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DDR-Ausstellung in der Kulturbrauerei: Es war nicht alles gut

Wer hätte das gedacht? Es gibt noch DDR-Ausstellungen, die überraschen können in ihrer Vielfalt. In der Kulturbrauerei ist nun eine zu sehen.

Von David Ensikat

Wer aus dem Osten kommt und nicht dort feststeckt, der kennt das gut: „Boah, echt, aus der DDR?“ – Schweigen. Der andere überlegt jetzt. Was ihn am meisten interessiert, die Stasi-Kontakte kann er nicht sofort abfragen – zu plump. Also ein bisschen allgemeiner: „Wie war’s denn so, da drüben?“

Tja, was soll man da sagen? Die Frage nach den Stasi-Kontakten wäre leichter zu beantworten.

Ähnlich dürfte es Museumsleuten gehen, die eine Ausstellung über „den DDR-Alltag“ herzustellen haben. Gab es den denn überhaupt? Die DDR soll es mal gegeben haben, 40 Jahre lang, an die 17 Millionen sollen zum Schluss darin gelebt haben, jeder seinen Alltag, täglich anders. Jetzt können die Überlebenden und alle, die das sonst noch wissen wollen, sehen, was den offiziellsten Museumsleuten des Landes dazu einfällt. Die „Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“ hat ein neues Museum eröffnet: „Alltag in der DDR“ in der Kulturbrauerei, Prenzlauer Berg, in jenem aufgedonnerten Teil Ost-Berlins, in dem jegliche DDR-Vergangenheit am leichtesten zu leugnen wäre. War hier was?

Im Erdgeschoss begrüßt uns ein Ensemble, das die weitere Leugnung nahelegt, eine Büsten-Polonaise vor Plakatwand und dem Spruch: „Von der Sowjetunion lernen, heißt siegen lernen“. So könnte auch ein ostalgisches Café in der näheren Umgebung seine Besucher belustigen.

Dann geht es eine enge Wendeltreppe hoch (das Haus ist für eine Brauerei gebaut, nicht für ein Museum), und wer sich jetzt nach rechts wendet, betritt den Teil „Konsum und Mangel“. Oben drei Plakate, „das schaffen wir“, „das packen wir“, „das schützen wir“, darunter die Losung „Arbeite mit! Plane mit! Regiere mit!“ – Zeug, das mit DDR-Alltag etwa so viel zu tun hat wie Alete-Werbung mit dem West-Alltag. Darunter, endlich: Alltag. Ein paar Dutzend großartige Schwarz-Weiß-Fotos, die eigentlich alles sagen. Die sind das Beste an der ganzen Ausstellung, schon wegen denen lohnt es sich unbedingt hierherzukommen! Sie zu beschreiben, ist ungefähr so sinnvoll, wie jede kurze Antwort auf die Frage „Wie war’s denn so?“

Der Trabant wurde über Ebay ersteigert

Aber man kann beschreiben, warum es sich auch lohnt, noch weiter durchs Museum zu gehen, und warum das etwas länger dauern könnte. Es sind so viele Dinge zu entdecken, die mit Gewinn genauer anzusehen sind. Denn das, was hier gezeigt wird, ist nicht einfach zusammengetragen worden, um einen schaurigen Eindruck von DDR-Design und -Propaganda zu vermitteln. Natürlich gibt es die skurrilen DDR-Verpackungen zu sehen und Speisekarten aus der HO-Gaststätte („Zuschlag 0,15 M f. neue Kart.“) und Kaufhallen-Einkaufswagen (wie winzig die waren!). Aber da stecken überall Kladden mit abgelichteten Dokumenten, die viel mehr erzählen. Wo es um die Versorgung geht, findet sich ein Schreiben des obersten Planungskommissars aus dem Jahr 1989 über die verzweifelte wirtschaftliche Lage der DDR. Den hohen Herren war ja bekannt, dass die DDR quasi bankrott war. Wo es ums Wohnen geht, findet sich das aufschlussreiche Protokoll der Versammlung einer „Hausgemeinschaft“. Da gibt es überraschend offene Dokumentarfilmstücke und bemerkenswerte Aufsätze von Magdeburger Achtklässlern aus dem Jahr 1985, wie sie sich das Leben im Jahr 2010 vorstellen („Ich sehe mich schon an einem großen Schreibtisch, bei einem Multimillionär, als Sekretärin“). Natürlich steht da auch ein Trabant (den haben die Kuratoren über Ebay ersteigert). Er hat ein Dachzelt obendrauf, und es wird die Geschichte des Mannes erzählt, der diese Dachzelte in Kleinproduktion herstellte – seine Adresse: „Straße der O.d.F. 54“ (O.d.F. für Opfer des Faschismus).

Wer nur blass-bunte Alltagsdinge und grell leuchtende Losungsbänder sucht, wird sie hier finden, wer genauer hinguckt, findet so viel mehr. Den Vorwurf, ein betuliches „Es war nicht alles schlecht“-Bild von der DDR zu zeichnen, kann man ganz bestimmt nicht machen. Überall wird der Anspruch auf Kontrolle und Erziehung durch Partei und Staat thematisiert. Ausgerechnet im sogenannten „Bohème-Raum“, einem Nest der Unangepassten mit durchgesessener Couch und Büchern von Christa Wolf bis Karl May, gibt es eine Art Durchreiche. Nur dass da Abhörwanzen drin zu sehen sind (wie groß die waren!).

Es geht ums Nebeneinander von Staat und privaten Nischen

Wie war’s denn so – die Frage beantwortet dieses Museum weder mit einem harschen Urteil zu Diktatur und Stasi noch mit Ostalgie. Es geht um das Nebeneinander von staatlichem Anspruch und privater Nische in den siebziger und achtziger Jahren. Wer das noch miterlebt hat, fühlt sich zuweilen etwas komisch: Haben sie nur vergessen, mich in Formaldehyd einzulegen? So ein FDJ-Hemd hinter Plexiglas hat man noch selbst getragen. Über ein Westpaket, das sie hier in der Vitrine ausstellen, vor Staub und Fingern gut geschützt, hat man sich wahnsinnig gefreut. Ist das wirklich so lange her?

Von einem Mangel an Aufklärung über die DDR-Mangelwirtschaft kann längst keine Rede mehr sein. Seit etlichen Jahren gibt es das private DDR-Museum neben dem Berliner Dom. Das Haus der Deutschen Geschichte betreibt in Bonn die große Schau, in Leipzig ein eigenes DDR-Museum, das sich mehr den Themen Diktatur und Widerstand widmet, es gibt die Ausstellung im Tränenpalast an der Berliner Friedrichstraße über die Deutsche Teilung – und nun dieses Museum mit wechselnden Zusatzausstellungen. Es war ein langer Weg hierhin, da mussten Gremien abstimmen, Kommissionen tagen, Mietverträge ausgehandelt werden; das hat sich seit 2005 hingezogen. Aber auf die Frage, wie’s denn nun gewesen sei, im Osten damals, antwortet man schließlich auch nicht ohne Zögern.

Dauerausstellung „Alltag in der DDR“ im Museum in der Kulturbrauerei, Knaackstraße 97, Di–So 10–18 Uhr, Do 10–20 Uhr, Eintritt frei.

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