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Mit Liebe. Viele Geschenke sind aufwändig eingepackt - also sollte man sie auch mit Geduld auspacken.

© Christian Klose/dpa

Entschleunigung unterm Weihnachtsbaum: Geschenkpapier ist kein Müll!

Aufreißen, zusammenraffen, in die Tonne stopfen. Meist endet der Heiligabend als Materialschlacht. Dabei gibt es eine Alternative, die nicht nur umweltfreundlich ist – sondern auch besinnlich. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Daniela Martens

Ich habe einige Familientraditionen von meiner Mutter übernommen, die früher als kauzig galten, heute aber zum Glück immer normaler werden: Sie hörte vor fast 40 Jahren auf, Fleisch zu essen – als man damit selbst in Großstädten noch ungläubiges Kopfschütteln erntete. Sie kaufte schon hauptsächlich „bio“, als es noch kaum Bioläden gab, fuhr ausschließlich Fahrrad, vermied schon damals Plastik. Sie lebte nach Prinzipien der Nachhaltigkeit, lange bevor dieses Wort allgegenwärtig wurde. Und eckte damit früher regelmäßig an. Heute nicht mehr so sehr, denn den meisten ist wohl inzwischen klar, dass wir alle etwas an unserer Lebensweise ändern müssen, wenn die Menschheit auf diesem Planeten eine Zukunft haben soll. Und genau jetzt, nämlich Heiligabend, kann man damit anfangen, einen weiteren kleinen Schritt in die richtige Richtung zu gehen.

Zu unseren Familientraditionen gehört eine, die vielen wohl auch heute noch besonders kauzig vorkommen wird: Wir verwenden unser Geschenkpapier jahrzehntelang, immer wieder. Einige Bögen sind inzwischen bestimmt 25 oder sogar 30 Jahre alt – und immer noch vorzeigbar. Das Auspacken am Heiligabend war bei meiner Mutter und mir immer ein besonderes Ritual: Keines unserer wunderbar bedruckten Weihnachtspapiere sollte kaputt gehen.

Die Bänder und Schleifen entknoten wir

Die meisten Geschenke verpackten wir nur mit Geschenkband, und wenn doch irgendwo ein Klebestreifen das Papier zusammenhielt, schnitten wir ihn sorgfältig auf. Die Bänder und Schleifen entknoteten wir, statt sie zu zerschneiden. Das dauerte natürlich – und war sehr entspannend und besinnlich. Am Ende des Abends kam alles wieder sorgfältig zusammengelegt in eine Papiertüte, in der wir es bis zum nächsten Jahr aufbewahrten. An jedem dieser goldenen, rot-grünen oder bunten Papiere voller Krippenszenen, Engel und Sterne hängen inzwischen viele Erinnerungen an vergangene Feste. In den Geschenken war übrigens oft Selbstgestricktes oder Selbstgetöpfertes. Als Teenager fand ich das nicht so toll, inzwischen weiß ich es zu schätzen.

Seit einigen Jahren ist meine Familie wesentlich größer. Es gibt da jetzt auch noch meinen Mann – und seine Familie. Dort macht man es ganz anders mit dem Geschenkpapier: Es wird blitzschnell aufgerissen und dann alles zusammengeknüllt und in Müllsäcke gestopft. So machen es wohl die meisten. Ich werde auch dieses Jahr wieder gar nicht hinsehen können bei der Materialschlacht. Ich werde an all die Bäume denken, die dafür abgeholzt wurden, denn längst nicht alles Papier ist recycelt und längst nicht alle Bäume dafür stammen aus Wäldern, die wieder aufgeforstet werden. An all das CO2, das bei der Produktion von Papier, mit Aluminium beschichtetem Papier und Geschenkbändern in die Atmosphäre gepustet wurde. Und an das CO2, das bei der Verbrennung des Mülls entstehen wird. Denn ein großer Teil des Geschenkpapiers kann nicht recycelt werden. Je mehr Klebebandreste noch daran sind, desto schlechter kann man es weiter verwerten. Es gibt keine Zahlen dazu, wie viel Geschenkpapier nach Weihnachten als Müll in welcher Tonne auch immer landet. Aber man kann ja mal ein bisschen rechnen: Nehmen wir an, jeder der knapp 3,5 Millionen Berliner wirft nur 100 Gramm Geschenkpapier weg – dann sind das 350 000 Kilo. Und dabei rechnen wir nur mit etwa zwei Geschenken pro Kopf. Ein riesiger Berg.

Genießt das langsame Auspacken!

Deshalb wünsche ich mir etwas zu Weihnachten, ich wünsche es mir von den Berlinern: Öffnet die Geschenke vorsichtig! Genießt das langsame Auspacken! Hebt das Geschenkpapier und die Bänder danach auf! Ich wünsche mir, dass auch diese Familientradition endlich etwas normaler wird. Denn wer beginnt, auf solche Kleinigkeiten zu achten, der macht hoffentlich an anderer Stelle weiter. Vielleicht beim Vermeiden von Plastikverpackungen beim Lebensmitteleinkauf oder im nächsten Jahr auch beim Inhalt der Weihnachtspäckchen: weniger Plastik und Elektronik, mehr Selbstgemachtes und Wiederverwertetes. Ich wünsche mir das, weil ich möchte, dass mein heute vierjähriger Sohn auch noch mit 70 oder 80 entspannte Weihnachten auf diesem Planeten feiert.

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