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Bezahlbar. Bis 2021 soll es für das Berliner Trinkwasser keine Tariferhöhung geben.

© Roland Weihrauch/dpa

Chef der Berliner Wasserbetriebe im Interview: Berlins Wasserpreise bleiben stabil - vorerst

Der Chef der Berliner Wasserbetriebe über Rohrbrüche, Großbaustellen und Schätze im Untergrund. Außerdem hat Jörg Simon eine gute Nachricht für die Kunden.

Tagesspiegel: Herr Simon, erst die Überschwemmung am Rathaus Schöneberg, dann der Schaden mit monatelangem Chaos in Tempelhof, plötzliche Vollsperrungen am Treptower Park und in der Invalidenstraße, jetzt die Havarie an der Landsberger Allee: Häufen sich gerade die großen Rohrbrüche, Herr Simon?

Jörg Simon: Es gab in der Tat ein paar prominente Rohrbrüche, aber von der Anzahl her sind es nicht mehr als in den Vorjahren, also etwa 600 im Jahr. In den 1990ern, als viel gebaut wurde, waren es deutlich mehr.

Früher schienen Rohrbrüche ein saisonales Problem, wenn im Winter der Boden abwechselnd gefror und taute. Jetzt scheinen sie sich mehr übers Jahr zu verteilen.

Das Winterphänomen gibt es, weil bei Temperaturschwankungen der Boden stärker arbeitet. Aber unser Rohrnetz wird rund ums Jahr vor allem durch den Lkw-Verkehr enorm belastet. Dass der Wassergebrauch wieder zunimmt, also mehr durchs Netz gepumpt wird, dürfte auch eine Rolle spielen.

Befindet sich Ihr Netz in ähnlichem Zustand wie die Berliner Verwaltung: kaputtgespart und überaltert?

Nein, das lässt sich auch belegen: Mit drei, vier Prozent Wasserverlust liegen wir im Vergleich zu anderen deutschen Städten klar im unteren Bereich, von anderen EU-Ländern gar nicht zu reden. Bei der Zahl der Rohrbrüche stehen wir ähnlich gut da. Und wir erneuern und sanieren jährlich rund 140 Kilometer und legen jetzt auch noch eine Schippe drauf …

… was rechnerisch trotzdem bedeutet, dass Sie erst nach 120 Jahren einmal durch sind.

Jörg Simon, Vortsandsvorsitzender Berliner Wasserbetriebe Foto: Kai-Uwe Heinrich
Jörg Simon, Vortsandsvorsitzender Berliner Wasserbetriebe Foto: Kai-Uwe Heinrich

© Kai-Uwe Heinrich

Ja, aber das reicht eben auch. Unser Netz ist ja nicht insgesamt in schlechtem Zustand, sondern die Probleme konzentrieren sich auf einige schwierige Stellen. In aller Regel sind das die großen Hauptstraßen, unter denen aber auch unsere größten Leitungen liegen.

Wie am Tempelhofer und Mariendorfer Damm, wo eine der teils über 100 Jahre alten Abwasserdruckleitungen brach.

Dort hatten wir wegen der absehbaren Verkehrsprobleme bisher keine Genehmigung zum Bauen bekommen. Aber demnächst wird es ja angegangen – erstmals als koordinierte Aktion aller Leitungsbetreiber, also Wasser, Strom, Gas, Telefon und der BVG, deren U6 dort fährt. Nun muss noch geklärt werden, ob dort, aber auch an anderen wichtigen Hauptstraßen, rund um die Uhr gebaut werden kann. Das würde viel Zeit sparen. Bisher ginge das nur mit Ausnahmegenehmigung. Wir werden uns um so eine Lösung für die Magistralen bemühen.

Weil der Te-Damm so wichtig ist, hat Ihnen die Verkehrslenkung angeblich nicht erlaubt, Ihre Rohre schon vor der ersten großen Havarie zu erneuern?

Ich will niemandem den Schwarzen Peter zuschieben. Entscheidend ist, dass wir jetzt einen Plan haben und dass alle Beteiligten mitziehen. Wir sind übrigens mit Verkehrsstaatssekretär Kirchner und der Verkehrslenkung in sehr guten Gesprächen, damit alle sich besser abstimmen, statt wie bisher oft auf den jeweils anderen zu zeigen. Das sind wir den Bürgern auch schuldig.

Die am Tempelhofer Damm ist die erste koordinierte Großbaustelle, und sie kommt erst 2022. Das für genau solche Abstimmungen geschaffene Portal „Infrest“ gibt es aber schon seit 2006. Das klingt nicht gerade nach einer Erfolgsgeschichte.

Dieses Portal musste ja erst mal aufgebaut und mit Daten gefüttert werden. Vielleicht hätte man es schneller schaffen können – vor allem, wenn man ein Stadtwerk gehabt hätte, das verschiedene Leitungsbetreiber unter seinem Dach vereint.

Ist insgesamt eher das Trinkwasser- oder das Abwassernetz besser in Schuss?

Problematisch sind eher manche Abwasserkanäle in den östlichen Bezirken. Die korrodieren, weil die Substanz teilweise schlecht ist und weil deutlich weniger durchfließt als früher. Und wenn das Abwasser zu langsam fließt, passieren biochemische Prozesse schon in der Leitung statt erst im Klärwerk. Das riecht man und man sieht es auch den Kanälen an, vor allem denen aus Beton. Wir haben in Berlin schon mehr als 10.000 Schäden beseitigt. Bis 2022 wollen wir durch sein.

In fünf Jahren ist also das Berliner Abwassernetz durchrepariert?

Ja, bis dahin sind die bis 2016 erkannten größeren Schäden behoben. Wir haben ja seit dem Jahr 2000 gezielt das gesamte Netz mit Kameras befahren. Und allgemein sind Schäden an Abwasserkanälen für den Verkehr weniger dramatisch.

Wo Sie Kanäle grabenlos sanieren, also neue Leitungen in die alten Hüllen schieben, muss deutlich weniger gebuddelt werden. Kann uns diese Technik irgendwann alle Ihre nervigen Großbaustellen ersparen?

Trinkwasser kommt scheinbar aus der Wand. Immer. Aber dahinter steckt eben eine Mega-Infrastruktur mit fast 19.000 Kilometern Rohren und Kanälen. Ein Riesen-Schatz. Der muss aber in Schuss gehalten werden. Wie ein Haus. Da gibt’s immer was zu erneuern oder zu sanieren. Weil unser Haus aber für viele unsichtbar unter den Straßen liegt, stört jede Arbeit daran – ob planmäßig oder durch einen Schaden initiiert – den Verkehr. Deshalb bauen wir, wo es geht, grabenlos. Wir sind schon bei 60 bis 70 Prozent und werden das zunehmend machen, zumal wir wissen, dass die Technik – harzgetränkte Glasfasermatten werden auf einem Schlauch in den Kanal geschoben und unter UV-Licht ausgehärtet – 50 Jahre hält. Aber wenn ein Kanal zerstört ist, muss er eben komplett erneuert werden. Und im Trinkwasserbereich lassen sich zwar teilweise neue Rohre durch die alten ziehen, aber längst nicht überall. Außerdem würden sie irgendwann innen zu klein.

Auf welche stauträchtigen Großbaustellen müssen sich die Berliner als nächstes gefasst machen?

Nach den Sommerferien legen wir an der Treskowallee am Bahnhof Karlshorst los, wo auch die BVG die Straßenbahngleise neu verlegen will. Das wird alles in allem zwei Jahre dauern. 2018 fangen wir an der Kreuzung von Greifswalder und Danziger Straße an, wo zwei große Trinkwasserleitungen unter den Schienen liegen. Nicht auszudenken, wenn da mal ein Rohr bricht. Und etwa ab 2020 werden wir große Versorgungsleitungen und Abwasserrohre an der Landsberger Allee erneuern müssen.

Und wann ist die nächste Preiserhöhung für die Wasserkunden fällig?

Wir planen keine. Ich denke, dass wir unsere Tarife mindestens bis 2021 konstant halten können – zumal wir dank der wachsenden Stadt auch mehr Umsatz machen, sodass wir unsere Investitionen aus dem eigenen Budget finanzieren können.

Jörg Simon ist seit Ende 1999 Vorstandvorsitzender der damals gerade teilprivatisierten Berliner Wasserbetriebe. Zuvor arbeitete der Ingenieur in verschiedenen privaten Energie- und Versorgungsunternehmen. Simon ist 55 Jahre alt, stammt aus Nordrhein-Westphalen und hat drei Kinder.

Die Berliner Wasserbetriebe stehen exemplarisch für wechselnde politische Prioritäten: 1999 verkaufte das Land je 24,95 Prozent der BWB-Anteile an die Konzerne Veolia und RWE. Deren Renditeforderungen galten als wesentlicher Grund für die dreistelligen Millionengewinne, die die BWB mit dem Geld ihrer Kunden erzielten. 2012 und 2013 kaufte Berlin die Anteile von RWE und Veolia zurück. Auch wurden die Tarife gesenkt. Hoch profitabel sind die Wasserbetriebe mit ihren noch knapp 4400 Mitarbeitern nach wie vor. Im Juni 2014 wurde die Berliner Stadtwerke GmbH als Tochter der BWB gegründet. Sie soll als lokaler Ökostromanbieter die Energiewende forcieren. (obs)

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