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Berlin: Der Alte Fritz parlierte lieber Französisch

Schade, dass es zu Asterix’ Zeiten Berlin noch nicht gab: Sein Besuch wäre spannend geworden. Doch auch ohne den Gallier ging es zwischen Berlinern und Franzosen mitunter hoch her

Wibau oder Wibo – das ist hier die Frage. Manch einer ist mit seinem Namen ein Leben lang geschlagen, nur selten wird er korrekt ausgesprochen, daraus entstehen dann tagein, tagaus „Die neuen Leiden des jungen W.“ Also ein für allemal: Edgar Wibeau mit einem langen O! Wegen der hugenottischen Vorfahren! Compris?

Auf die wohl fruchtbarste Phase der deutsch-französischen Beziehungen stößt man gerade in Berlin immer wieder, und wäre es in dem Roman Ulrich Plenzdorfs über einen HugenottenSpross, den es aus der DDR-Provinz in die Osthälfte der geteilten Stadt verschlagen hat. Man könnte, wäre dies nicht zynisch, dem Sonnenkönig hierzulande gar nicht genug danken, dass er 1685 das Edikt von Nantes aufhob und die erneuter Verfolgung ausgesetzten französischen Protestanten zum Exil zwang. Was wäre allein der Berliner Zungenschlag ohne die sprachlichen Anleihen bei den Neubürgern, die der Große Kurfürst hier mit offenen Armen empfangen hatte, voller Hoffnung, dass mit ihrer Hilfe seinem Brandenburg und der Residenz an der Spree endlich der kulturelle und wirtschaftliche Anschluss an Europa gelingen werde. Nicht jeder hiesige Handwerksmeister hat sich über die Konkurrenz damals gefreut.

Der erste Franzose in Berlin? Leider nicht Asterix, der die Goten zu einem Zeitpunkt besuchte, als an eine Stadt dieses Namens noch lange nicht zu denken war. Der Orden der Tempelritter könnte angesichts seiner französischen Wurzel als Berliner Ur-Franzosen vielleicht durchgehen: Im angehenden 13. Jahrhundert machte er sich hier breit, der Name Tempelhof zeugt davon. Auch die Franzosenkrankheit, heute Syphilis genannt, sei hier nicht verschwiegen, im 15. Jahrhundert angeblich durch französische Söldner in ganz Europa verbreitet und dabei gewiss auch in Berliner Badehäuser verschleppt.

Drei Jahrhunderte später sah die Sache schon wieder anders aus, da genoss alles, was aus Frankreich kam, immens hohes Ansehen, gerade bei Hof. 1750 besuchte der Philosoph Voltaire Potsdam und Berlin, eingeladen von Friedrich II., der die französische Sprache der deutschen ohnehin vorzog und nun auf regen Austausch mit dem Philosophen hoffte. Das klappte knapp drei Jahre, dann trennte man sich im Streit.

Dass Voltaires Landsmann François Blanchard deswegen den Berlinern auf den Kopf gespuckt hätte, wird man aber ausschließen dürfen. Gelegenheit hätte er gehabt. Am 27. September 1788 war er im Heißluftballon der erste Mensch im Himmel über Berlin.

Nicht sehr galant benahm sich Napoleon, als er 1806 durchs Brandenburger Tor einzog. Die Quadriga gefiel ihm so gut, dass er sie gleich mitnahm. Mit dem Kampf gegen die französische Besatzung schwappte auch der Nationalismus hoch, was bis weit ins 20. Jahrhundert hinein fürs deutsch-französische Zusammenleben fatal war. Die Franzosen galten als Erbfeind, erst nach dem Zweiten Weltkrieg sollte sich das ändern. Frankreich wurde Urlaubsland, und wem das zu teuer war, der vergnügte sich Jahr für Jahr beim Deutsch-Französischen Volksfest, sah sich im Maison de France frankophone Filme an oder rief bei der Berlinale verzückt: Her mit den kleinen Französinnen! Und wenn auch das französische Kulturkaufhaus fnac das Feld wieder räumen musste und seine Kopie des „Denkers“ von Rodin mitnahm – die Käseabteilung in den Galeries Lafayette ist Trost genug.

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