepäck und Bodendienstleistungen zuständige Firma gewechselt. Das Chaos vergrößerte sich. Kurze Zeit später einen halben Schritt zurück: Air Berlin holte den früheren Partner Wisag zurück zur Abfertigung einer Tochterfirma. Das Chaos aber blieb.

Wie viele Koffer verloren gehen, könne nur der Dienstleister sagen, teilt Air Berlin auf Anfrage mit. Bei der Flughafengesellschaft heißt es: „Es läuft besser, aber noch nicht zufriedenstellend“, so Daniel Tolksdorf. Zuständig seien aber die Airlines selbst, die Verträge mit Dienstleistern abschließen – Air Berlin mit der Aeroground aus München. Deren Sprecher Ingo Anspack sagt: „Wir sind noch nicht da, wo wir hinwollen, aber auf dem richtigen Weg.“ Dass ein Koffer ganz verschwindet, sei „extrem außergewöhnlich, normalerweise tauchen die wieder auf und werden nachbefördert“.

Zu knappe Anschlusszeiten

Gemunkelt wird, dass knappe Umsteigezeiten von teils einer halben Stunde bei Air Berlin dazu führten, dass ein Koffer nicht den Anschlussflug kriegt. Diese „Minimum Connecting Time“ sei in Tegel im Mai von 30 Minuten auf 45 Minuten erhöht worden, so die Fluggesellschaft.

Schuld am Chaos soll auch der zu langsame Aufbau von Personal durch die neue Firma sein, so Experten. Auch habe der Wechsel des Dienstleisters Chaos im „Lost and Found“-Bereich für vermisste Koffer verursacht. Und im veralteten Flughafen sortierten Mitarbeiter Koffer teils noch in einem Zelt – an modernen Airports laufe alles automatisch.

Bessere Nachrichten gibt es bei der Bahn: Neun von zehn Zügen im Fernverkehr erreichen mit weniger als dem akademischen Viertel (15 Minuten) Verspätung ihr Ziel. Zur Reisezeit rät der Fahrgastverband Pro Bahn: „Wählen Sie lieber großzügigere Umsteigezeiten“, so Karl-Peter Naumann. Und überhaupt: Den Zug möglichst früh am Morgen wählen, einen Platz reservieren, falls das nicht möglich ist, lieber auf einen anderen Zug ausweichen. Nicht am Freitag hin- und am Sonntagabend zurückfahren. Im Grunde gelten ähnliche „Reisewarnungen wie beim ADAC“.

Dass es Eisenbahner mit Herz gibt, bestätigt Naumann und berichtet von einer gleichnamigen Aktion: Ein Lokführer vom Güterverkehr rettete einen Uhu, der mit dem Zug zusammenstieß. Ein Zugbegleiter fischte eine teures Brillengestell aus dem Gleisbett und einer steuerte eine Dame in Abendgarderobe im eigenen Wagen nach Hause, weil keine Taxe mehr fuhr. Gut zu hören außerdem: Von den 3400 Klimaanlagen fallen allenfalls mal einzelne aus (zwei bis drei Prozent), so Bahn und Verband übereinstimmend.

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