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Bei seinem Berlin-Besuch 1930 ließ sich Buster Keaton bereitwillig auf dem Potsdamer Platz fotografieren.

©  Stiftung Deutsche Kinemathek

Buster Keaton in Berlin: Ein Mann, eine Miene

Vor 100 Jahren begann Buster Keatons Filmkarriere. Zweimal war er auch in Berlin zu Gast – und hat hier sogar gelacht. Nun widmet ihm das Kino Babylon eine Reihe.

Der Polizist ließ sich nicht abschütteln, wohin Buster Keaton sich auch wandte. Seine Frau Natalie hatte es vorgezogen, in ihrem Hotel, dem Esplanade am Potsdamer Platz, zu bleiben. Die Unruhe auf den Straßen, am Vorabend der Reichstagswahl vom 14. September 1930 mit dem erdrutschartigen Erfolg der NSDAP, war ihr nicht geheuer. Ihr Mann aber war losspaziert – und sah sich plötzlich von der Staatsgewalt verfolgt. Irgendwann wurde es ihm zu bunt, er drehte sich um: „Well?“ Aber der Schupo hatte nur eine Frage: „Bitte, Sie sind der berühmte Herr Keaton, nicht wahr?“ Ein Autogrammjäger in Uniform. Sein Wunsch wurde erfüllt.

Es ist nicht überliefert, ob Buster Keton dabei gelächelt hat. Ansonsten muss er sich während der fünf Tage in Berlin gut amüsiert und dies auch, anders als auf der Leinwand, mimisch zum Ausdruck gebracht haben. Ja, er habe sogar gelacht, wurde in den Berliner Blättern mehrfach registriert, zum ersten Mal angeblich, „als er im Berliner Esplanade einen B.Z.-Journalisten sah“, wie der „Film-Kurier“ boshaft notierte.

"Du bist verrückt"

Die dreimonatige Europa-Reise des Ehepaars Keaton, die sie nach England, Frankreich, Deutschland und Spanien führte, fällt zeitlich ziemlich genau zusammen mit dem wichtigsten Einschnitt in der Karriere des Komikers, die vor fast genau 100 Jahren mit „The Butcher Boy“ begann.

Im Jahr zuvor hatte er mit „Spite Marriage“ seinen letzten, später mit Musik unterlegten Stummfilm gedreht – und zugleich mit „The Hollywood Revue of 1929“ seinen ersten Tonfilm, in dem er das durch Gene Kelly dann so berühmt gewordene Lied „Singin’ in the Rain“ sang. In der von MGM für den deutschen Markt gefertigten Fassung „Wir schalten um nach Hollywood“ sagt Keaton sogar einen deutschen Satz: „Du bist verrückt.“ Sie hatte am 10. Juni 1931 im Capitol am Zoo Premiere, dort, wo sich heute das Bikini-Haus befindet.

Im Gloria-Palast sah Keaton "Die Drei von der Tankstelle"

Aber im Herbst 1930 kannten ihn die Berliner nur als stummen Star mit stoischer Miene, der bereits am Abend seiner Ankunft stürmisch gefeiert wurde: Die Ufa hatte den Berlin-Besucher im Gloria-Palast am Kurfürstendamm zu einer Probevorstellung der Tonfilm-Operette „Die Drei von der Tankstelle“ eingeladen. An dessen Drehort, an der Potsdamer Chaussee Ecke Lindenthaler Allee in Zehlendorf, befindet sich übrigens noch immer eine Tankstelle.

Die Europa-Reise der Keatons sollte nur der Erholung dienen, ganz kam der Schauspieler um berufliche Verpflichtungen aber nicht herum. So ließ er sich zu einem Pressegespräch im Esplanade beschwatzen – und versetzte die Journalisten schon durch sein Auftreten in Erstaunen, so auch den Reporter des „Berliner Börsen-Couriers“: „Und dann steht er plötzlich mitten im Raum, pfeift durch die Zähne und lacht. Wahrhaftig, er lacht!

Ein Gesicht voller Falten und Rillen

Sein Gesicht, das gar nicht klassisch glatt ist, wie wir immer dachten, sieht wie eine Landkarte aus, wo sie am gebirgigsten ist – so viele Falten und Rillen hat es.“ Auch Keatons Markenzeichen war Thema, das selbst bei großartigsten Glücksmomenten und haarsträubendsten Widrigkeiten versteinerte Gesicht, das seine „Note schon beim Varieté“ gewesen sei: „Als ich mal in einem Film eine kurze Passage lang lachte, mussten wir das nach der Vorschau schon herausnehmen: Die Leute lachen nur über mich, wenn ich ernst bleibe!“

Ob er durch den Tonfilm an Chancen gewonnen habe, könne er noch nicht sagen, auf jeden Fall habe er es einfacher als Greta Garbo: Wenn die plötzlich singe, wirke das anorganisch. „Ich kann mir da jedes Experiment erlauben – schlimmstenfalls wird es mir unfreiwillig komisch ausgelegt.“ Wen er für den größten deutschen Filmschauspieler halte, wurde Keaton auch gefragt. Für die Antwort musste er nicht nachdenken: „Emil Jannings.“ Der hatte ein Jahr zuvor den ersten Oscar als bester Schauspieler gewonnen.

Mit „Der General“ startet die Filmreihe im Babylon.
Mit „Der General“ startet die Filmreihe im Babylon.

©  Park Circus

Auch bei einem Besuch in den Ufa-Studios in Potsdam-Babelsberg hat man Buster Keaton wiederholt lachen gesehen. Besonders die Tonfilm-Anlage interessierte ihn. Ähnliches hatte er in England und Frankreich gesehen, aber mit den Ufa-Tonfilm-Einrichtungen, so wurde er in „Der Film“ zitiert, sei „nichts zu vergleichen“. Er hatte sogar Gelegenheit, die Technik im Einsatz zu bestaunen, wohnte den Dreharbeiten unter anderem zur Ehekomödie „Einbrecher“ bei, zu der Friedrich Hollaender die Musik schrieb.

Seine Begegnung mit dem Komiker beschrieb der Komponist so: „Das römische Profil Buster Keatons, gerade zu Besuch in Europa, saß neben mir, am Klavier, wie weiland von Sternberg, und schaute mir auf die Finger. Das schöne, steinernste Gesicht zog die Augenbrauen einen ganzen Zentimeter in die Höhe, als sähe es Mäuse auf den Tasten.“ Für Hollaender eine besondere Begegnung: Zwei Jahre zuvor hatte er den Foxtrott „Meine Schwester liebt den Buster“ geschrieben.

Beim Berlin-Besuch 1962 machte Keaton Reklame für seinen Film "Der General"

Mehr als drei Jahrzehnte später war der Mann mit der versteinerten Miene noch einmal in der Stadt, wieder mit Ehefrau, der dritten, Eleanor mit Namen. „Der amerikanische Filmschauspieler Buster Keaton wird heute Abend in Berlin erwartet“, meldete der Tagesspiegel am 17. Februar 1962. Anlass war die Wiederaufführung seines berühmten, anfangs jedoch erfolglosen Films „Der General“. Zu Reklamezwecken hatte Keaton schon eine Tour durchs Bundesgebiet hinter sich, mit einer alten Lokomotive. Wenige Tage später war er Ehrengast eines Filmballs im Hilton-Hotel, dem heutigen Interconti.

Seit einem halben Jahr teilte die Mauer Berlin, die Hamburger Flutkatastrophe lag wenige Tage zurück – gefeiert wurde trotzdem, schließlich war es ein Wohltätigkeitsball zugunsten der Künstlernothilfe. Keaton platzierte man direkt am Saaleingang, jeder Besucher musste an dem Gast vorbei, dessen Mimik zur Lage des Landes so gut passte. Und auch eine offizielle Ehrung wurde Keaton bei seinem zweiten Berlin-Besuch zuteil: Empfang beim Regierenden Bürgermeister Willy Brandt im Rathaus Schöneberg, samt Eintragung ins Gästebuch der Stadt. Zur Erinnerung gab es eine königlich-preußische Bärenplastik.

Eine Buster-Keaton-Filmreihe im Babylon

Am 23. April 1917 hatte „The Butcher Boy“, der erste Film mit Buster Keaton, in den USA Premiere. Daher startet das Kino Babylon am Rosa-Luxemburg-Platz an diesem Sonnabend in der Reihe „Stummfilm um Mitternacht“ eine Staffel mit Filmen des Komikers. Bis zum 1. Juli werden jeweils in der Nacht zu Sonntag um 0 Uhr Keaton-Stummfilme gezeigt, begleitet an der Kinoorgel von Anna Vavilkina. Der Eintritt ist frei. Insgesamt stehen zwölf Spiel- und 19 Kurzfilme auf dem Programm, aus den Jahren 1920 bis 1929, der wichtigsten Schaffensperiode Keatons.

Den Anfang macht „Der General“ (1926), ein Railroad-Movie aus der Zeit des Amerikanischen Bürgerkriegs, in dem Keaton als Lokomotivführer die titelstiftende, von Unionstruppen gestohlene Lok in einer ebenso dramatischen wie komischen Verfolgungsjagd zurückholt – aus patriotischen Gründen, aber mehr noch, um vor seinem Mädchen nicht als Feigling zu gelten. Am 27. Mai wird „Spite Marriage“, Keatons letzter Stummfilm, gezeigt. Alle Infos unter www.babylonberlin.de/stummfilme.htm

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