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Tagesspiegel-Kolumnistin Dr. Elisabeth Binder.

© Tsp

Fallstricke des Alltags: Wenn Frau Meier nun Herr Meier ist

Einmal in der Woche fragen Sie Elisabeth Binder, wie man mit Situationen so umgeht, dass es keine Verstimmungen gibt. Dieses Mal geht es um es um das Thema Geschlechtsangleichung

Seit Längerem hatte ich mit einer Geschäftspartnerin einen Termin zu einem Aquisitionsgespräch ausgemacht. Zwischendurch hatten wir auch mal telefoniert. Als ich mit einer Mitarbeiterin an der Rezeption ankam, sagte die Dame dort sehr deutlich: „Frau Meier ist jetzt Herr Meier“. Ich war sehr verblüfft. Wir sprachen Herrn Meier, dem man durchaus noch ansah, dass er mal eine Frau war, entsprechend an, aber es war anstrengend. Hätte man die Veränderung thematisieren sollen? Vielleicht am besten augenzwinkernd, ironisch? Tanja, diskret

Eine Geschlechtsangleichung ist ein gravierender Schritt, der in der Regel einen langen Vorlauf hat. Und auch in Zeiten, wo so etwas längst kein Tabu mehr ist, gibt es keine Patentrezepte, wie man damit umgehen kann. Insofern war es richtig, dass Ihr Gesprächspartner Sie an der Rezeption vorwarnen ließ und Ihnen eine Verhaltensmaßregel mitgegeben hat auf dem Weg in sein Büro.

Smalltalk kann helfen

Sie sollen ihn nicht mehr mit „Frau“, sondern mit „Herr“ ansprechen. Noch souveräner wäre es sicher gewesen, wenn er im obligatorischen Smalltalk zum Beginn des Gesprächs selber darauf eingegangen wäre. „Ich kann mir vorstellen, dass die Situation ungewohnt ist für Sie, aber mir geht es jetzt richtig gut.“ Ein solcher Satz beispielsweise hätte für Sie den Weg geebnet zu sagen: „Das freut uns.“ Dann wäre schon mal Eis gebrochen gewesen, und Sie hätten die Unterhaltung ganz locker fortsetzen können.

Dass sie von sich aus augenzwinkernd sagen: „Oh, Herr Müller, Sie haben sich aber ein bisschen verändert, seit wir uns das letzte Mal sahen“, halte ich in einer solchen Situation für keine gute Idee. Das wirkt leicht paternalistisch und so, als würden Sie diese gewaltige Lebensveränderung, diesen Schritt in eine neue, vielleicht lang ersehnte Identität, nicht ernst nehmen.

Sehen Sie sich veranlasst, selber die Situation entkrampfen zu müssen, dann bitte auf eine würdevolle Art und Weise. „Wir treffen uns unter unerwarteten Umständen wieder, aber ich freue mich sehr zu sehen, dass es Ihnen gut geht.“ Das wäre eine Annäherung. Oder: „An die neue Anrede muss ich mich noch gewöhnen, aber es freut mich, wenn wir wieder gut zusammenarbeiten.“

Bloß nichts ignorieren

Das ist ehrlich und vielleicht besser, als eine Situation zu ignorieren, die Ihnen heimlich komisch bis unbehaglich vorkommt. Thematisiert man das einmal, wirkt das Treffen schon gleich viel normaler. Weil man die Veränderung mit Worten anerkannt hat.

Bitte schicken Sie Ihre Fragen mit der Post (Der Tagesspiegel, „Immer wieder sonntags“, 10876 Berlin) oder mailen Sie diese an:

meinefrage@tagesspiegel.de

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