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Wer ohne Ticket fährt, begeht eine Straftat. Bei Anzeige droht eine Gefängnisstrafe.

© Paul Zinken/dpa

Entlastung der Strafverfolgung: Schwarzfahren soll keine Straftat mehr sein

Der CDU-Justizminister in NRW will Schwarzfahrer entkriminalisieren. Der Berliner Senat würde eine entsprechende Initiative wohlwollend prüfen.

Bisher waren es die Grünen, die Linken und früher auch die Piraten. Jetzt fordert erstmals auch ein CDU-Minister, ertappte Schwarzfahrer im Nahverkehr zu entkriminalisieren. Der christdemokratische Justizminister von Nordrhein-Westfalen, Peter Biesenbach, will das Fahren mit Bahnen und Bussen ohne Fahrschein nicht mehr als Straftat einstufen, sondern nur noch als Ordnungswidrigkeit. Die Folge: In Gefängnissen würde es leerer. Widerspruch kommt prompt vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV).

Damit schade man den 95 Prozent ehrlichen Fahrgästen, den Verkehrsunternehmen und deren Mitarbeitern, sagte VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff.

Ordnungswidrigkeit statt Straftat

Auch Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) hatte sich vor seinem Amtsantritt dafür eingesetzt, Schwarzfahren als Ordnungswidrigkeit zu behandeln. Im Koalitionsvertrag steht dazu nichts. Ein entsprechender Passus ist nach Tagesspiegel-Informationen am Widerstand der SPD gescheitert. Deshalb gebe es von Berlin auch keine Initiative, das Bundesgesetz zu ändern, sagte der Sprecher der Justizverwaltung, Sebastian Brux. Sollte Nordrhein-Westfalen im Bundesrat aktiv werden, um das Gesetz zu ändern, werde man in Berlin in der Justizverwaltung einen solchen Vorstoß aber „wohlwollend“ prüfen.

Biesenbach hatte der „Rheinischen Post“ gesagt, es sei eine „Fehlentwicklung“, wenn jemandem, der einmal keine Kurzstreckenkarte für weniger als zwei Euro gekauft habe, eine Gefängnisstrafe drohen könne.

Verkehrsbetriebe erstatten in der Regel eine Anzeige, wenn Schwarzfahrer mehrfach hintereinander erwischt werden. Zahlen die „Sünder“ eine vom Gericht verhängte Geldstrafe nicht, können sie mit einer „Ersatzfreiheitsstrafe“ hinter Gitter wandern. In Berlin sind die Zellen wegen solcher Strafen gut gefüllt.

5.000 Schwarzfahrer im Gefängnis

Bundesweit sitzen nach Angaben der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen etwa 5.000 Menschen deshalb im Gefängnis. Die meisten seien verurteilte Schwarzfahrer. Jeder Tag in Haft koste pro Gefangenem rund 130 Euro. An einem Tag gebe das Land rund 160.000 Euro dafür aus, dass Menschen inhaftiert seien, die das Gericht überhaupt nicht inhaftieren wollte, sagte Biesenbach. Die Umwandlung von einer Straftat in eine Ordnungswidrigkeit würde auch Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte entlasten.

Profitieren würden zudem die so genannten Graufahrer, die irrtümlich mit einem falschen Ticket unterwegs sind und dann ebenfalls wie Nichtzahler behandelt werden. Beliebt bei Kontrolleuren sind die Übergangsstellen vom Stadttarif AB in den Umlandbereich C, die Unwissende häufig mit einem AB-Ticket passieren – wie auf der Fahrt mit der S-Bahn nach Potsdam oder zum Flughafen Schönefeld.

Eine solche Gesetzesänderung würde dazu führen, dass Kontrolleure nicht mehr die Möglichkeit zur vorläufigen Festnahme eines Schwarzfahrers im Sinne des Jedermann-Rechts hätten, kritisiert dagegen VDV-Mann Wolff. Die sofortige Aufnahme der Personalien wäre dann so gut wie nicht mehr möglich.

Freifahrtschein fürs Schwarzfahren?

„Das käme einem Freifahrtschein fürs Schwarzfahren gleich“, sagte Wolff. Und die Belastung der Behörden würde nur von der Staatsanwaltschaft zu den Ordnungsbehörden verschoben.

Die Konsequenzen bei Straftaten seien zudem härter. Eine drohende Freiheitsstrafe habe eine abschreckendere Wirkung als die Folgen einer Ordnungswidrigkeit, sagte Wolff. Obwohl ertappte Schwarzfahrer seit zwei Jahren 60 Euro statt 40 Euro zahlen müssen, ist die Quote in 7 der 15 größten Städte in Deutschland nach Angaben der „Wirtschaftswoche“ zuletzt wieder gestiegen – außer in Berlin. Hier ist sie gesunken.

Behrendt hatte vor seinem Amtsantritt vorgeschlagen, das Absitzen von Strafen durch Arbeiten im sozialen Bereich zu ersetzen – nach dem Motto: „Schwitzen statt sitzen.“ Diese vorhandene Möglichkeit wird bisher nur selten genutzt.

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