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Hoch oben im Norden von Berlin-Spandau: Bork Melms in seinem "Bootshaus".

© Kitty Kleist-Heinrich

Bork Melms in Berlin-Haselhorst: Propaganda in Spandau: Wie der Partyveranstalter ins Idyll zog

Vom "Goya" nach Haselhorst: Bork Melms, 38, belebt ein Ausflugslokal am Kanalufer in Spandau. Was will der da? Ein Besuch vor Ort.

Von einer Holzscheibe aus starrt ein Hecht in den Raum. An der Wand hängt der Fischkopf wie das Geweih beim Jäger. Daneben ein Steuerrad, Bojen, Muscheln und Flaschenschiffe.

Willkommen in Berlin-Spandau, Ortsteil Haselhorst. Hier zwischen Schifffahrtskanal, Radwanderweg und dem Naturschutzgebiet für Biber hat Bork Melms ein Lokal eröffnet. Der Name: "Bootshaus Haselhorst".

1500 Leute feierten im Goya am Nollendorfplatz

Bork Melms ist kein Unbekannter in Berlin, und deshalb ist dieses Engagement im gemütlich-idyllischen Haselhorst dann doch etwas überraschend. Melms, 38 Jahre alt, war jahrelang Veranstalter vieler angesagter Partys in Berlin. Er war Gastgeber der "Propaganda"-Partyreihe, lud zu den "Gaywiesen" und feierte einst mit 1500 Menschen im legendären "Goya" am Nollendorfplatz in Berlin-Schöneberg.

"Ich werde auch nicht jünger"

Jetzt also Haselhorst (16.000 Einwohner), Bootshausweg 1. „Ich werde auch nicht jünger. Ich liebe das Partygeschäft aber trotzdem muss ich für mich und meine Familie an die Zukunft denken“, sagt Melms. Heute arbeitet er auch weiter über seine Agentur „Mandelbaum“ im Veranstaltungsgeschäft. Ändern will er das auch erstmal nicht; allerdings ist es mit der Idee "einer Ausflugsgastronomie zum bodenständigen Entschleunigen“ in den Hintergrund gerückt.

Borke Melms und sein Ausflugslokal "Bootshaus Haselhorst" im Bootshausweg 1 in Berlin-Spandau, aufgenommen am 10. Februar 2017. Foto: Kitty Kleist-Heinrich
Borke Melms und sein Ausflugslokal "Bootshaus Haselhorst" im Bootshausweg 1 in Berlin-Spandau, aufgenommen am 10. Februar 2017. Foto: Kitty Kleist-Heinrich

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Dabei kennt die unscheinbare Ecke jeder in Berlin - von oben. Denn die Einflugschneise zum nahe gelegenen Flughafen Berlin-Tegel liegt nur wenige Meter entfernt, die TXL-Maschinen donnern oben hinweg. Und auf der anderen Seite des Alt-Berlin-Spandauer Schiffahrtskanals liegt eine der Zukunftsflächen Berlins. Dort sollen einmal 10.000 Menschen hinziehen, wo heute noch Industriebauten stehen.

Nebenan entsteht ein Wohnviertel für 10.000 Berliner

„Spandau war Zufall, ich habe am Stadtrand gesucht. Ich will langfristig bleiben und keine horrende Miete zahlen“, sagt der 38-jährige Melms. „Als ich das verwilderte Grundstück zum ersten Mal betrat, war zwar vom Haus kaum noch was zu sehen, aber ich wusste, dass es mein nächstes Projekt ist.“ Schon vor Melms Zeit war es ein Gastronomiebetrieb. Ganz am Anfang eine Mischung aus Kneipe und Kuchenstube, dafür kaufte Johannes Zablewski das Grundstück. Dann vermieteten dieser unter, zuletzt an Melms.

„Wir machen einiges anders als unsere Vorgänger“, sagt er; im Hintergrund laufen Oldies, „Come on let's twist again“, tönt es dezent aus den Lautsprechern. „Wir haben alles ausgeräumt, nur Lampen und die alte Holztheke behalten.“ Eigentümer bleibt Zablewski, 84 Jahre alt und hilft stets wo er kann. Bei der Renovierung stand er auf dem Dach und schaut selbst bei Minusgraden jeden Tag nach der Ordnung.

Berlin Goya ehemaliges Metropol am Nollendorfplatz wird jetzt von für Veranstaltungen genutzt Foto: doris spiekermann-klaas
Berlin Goya ehemaliges Metropol am Nollendorfplatz wird jetzt von für Veranstaltungen genutzt Foto: doris spiekermann-klaas

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Die ältere Dame will Bockwurst - die hat er aber nicht

Bork Melms erinnert sich an eine der ersten Kundinnen. Mit Rollator käme sie jede Woche die ländliche Straße runter. „Die Dame schaut nie in die Karte. Früher aß sie wohl immer Bockwurst, das haben wir aber nicht. Sie verlangt sie trotzdem - bekommt aber einen Strammen Max“, sagt er und meint damit den bürgerlichen Graubrot-Klassiker mit Schinken und Spiegelei. Wenn sie danach noch Appetit habe, nicke sie und bekäme Kuchen, Kaffee und Kirschschnaps. Melms lacht. „So macht das Gastronomiegeschäft Spaß.“

Melms ist in Stralsund im Haus mit Garten aufgewachsen, hat dort seine erste Fete organisiert ("Die Jungs lagen in der Hecke, der Rasen war ramponiert, und ich dachte nur: Heute bringen mich meine Eltern um.“), aber: „Die Arbeit, wie eine Dunggrube zu leeren und den Geruch Gästen zu erklären, das kenne ich aus Stadt und von Veranstaltungen in Berlin nicht mehr – es bleibt eine Herausforderung.“ Notfalls rufe er Herrn Zablewski, der wisse weiter.

1928-2015: So hat sich Haselhorst verändert

Die Gastronomie hat das Jahr über Dienstags bis Sonntags geöffnet. Sobald die Sonne rauskommt, wird auch der Außenbereich mit Liegestühlen, Gartenmöbeln und Europalletten auf Kies und Holzdielen genutzt. Für Kinder legt Melms im Sommer ein Beet an – einen Erlebnisgarten, wie er ihn nennt. Sie können an Kräutern riechen und erfahren, wie Gemüse wächst. „Im Bootshaus findet man neben gutbürgerlichen Essen auch Kaffeespezialitäten, eine Weinkarte; für Spandau immer noch sehr ungewöhnlich“, sagt Melms. Für die Zukunft hat er schon neue Ideen. Mit eingekochten Gerichten und Marmeladen will er im Frühjahr auf den Markt und im Sommer einen Fresskorb anbieten. Am Ufer vor dem Haus, können Boote anlegen und auf der angrenzenden Grünfläche könnte man picknicken.

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Lilith Grull

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