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Die Familie von Cäsar von Hofacker im Frühsommer 1944.

© Privatbesitz/GDW

Glauben und Widerstand im Nationalsozialismus: Erst Unterstützer, dann militanter Gegner

Cäsar von Hofacker wohnte in der Niklasstraße 12 in Zehlendorf. Er war einer der deutschen Offiziere, die den Umsturzversuch und das Attentat auf Adolf Hitler im Juli 1944 geplant und durchgeführt hatten. Im Dezember 1944 wurde er in Plötzensee hingerichtet.

Der Umsturz am 20. Juli 1944 war europaweit vorbereitet worden. In Paris war Cäsar von Hofacker die zentrale Person des Umsturzversuches. Er gehörte zu dieser Zeit zum persönlichen Stab des militärischen Befehlshabers in Frankreich General Heinrich von Stülpnagel. Im Unterschied zu anderen Zentren des Umsturzes wurden in Paris sogar Verbände der SS am 20. Juli 1944 unter anderem festgesetzt, mussten aber wieder freigelassen werden, nachdem klar war, dass Hitler das Attentat überlebt hatte.

Dass Cäsar von Hofacker einmal die zentrale Person des Umsturzversuchs am 20. Juli 1944 in Paris sein wird, war nach seiner Kindheit und Jugend und seiner beruflichen Herkunft als Prokurist der Vereinigten Stahlwerke, einem der größten Rüstungsproduzenten in der NS-Zeit, nicht zu erwarten. Er wurde 1896 geboren und wuchs in einer bekannten schwäbischen Familie auf.

Sein Vater wählte die militärische Laufbahn und wurde in dieser Zeit in den erblichen Adelsstand erhoben, am Ende des ersten Weltkriegs war er Generalleutnant und Träger des Ordens Pour le Mérite und, was erst viel später von Bedeutung werden sollte, er war der Divisionskommandeur des späteren Generalfeldmarschalls Erwin Rommel, des Oberkommandierenden der Westfront 1944. Seine Mutter stammte aus der preußischen Adelsfamilie Üxküll-Gyllenband. Darüber wurde er zu einem Vetter von Claus und Berthold Schenk von Staufenberg. Sein Onkel war Nikolaus Graf von Üxküll-Gyllenband, zu seinen Freunden aus Jugendtagen gehörte Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg, alles Mitglieder preußischer Adelsfamilien, von denen viele am 20. Juli aktiv beteiligt waren.

Cäsar von Hofacker war in seiner Studentenzeit ein aktives Mitglied des Deutschen Hochschulrings (DHR), einem Sammelbecken nationalistischer und völkischer Studentenorganisationen. Er agitierte gegen die Weimarer Republik, trat für „die wahre Volksgemeinschaft“ ein und lehnte „jede Formaldemokratie“ ab. Mit diesen Auffassungen vertrat er Positionen wie viele andere seiner späteren Mitverschwörer auch. Das gilt auch für Wilhelm Canaris, der wie Hofacker mit seiner Familie in Schlachtensee wohnte.

Schlachtensee wird dadurch kein Ort des Widerstandes und ist mit seinen gut einhundert Jahren auch kein historischer Ort. Dennoch ist von seinen Menschen viel zu erzählen, von den prominenten wie Willy Brandt und auch den nicht bekannten wie den Stillen Heldinnen. Bei diesen Frauen ist unter anderem auffällig, dass ihre innere Haltung ziemlich gradlinig und von Anfang an ablehnend gegenüber den Nazis war, während viele der Männer des militärischen Widerstandes anfänglich aktive Unterstützer und Wegbereiter des Nationalsozialismus waren. In Schlachtensee sind vor allem Admiral Wilhelm Canaris, der dem NS-Staat als Geheimdienstchef diente, und Cäsar von Hofacker zu nennen. Über Canaris wurde 2016 zu seinem Todestag im Zusammenhang einer Vortragsveranstaltung in der Schlachtenseer Johanneskirche im Tagesspiegel berichtet.

Erst Unterstützer des Dritten Reichs

Nach dem Jurastudium erhielt Cäsar von Hofacker verschiedene Posten in deutschen Industrieverbänden und entwickelte daraus eine erkennbar realitätsbezogenere Haltung, wenn er zum Beispiel schreibt, „dass gerade das Wohl des eigenen Volkes ... weise Mäßigung an Stelle starren Festhaltens an alten Dogmen erheischt, und dass eine, wenn auch mit Opfern erkaufte Verständigung für die Nation oft unendlich viel mehr Wert ist, als selbst der glänzendste ‚Waffensieg‘“. Aus dieser eher an langfristigen Interessen orientierten Haltung heraus, die ihn als Vertreter von deutschen Industrie-verbänden zeigt, wird auch verständlich, dass er nicht wie andere seiner Freunde 1933 mit fliegen-den Fahnen zur NSDAP wechselte, sondern sie beobachtend und unterstützend begleitete. Er stellte erst 1936 den Aufnahmeantrag und wurde erst 1937 in die Partei aufgenommen.

Cäsar von Hofacker hatte 1927 geheiratet und eine Familie gegründet, die im Laufe der Jahre zwei Söhnen und drei Töchter umfasste. 1934 wollte er wegen der „heutigen ungewissen Zeit“ (!) ein Haus „als Refugium in Zeiten der Not für Kinder und Enkel“ erwerben, gab dieses Vorhaben aber schon kurze Zeit später wieder auf, da „im Falles eines Sturzes des 3. Reichs als Erbe einzig der Kommunismus in Frage kommt“. Diese Haltung entstand bei ihm allerdings nicht aus Zweifel an der Idee des Dritten Reiches, wie er sie sah, sondern aus der Einsicht, „dass das 3. Reich noch lange nicht auf Erz gegründet und noch von 1.000 tödlichen Gefahren bedroht ist, ist selbstverständlich (wie) bei allen großen Staatsschöpfungen im Geburtsstadium“.

Cäsar von Hofacker, vermutlich zwischen 1940 und 1944.
Cäsar von Hofacker, vermutlich zwischen 1940 und 1944.

© Privatbesitz/GDW

Ein Jahr später schreibt er, dass seine Hauptsorgen auf innenpolitischem Gebiet liegen. Ihm fehlt „diejenige stahlharte innere Geschlossenheit der Nation, die mindestens genauso notwendig ist, um den Existenzkampf zu bestehen, wie die rein militärisch-technische Ausrüstung“. Seine Sicht auf die notwendige innere Situation beschreibt er mit den Worten: „Umso leidenschaftlicher predige ich aber jenen geistigen Sozialismus preußischen Stils, jenen Sozialismus der Haltung, der Schlichtheit, der Härte, wie er sich in der Person des Führers so wundervoll und in den Persönlichkeiten der Unterführer leider so wenig verkörpert.“ Für ihn war „der Nationalsozialismus das Geheimnis des innenpolitischen Sieges des 3. Reichs“. „Wenn wir nicht rechtzeitig nationale Sozialisten werden, wird uns spätestens der nächste Krieg alle zu Kommunisten oder einen Kopf kürzer machen“, so seine Worte.

Heute muten uns all diese aus ehrlicher Überzeugung geschrieben Worte als naiv und verblendet an. Damals kamen sie ihm und vielen seiner Mitverschwörer aus innerem Herzen. Vier Jahre später formuliert er seine Position allerdings schon anders und schreibt in einer Denkschrift für den Kreis seiner Freunde, dem „Grafenkreis“: Die durch die Münchner Konferenz im September 1938 eröffneten „Möglichkeiten wurden von der deutschen Politik bewusst nicht ausgenutzt, sondern ... durch die Pressekampagne gegen England, die Maßnahmen des 10. November 1938 und schließlich die Auflösung der Tschechei in ihr Gegenteil verkehrt“.

Gegen Kriegsvorbereitung und mörderischen Antisemitismus

Damit nennt von Hofacker die zwei wesentlichen Motive, die ihn und viele seiner Mitverschwörer spätestens ab diesem Zeitraum dazu brachten, sich gegen Hitler und damit auch gegen den NS-Staat zu stellen. Es ist zum einen die erkennbare Kriegsvorbereitungspolitik Hitlers, durch die für sie die Vernichtung ihres Vaterlandes drohte, und zum anderen der mörderische Antisemitismus der Nazis, der all ihren religiösen oder humanistischen Werten widersprach, weil er den Juden das Menschsein absprach.

Cäsar von Hofacker vor der Niklasstraße 12.
Cäsar von Hofacker vor der Niklasstraße 12.

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Ab diesem Zeitpunkt bewegt sich auch von Hofacker in Richtung Widerstand, vollständig eingebunden war er wohl erst ab 1943. 1938 war er schon als Luftwaffenoffizier reaktiviert worden. 1940, dem Jahr des Einzugs seiner Familie in das Haus in der Niklasstraße 12 (damals Chamberlainstraße), wechselte er auch auf eine Militärstelle in Paris. Seine frühere Tätigkeit als Prokurist der Vereinigten Stahlwerke machten ihn zum Leiter des Referats „Eisenschaffende Industrie und Gießereien“ in Frankreich. Er hatte nun das langersehnte „Refugium für Kinder und Enkel“ in Schlachtensee, war aber natürlich nicht mehr sehr häufig zu Hause. Sein Sohn, Alfred von Hofacker, der 1935 geboren wurde, erinnerte sich in den ersten Jahren nach 1945 an seinen Vater vor allem als „Urlaubsvater“, „der [wenn zuhause] ganz für uns da war; der uns Geschichten erzählte; und dessen Lachen mich heute noch begleitet“. Die Familien der Verschwörer des 20. Juli wurden in Sippenhaft genommen, die Frauen und älteren Kinder in Konzentrationslager gesperrt, die jüngeren Kinder in einem speziellen Kinderheim in Bad Sachsa festgesetzt. Die Gedenkstätte Deutscher Widerstand widmet diesem Thema aktuell eine Sonderausstellung und hat einen Katalog dazu veröffentlicht.

Enge Freundschaft zur Familie von Walther von Simson

In Schlachtensee bestand eine enge Freundschaft zwischen der Familie von Hofacker und der von Walther von Simson, der mit seiner Familie schon seit längerem schräg gegenüber in der Gilgestraße 7 (damals Böckelweg) wohnte. Die Familie von Simson hatte drei Kinder, die mit denen der Familie von Hofacker spielten und auch gemeinsam verreisten. Eine besonders enge Freundschaft bestand zwischen zwei der Töchter der Familien, die wohl auch gemeinsam die private Lehweß-Schule in der Von-Luck-Straße in Nikolassee besucht haben.

Anders als Cäsar von Hofacker war Walther von Simson ein aktiv gläubiger Christ und in der Bekennenden Kirche führend tätig. Er leitete den Gemeindebruderrat in Schlachtensee und war auch für den Landesbruderrat der Bekennenden Kirche in Berlin tätig. Am 1. März 1943 traf eine Bombe sein Haus und er und seine Familie wurden verschüttet. Zu den Nachbarn, die sofort zu dem Haus liefen und sich bemühten, die Verschütteten zu retten, gehörte auch die Familie von Hofacker. Es gelang eine Tochter der Familie von Simson zu retten, der jüngste Sohn überlebte, weil er zu diesem Zeitpunkt bei Verwandten in Ostpreußen war. Der Schlachtenseer Bruderrat beklagte den Tod unseres „verehrten Herrn Dr. von Simson, seiner Gattin und Tochter“ und lud mit einer gedruckten Karte die Gemeinde zur Beerdigung auf dem Friedhof der Jerusalems und Neuen Kirchgemeinde in Kreuzberg und zu einer Trauerfeier in der Johanneskirche ein. Die Familie von Hofacker wird wohl unter den Trauergästen gewesen sein.

Die Haltung von Cäsar von Hofacker zur Religion und zum Christentum wird im Mittelpunkt eines Vortragsabends am 21. Juli stehen. Das Verhältnis von Widerstand und Glauben ist bei den Verschwörern des 20. Julis unterschiedlich ausgeprägt. Eine verbindende Grundlage könnte wohl der Satz von Helmuth James von Moltke sein: „Der Grad der Gefährdung und Opferbereitschaft, der heute von uns verlangt wird und vielleicht morgen von uns verlangt werden wird, setzt mehr als gute ethische Prinzipien voraus.” Was dieses mehr ist und wie es sich bei Cäsar von Hofacker ausdrückte, wird Gegenstand des Vortrags von Prof. Dr. Gerhard Ringshausen sein, dessen Veröffentlichungen ich auch die wesentlichen Informationen zu Cäsar von Hofacker und die Zitate verdanke.

Prof. Dr. Gerhard Ringshausen (Lüneburg) wird am Freitag, 21. Juli, um 18 Uhr in der Johanneskirche Schlachtensee (Matterhornstraße 37, 14109 Berlin) einen Vortrag zum Thema „Widerstand und Glauben - Cäsar von Hofacker“ halten. Im Anschluss findet ein Gespräch statt.

Der Autor Dirk Jordan lebt in Schlachtensee. Sie erreichen ihn über seine Homepage.

Der Text erscheint auf dem Tagesspiegel-Zehlendorf, Ihrem digitalen Stadtteil- und Debattenportal aus dem Südwesten.

Dirk Jordan

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