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Powwow in Berlin. Pierre Brice und Mario Adorf haben sich in den Karl-May-Filmen bekämpft und später als Freunde Reklame für Hörhilfen gemacht. Foto: Christian Schulz

© Christian Schulz

Berlin: Ein Indianer kennt keinen Scherz

Karl-May-Festspiele: Pierre Brice, Mario Adorf und Martin Böttcher im Babylon Mitte.

Unglaublich, wie die Kinderaugen glänzen. Noch dazu von neun bis 69. Als Martin Böttchers „Winnetou“-Melodie im großen Saal des Babylon Mitte aufbrandet, stehen sie auf, applaudieren und strahlen ihrem Helden entgegen: Pierre Brice alias Winnetou, dem deutschesten Indianerhäuptling, den Frankreich je hervorgebracht hat. Der mit seiner Frau Hella vom Landsitz bei Paris angereiste edle Wilde im rosafarbenen Sakko ist der Stargast der rührenden und komischen Fanconvention zum 100. Todestag Karl Mays, den das Kino am Rosa-Luxemburg- Platz in Mitte am Samstagabend veranstaltete. Begleitet wird er von seinem Freund Mario Adorf, dem längst verziehen ist, dass er in Horst Wendlandts Karl-May-Filmen aus den Sechzigern den üblen Schurken Santer gespielt hat. Und eben von Komponist Böttcher, der sein Altersidyll am Luganer See verlassen hat, um mal eigene Filmmusik zu hören.

Zum Auftakt des bunten Abends plaudert Tagesspiegel-Kulturchef Rüdiger Schaper über seine zum Jubiläumsjahr erschienene Biografie „Karl May – Untertan, Hochstapler, Übermensch“. Deren Anliegen, May vom Verdacht zu befreien, ein reiner Kolportage- oder Jugendbuchautor gewesen zu sein, trifft bei Gästen wie dem als Sheriff gewandeten René Wagner, Direktor des Karl-May-Museums Radebeul, voll ins Schwarze. Danach ist vorab ein in der ARD-Reihe „Legenden“ am 29. April um 15.30 Uhr ausgestrahltes Pierre-Brice- Porträt der Berliner Regisseurin Cordula Kablitz-Post zu sehen. Darin kann man sich anhand heiteren Archivmaterials darüber wundern, wie sich die Wandlung des 1929 geborenen Schauspielers vom Jetsetter in Saint-Tropez zum komplett ironiefreien Apachen-Aristokraten in Elspe und Bad Segeberg vollzieht. Und das, obwohl Brice zuerst genausowenig wie Adorf bei den Filmen mitmachen will. War ihnen zu uninteressant, eindimensional, uncool. Tja, jetzt stehen die weise gewordenen alten Männer in Berlin und danken laut Schicksal und Publikum für die Gnade dieses Erfolges. Und Brice lässt sich dazu hinreißen, sein gefürchtetes Weltverbrüderungsgedicht auf die „Winnetou“-Melodie zu sprechen, das er und Böttcher schon mal auf Platte verbrochen haben. Vor der Aufführung von „Der Schatz im Silbersee“ stellt sich die menschlich gut durchgewärmte Menge dann geduldig für Autogramme an. Wenn das Lex Barker alias Old Shatterhand erlebt hätte! Doch Winnetous weißer Bruder ging schon vor vielen Wintern in die ewigen Jagdgründe ein. Gunda Bartels

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