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Die Bedenken gegen türkischen Konsulatsunterricht mehren sich nicht nur in Berlin.

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Diskussion in den Schulen: Widerstand gegen türkischen Konsulatsunterricht

Nicht nur in Berlin, auch in anderen Bundesländern gibt es umstrittene Schulstunden für türkischstämmige Kinder. Teilweise ist dort das Problembewusstsein größer.

Der türkische Konsulatsunterricht in Deutschland für Tausende türkischstämmige Kinder beunruhigt nicht nur Berliner Politiker und Fachleute. Seitdem sich die Regierung Erdogans zunehmend repressiv verhält und zehntausende Staatsbedienstete und Journalisten suspendiert, entlässt oder inhaftiert, mehren sich auch in anderen Bundesländer Bedenken.

Der hessische Beamtenbund forderte vor wenigen Tagen „eindringlich“ die Rückkehr des muttersprachlichen Unterrichts unter die „Aufsicht und Verantwortung“ des Bundeslandes. „Präsident Erdogan sitzt in unseren Klassenzimmern“, formulierte der Vorsitzende Heini Schmitt seine Befürchtung angesichts der Tatsache, dass „fast 60 türkische Lehrkräfte an hessischen Schulen im herkunftssprachlichen Unterricht tätig sind“.

Auch in Bremen gibt es neuerdings Kritik. Unter den „derzeitigen Umständen in der Türkei“ sei es „nicht weiter hinnehmbar“, dass an rund dreißig Bremer Schulen türkische Staatslehrer unterrichteten, sagt die bildungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Julie Kohlrausch. Die Senatorin für Bildung, Claudia Bogedan (SPD), teilte aber auf Anfrage des Tagesspiegels mit, dass man bisher keine negativen Erfahrungen gemacht habe und „am Konzept festhalten“ werde.

Auch der bildungspolitische Sprecher der Bremer SPD, Mustafa Güngör, warnte laut Radio Bremen davor, „nun aufgrund der politischen Lage in der Türkei alles infrage zu stellen“. Die Bremer Professorin und Expertin für interkulturelle Fragen, Yasemin Karakasoglu, warnte, man solle die türkischen Konsulatslehrer „nicht vorverurteilen“. Auch nicht-regierungstreue Lehrer machten von dem Angebot Gebrauch, in Deutschland zu unterrichten, sagte Karakasoglu.

Nur Nordrhein-Westfalen geht einen anderen Weg

Wie berichtet, besteht der türkische Konsulatsunterricht nicht nur aus Sprachvermittlung, sondern auch aus Heimatkunde. Die entsprechenden Lehrbücher werden schon seit Jahren kritisiert, weil sie die Türkei unkritisch verklärten und eine nationalistische Weltsicht transportierten, wie auch eine Studie des Essener Zentrums für Türkeistudien ergeben hatte.

Es gibt nur ein ehemaliges Gastarbeiter-Anwerbeland, das einen anderen Weg als Berlin und die anderen acht Anwerbeländer geht – und zwar Nordrhein-Westfalen. Das Schulministerium teilte auf Anfrage mit, dass im Schuljahr 2015/16 an mehr als 700 Schulen von 260 Lehrern Türkisch angeboten wurde – und zwar im Landesdienst. Ein Konsulatsangebot spielt keine oder nur eine untergeordnete Rolle. „Angesichts der Entwicklung in der Türkei ist das Schulministerium wachsam und auch die Bezirksregierungen sind bei dem Thema sehr sensibel“, betonte ein Sprecher des Ministeriums.

Eine Mischung von beiden Angeboten gibt es im kritisierten Hessen: Hier werden etwa 3000 Kinder durch türkische Konsulatslehrer und 5500 durch Lehrer in Verantwortung des Landes Hessen unterrichtet.

Auch das Saarland ist schon weiter als Berlin, das erst jetzt anfangen will, sich mit den Schulen über ihre Erfahrungen mit den Konsulatslehrern auszutauschen. Für 2017 ist im Süden eine Novellierung der geltenden Verordnung geplant – mit dem Ziel, den muttersprachlichen Unterricht zu verbessern. Es könne nicht sein, dass „Methoden und Inhalte der Sprachvermittlung und -prüfung in das freie Ermessen des jeweiligen Herkunftsstaates gestellt werden“, beantwortete das saarländische Bildungsministerium eine Tagesspiegel-Anfrage. Zurzeit unterrichten die türkischen Konsulatslehrer an 50 Schulen des Saarlands, darunter 35 Grundschulen.

Das Bundesbildungs- und Außenministerium halten sich in der Frage – trotz der undemokratischen Entwicklung in der Türkei – nicht für zuständig und verweisen auf die Länderhoheit, obwohl der Konsulatsunterricht ursprünglich auf zwischenstaatliche Abmachungen zurückgeht.

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