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Freunde werden sie nicht mehr. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Karl-Georg Wellmann und Ex-Senator Thomas Heilmann.

© Davids/Sven Darmer

Fälschungsaffäre in der CDU Steglitz-Zehlendorf: Eine Fälschung – und viele Fragen

Die CDU Steglitz-Zehlendorf wählt ihren Bundestagskandidaten – zerrissen von einer Fälschungsaffäre. Ein Faktencheck.

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Die Mitglieder des größten Berliner CDU-Kreisverbands Steglitz-Zehlendorf stimmen heute über den Direktkandidaten für die Bundestagswahl ab. Die Wahl steht unter dem Eindruck einer Fälschungsaffäre im Zusammenhang mit einer Mitgliederbefragung. Karl-Georg Wellmann, bislang direkt gewählter Abgeordneter, soll darin verstrickt sein, bestreitet die Vorwürfe aber. Er wirft wiederum dem Kreisvorsitzenden Thomas Heilmann eine Intrige vor, der Wellmann als Direktkandidat ablösen will. Hier sind die wichtigsten Fragen und Antworten zu den Vorgängen in der CDU Südwest.

Welche Rolle spielt Monika Grütters?

Eine undurchsichtige. Wellmann sagt, Grütters habe nach dem Vorbericht eine Einstellung der Untersuchung angeordnet. Dies soll sie auch in einer Sitzung der Berliner Landesgruppe der CDU-Bundestagsabgeordneten gesagt haben. Im Vorbericht steht, dass keinem der beiden Kandidaten eine Beteiligung an den Fälschungen nachgewiesen werden konnte. Es gibt bisher keine Erklärung von Grütters dafür, warum sie die Feststellung im Vorbericht, dass mit erheblichem kriminellen Aufwand eine Mitgliederbefragung in ihrer Partei gefälscht werden sollte, nicht weiter verfolgen lassen wollte. In ihrer Anfangszeit in der Berliner Politik ist Grütters stark gefördert worden von Klaus Landowsky, mit dem sich Wellmann früher eine Kanzlei teilte und der heute auf dessen Seite steht.

Warum wurde nach dem Zwischenbericht weiter untersucht?

Wellmann behauptet, das sei geschehen, um ihm zu schaden. Dagegen sagt der Generalsekretär Stefan Evers für den Landesvorstand, die Ermittlungen seien wegen eines Hinweises von Wellmann selbst fortgeführt worden. Es geht dabei um eine von Wellmann kolportierte Beobachtung in einem Copyshop. Ein unbekannter Mann habe CDU-Unterlagen kopieren wollen, es sei aber kein vergleichbares Papier vorhanden gewesen. Das bestätigte der Ladenbesitzer dem Tagesspiegel. Als Mitinhaberin des Geschäfts wird an der Tür die von ihm getrennt lebende Ehefrau des Besitzers geführt. Die Frau arbeitet für Wellmann als Assistentin.

War Wellmann immer für die Mitgliederbefragung, wie er behauptet?

Da muss unterschieden werden zwischen Befragung und Entscheid. Mit der Befragung sollte ein Stimmungsbild erstellt werden, nachdem es in den Gremien keine klare Mehrheit gab. Was den Entscheid über den Kandidaten betrifft, war Wellmann mal dafür, mal dagegen und dann wieder dafür. Im Bericht heißt es, Wellmann habe mit Nein gestimmt. Die Befragung und den Entscheid hatte Heilmann als Kreisvorsitzender initiiert.

Ermittelt die Staatsanwaltschaft?

Dazu schrieb Wellmann bei Facebook: „Die Staatsanwaltschaft sieht keinen Ermittlungsbedarf! Damit ist unmissverständlich und eindeutig belegt, dass die gegen Karl-Georg Wellmann erhobenen Vorwürfe substanzlos sind und dieser über jeden Verdacht erhaben ist.“

Die Staatsanwaltschaft widerspricht dieser Behauptung allerdings und stellt klar, dass sie seit der ersten Berichterstattung im Tagesspiegel die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens prüft. Diese Prüfung dauert an und wird nach Angaben aus der Berliner Justiz eine längere Zeit in Anspruch nehmen. Bevor offiziell gegen Karl-Georg Wellmann ermittelt werden kann, müsste der Deutsche Bundestag auf Antrag dessen Immunität aufheben. Das Zitat, das im Wellmann-Post wie eines der Staatsanwaltschaft aussieht, stammt tatsächlich von seinem Anwalt und ist dementsprechend falsch.

Kann der Urheber der gefälschten Stimmzettel ermittelt werden?

Vervielfältigte Papiere enthalten einen „Yellow Dot“, mit dem die jeweilige Druckerei zu identifizieren ist. Das gilt auch für Kopierer. Die Behörden verfügen über entsprechende Listen, auf die staatliche Ermittler zugreifen können. Das könnte auch zum Täter beziehungsweise Auftraggeber führen.

Was ist vom Vorwurf der Urkundenfälschung zu halten?

Juristisch kann die Summe von Wahlzetteln eine Urkunde sein, dementsprechend ist eine Fälschung zu bewerten. Strittig ist, welchen Status die Mitgliederbefragung hat, weil sie nicht verbindlich war. Unabhängig davon ist die Fälschung politisch relevant, weil der Kreisverband das weitere Vorgehen vom Ausgang der Befragung abhängig machen wollte.

Warum erstattet der Vorstand nicht Strafanzeige gegen Wellmann und seinen Mitarbeiter K., wie im Endbericht empfohlen?

Eine solche Anzeige hat sich erübrigt, weil die Staatsanwaltschaft nach dem ersten Artikel im Tagesspiegel von sich aus die Prüfung von Ermittlungen aufgenommen hat.

Wieso fand sich auf einem der gefälschten Bögen die Unterschrift von Wellmanns Mitarbeiter K.?

Das ist unklar. Dem Tagesspiegel sagte K., er könne das nicht erklären. Theoretisch hätte der Kreisgeschäftsführer, der alle 2200 Originale verschickte, eine Fälschung an K. schicken können. Da die Bögen allerdings auch anonym zurückgesandt werden konnten, hätte der KGF davon ausgehen müssen, dass ausgerechnet dieser unterschrieben wird. Möglicherweise ist K. hereingelegt oder benutzt worden, vielleicht lagen ihm mehrere Bögen vor und er hat den falschen unterschrieben.

Wer ist K.?

Er ist ein langjähriger Mitarbeiter der CDU für einfache Arbeiten, der intern als „verkrachte Existenz“ beschrieben wird. Wellmann hat ihn nach Bekanntwerden der Vorwürfe suspendiert. K. arbeitet noch bis April auch für den Berliner Abgeordneten Adrian Grasse, der ein Unterstützer Heilmanns ist. Früher war K. beschäftigt bei Wellmann-Unterstützer Michael Braun, Vorgänger Heilmanns als KV-Vorsitzender und Senator, der das Arbeitsverhältnis mit K. aber wegen einer Illoyalität beendet hatte.

Wie fielen die Fälschungen auf?

Bis Weihnachten kamen überwiegend unterzeichnete Ja-Stimmen in der Kreisgeschäftsstelle an, vom 27. Dezember an überwiegend anonyme Nein-Stimmen. Diese Auffälligkeit wurde am 4. Januar bei einer CDU-internen Veranstaltung im alten Zehlendorfer BVV-Saal in Anwesenheit beider Kandidaten thematisiert. Der Kreisgeschäftsführer erkannte bei einem Vergleich zweier Bögen eine geringfügige Farbabweichung. Insgesamt wurden 350 gefälschte Bögen entdeckt, bis auf den von K. unterschriebenen anonym und ohne Fingerabdrücke, dafür aber teilweise mit abfälligen Kommentaren versehen.

Kann Heilmann die Fälschungen in Umlauf gebracht haben?

Für diese Vermutung, die Wellmann mit dem Hinweis auf eine Mail Heilmanns nahelegen will, gibt es keinen Beleg. Zwar verschickte Heilmann tatsächlich am 27. Dezember im Anhang einer Mail den Abstimmungsbogen an einige Mitglieder, dieser kann aber nicht die Vorlage für die Fälschungen gewesen sein: Die ersten Fälschungen kamen nach Erkenntnissen der Untersuchung bereits vor dem Versenden der E-Mail in der Kreisgeschäftsstelle an, und die Vorlagen im Anhang waren nicht in der Qualität der aufgetauchten Fälschungen reproduzierbar. Im Bericht wird eine Beteiligung Heilmanns an den Fälschungen auf diese Weise deshalb ausgeschlossen. Die Behauptung Wellmanns in einem TV-Berlin-Interview, die Mail sei „der einzige Weg“ zur Herstellung der Fälschung gewesen, ist demnach falsch.

Gibt es einen Beweis für die Mittäterschaft von Wellmann?

Nein, es gibt lediglich Indizien, die sich unter anderem auf das Verhalten von Wellmann und seinen Mitarbeitern während der Untersuchung stützen. Im Bericht heißt es, die Ermittlungen seien dadurch behindert worden. Widersprüchlich sind die Angaben dazu, warum Wellmann und seine Mitarbeiter keine Fingerabdrücke und Schriftproben abgegeben haben.

Was besagen die eidesstattlichen Versicherungen von Wellmann und Heilmann?

Wenig. Auffällig ist allerdings, dass Heilmann seine sofort abgegeben hat, und zwar gegenüber dem Justitiar zur Vorlage beim Staatsanwalt, Wellmann erst nach der Veröffentlichung des Berichts bei tagesspiegel.de gegenüber der Landesvorsitzenden Grütters. EVs müssen vor einer legitimierten Behörden abgegeben werden, dann sind falsche EVs strafbar.

Wer hat den Bericht öffentlich gemacht?

Über den Bericht, der das Datum vom 10. März trägt, hat erstmals am 13. März der Tagesspiegel berichtet. Die Redaktion hält sich grundsätzlich an den Quellenschutz, was bedeutet, dass Quellen weder bestätigt noch dementiert werden. Der Tagesspiegel recherchierte vor der ersten Veröffentlichung über mehreren Wochen lang wegen Hinweisen aus verschiedenen Quellen über Unregelmäßigkeiten im Kreisverband. Die beiden Kandidaten kommentierten die im Bericht benannten Vorwürfe erst, nachdem ihnen klar war, dass der Tagesspiegel berichten wird. Dabei erklärte Heilmann, die Unschuldsvermutung gelte auch für Wellmann, der wiederum sprach von einer Intrige. Der Tagesspiegel hält sich grundsätzlich an die Regel, dass die Ergebnisse einer Recherche dann veröffentlicht werden, wenn sie belegbar sind. Dies war der Fall, als die Redaktion aus mehreren Quellen die Inhalte des gerade fertiggestellten, vervielfältigten Berichtes recherchiert hatte.

Könnte jemand davon profitieren, dass beide Kandidaten beschädigt werden?

Ja. In der Partei, nicht nur im KV Steglitz-Zehlendorf, gibt es viele offene Rechnungen, auch der Kampf um die Plätze auf der Landesliste könnte eine Rolle spielen.

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