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Jasmin Semken ist Erstwählerin des Jahres 1980.

© Tsp

Erste Wahl 1980: "Steh’ auf und geh wählen!“

Berlinerinnen und Berliner erzählen von ihrer ersten Wahl. Für die 55-jährige Jasmin Senken war Helmut Schmift damals das kleinere Übel.

Ich bin Jasmin Semken, bin 55 Jahre alt, 1980 war ich gerade 18, als ich zum ersten Mal wählen durfte. Ich bin in Hamburg geboren und aufgewachsen, und ich war am Samstag vor der Wahl mit Freundinnen und Freunden, die auch alle zum ersten Mal wählen durften, unterwegs.

Wir waren vorher schon ziemlich aufgeregt. Ich hatte einen väterlichen Freund, mit dem ich am Samstagabend, zusammen mit seinem Sohn, um die Häuser gezogen bin in Hamburg. Ich war ziemlich alkoholisiert – es gab viel Fernet Branca. Es wurde also sehr spät und dann sehr früh, und wir saßen noch am Tisch und haben diskutiert, was das Richtige zu wählen wäre.

Verkatert an die Urne

Mein Freund Werner sagte, er würde die FDP wählen. Ich war nicht dafür. Ich war aber auch nicht so dafür, die SPD zu wählen und habe es dann doch getan. Irgendwann morgens, es dämmerte schon, sind wir schlafen gegangen. Sonntag mittags weckte mich Werner und sagte: „Sag mal, willst du deine erste Wahl verschlafen? Steh’ auf und geh wählen!“ Und das hab’ ich dann auch gemacht. 

Ich war eher links, bin ich immer noch, und wir hatten uns alle der „Republik Freies Wendland“ angeschlossen. Wir waren nicht pro Helmut Schmidt, aber wir waren sehr gegen Franz-Josef Strauß. Die Frage, die sich uns stellte, war: Gibt es eine Alternative oder müssen wir das kleinere Übel wählen?  Ich glaube, dass es die Grünen schon gab und dass wir im Freundeskreis gesagt haben: Das ist ja Quatsch, das ist eine verschenkte Stimme. Da kann man genauso gut DKP wählen.

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Ich war zuerst froh, dass Helmut Schmidt gewonnen hat. Das war eben das kleinere Übel. Aber als dann diese Geschichte mit den SS-20- und Pershing-Raketen kam und Brokdorf zunehmend ein Thema war, und es immer gefährlicher wurde, im Wendland vor Ort zu sein, habe ich mich nach der Wahl 1980 mehrmals gefragt, ob das die richtige Wahl war.

Grundeinkommen und Ehe für alle

Bei dieser Wahl werde ich das Bündnis Grundeinkommen wählen, weil ich finde, dass bedingungsloses Grundeinkommen ein wahnsinnig wichtiges Thema ist. Ich weiß noch nicht, ob ich mich mit der Erststimme den Linken oder den Grünen anschließen werde.

Gejubelt habe ich bei dem Beschluss zur Ehe für alle. Ich bin verpartnert mit meiner Frau, und wir werden das in die Ehe umwandeln. Dabei bin ich eigentlich keine Freundin der Ehe. Ich glaube, dass es sinnvollere und förderungswürdigere Modelle gibt. Die Ehe für alle ist ein großer Schritt in Richtung Gleichberechtigung und Gleichstellung, aber im Prinzip brauchen wir sie jetzt nicht mehr.

Aufgezeichnet von Helena Wittlich

Die Videointerviews mit allen befragten Erstwählern sowie Grafiken, Analysen und Wahlplakate zu jeder Wahl finden Sie in unserem Projekt "Erste Wahl: Zeitreise durch die Bundestagswahlen", das in Zusammenarbeit mit Philipp Bock und Lisa Charlotte Rost von Tagesspiegel Data entstanden ist. Dieses Projekt sowie Umfragen, Kieztouren durch Berlin, eine Kandidatenbank und vieles mehr zur Bundestagswahl finden Sie in unserem Wahl-Spezial.

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