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Im Sitzungssaal der BVV im Rathaus Zehlendorf geht es schon mal hoch her

© Anett Kirchner

BVV Steglitz-Zehlendorf: Michael Karnetzki in der Kritik: "Ätsch, bätsch, du hast es wieder falsch gemacht!"

Seit einem halben Jahr zieht sich das Besetzungsverfahren um die offenen Stellen im Hochbauamt hin, der Bezirkselternausschuss ist empört wegen nicht verbauter Gelder für die Schul-Sanierungen - auf der gestrigen BVV-Sitzung geriet Bezirksstadtrat Karnetzki von allen Seiten unter Druck.

Ein Monat Zeit bleibt Michael Karnetzki (SPD). Zeit, in dem der Bezirksstadtrat für Immobilien die noch offenen Stellen im Hochbauamt – oder, wie es richtig heißt, in der Serviceeinheit Facility Management - besetzen soll. Ein Verfahren, dass seit August 2014 läuft und aufgrund der Dauer heftig für Kritik sorgt. Diese Frist setzte der CDU-Fraktionsvorsitzende Torsten Hippe dem Bezirksstadtrat am Mittwochabend in der Juni-Sitzung der Bezirksverordneten. „Andernfalls werden wir das Bezirksamt auffordern, Michael Karnetzki den Geschäftsbereich Hochbau sukzessive wegzunehmen“, sagte Hippe. Ungewohnt ruhig. Ungewohnt ernst. Es schien, als habe er sich zu diesem konkreten Ansatz spontan entschieden. Auch seine eigene Fraktion wirkte überrascht.

Der Forderung ging eine stundenlange Diskussion voraus, die sich um eine Große Anfrage der CDU drehte, in der es hieß: Herr Karnetzki, warum müssen die Schüler unter Ihnen leiden und die Lehrer verzweifeln? „Es geht mir hier nicht um Parteiengezänk oder darum, jemanden schlecht zu machen“, erklärte Hippe weiter. Michael Karnetzki sei eine Fehlbesetzung und es tue ihm weh, zu sehen, wie das Bezirksamt mit sich ringe. „Irgendwann ist die Sorge zu groß, dass er dem Bezirk schadet“, fügte er hinzu. Daher sehe er keine andere Handlungsmöglichkeit.

Michael Karnetzki von der SPD ist Bezirksstadtrat für Immobilien. Er hat noch einen Monat Zeit, um die noch offenen Stellen im Hochbauamt zu besetzen
Michael Karnetzki von der SPD ist Bezirksstadtrat für Immobilien. Er hat noch einen Monat Zeit, um die noch offenen Stellen im Hochbauamt zu besetzen

© Anett Kirchner

Der SPD-Bezirksstadtrat war in den letzten Wochen und Monaten mehrfach in Kritik geraten; vor allem wegen nicht verbauter Gelder, die für die dringenden Schul-Sanierungen vorgesehen waren. Der Sanierungsrückstau an Schulen in Steglitz-Zehlendorf wird aktuell auf etwa 400 Millionen Euro geschätzt. Rund 800.000 Euro musste Karnetzki im letzten Jahr an das Land zurückgeben und begründete das selbst mit Personalengpässen. Nun, wo er die Chance hätte, Personal einzustellen, zieht sich das Verfahren in die Länge. Selbst in den Reihen seiner eigenen Partei verliert der Bezirksstadtrat langsam an Rückhalt. Von dort ist zu hören, dass man sich mehr Engagement bei der Stellenbesetzung von ihm gewünscht habe. Die Situation sei jetzt ärgerlich.

Auch der Bezirkselternausschuss (BEA) Schule ist empört und fordert in einem aktuellen, offenen Brief an die BVV-Fraktionsvorsitzenden die „sofortige Besetzung der Stellen im Hochbauservice, insbesondere die der leitenden Position des Fachbereichsleiters Hochbau.“ In dem Brief heißt es zudem: Der BEA Schule fordert die Umsetzung der für 2015 geplanten und bewilligten Baumaßnahmen aus dem Schul- und Sportstättensanierungsprogramm und der baulichen Unterhaltung termingerecht noch in diesem Jahr zu realisieren. Durch die Erfahrungen im letzten Jahr fehle der Elternschaft das Vertrauen, dass diverse Baumaßnahmen überhaupt in Angriff genommen würden. Somit sei zu befürchten, dass Gelder erneut verloren gingen.

Bezirksbürgermeister Norbert Kopp (CDU) ist unter anderem auch für den Bereich Personal im Bezirksamt zuständig
Bezirksbürgermeister Norbert Kopp (CDU) ist unter anderem auch für den Bereich Personal im Bezirksamt zuständig

© Anett Kirchner

Dass Torsten Hippe in der BVV-Sitzung plötzlich mit einem Lösungsvorschlag um die Ecke kam, war vermutlich nicht zuletzt auf das wiederholte, provokante Nachbohren von Eric Lüders, dem Fraktionschef der Piraten, zurückzuführen. Denn er sagte zuvor: „Ich höre hier immer nur leere Worte wie zum Beispiel eine Rücktrittsforderung, aber das sagen Sie doch nur, damit es morgen in der Zeitung steht.“ Damit sollten wohl die Versäumnisse der Vergangenheit übertüncht werden. Denn der Sanierungsstau sei nicht erst in den letzten Jahren entstanden. „Wenn Sie den Bezirksstadtrat für unfähig halten, können Sie ihn doch abwählen, schließlich haben Sie hier die Mehrheit im Plenum“, sagte Lüders und adressierte es an die Schwarz-Grüne Zählgemeinschaft. Er schlug zudem die Möglichkeit vor – was Hippe später aufnahm - die Geschäftsbereiche im Bezirksamt neu zu verteilen.

Äußerlich zwar ruhig, aber mit etwas zitternder Stimme reagierte Michael Karnetzki auf die Vorwürfe, indem er sagte, dass nicht die Bezirksverordneten für die Verteilung der Geschäftsbereiche zuständig seien. Ferner empfinde er es als sehr einfach, dass man jetzt alles auf ihn schiebe. Als würde es keine Probleme mehr geben, wenn die Stellen besetzt seien. Für den Sanierungsstau trage schließlich nicht er allein die Verantwortung. Man müsse auch einmal sehen, dass „im letzten Jahr so viel Geld wie nie zuvor in die bauliche Ertüchtigung von Schulen investiert worden sei, insgesamt rund 21 Millionen Euro.“    

Auf die Frage, in welchem Stadium sich das Verfahren zu den Stellenbesetzungen befinde, erklärte er, dass es sich insgesamt um sechs Stellen handle, zwei Nachbesetzungen und vier zusätzliche befristete Beschäftigungspositionen. Drei seien inzwischen besetzt, drei stünden noch aus. „Hier mussten wir nachbessern, deshalb die Verzögerungen“, gab Karnetzki zu. Doch die Auswahlverfahren sollen noch im Juni stattfinden. Das zusätzliche Auswahlverfahren für die Besetzung des Fachbereichsleiters Hochbau erfolge bis zu den Sommerferien. Zu weiteren Details könne er nicht öffentlich Stellung nehmen, da es sich hier um ein internes, nicht abgeschlossenes Stellenbesetzungsverfahren handle.

Offensichtlich sehr verärgert in dieser Sache ist indessen Norbert Kopp (CDU), der Bezirksbürgermeister. Er ist unter anderem für den Bereich Personal im Bezirksamt zuständig. Im Vorfeld der BVV-Sitzung äußerte er sich gegenüber dem Tagesspiegel Zehlendorf aufgebracht: „Es ist skandalös, was sich der Kollege hier geleistet hat.“ Im August 2014 habe Karnetzki die Zusage für die Stellen bekommen. „Daraufhin hat meine Abteilung die Ausschreibungen gemacht“, erzählte er. Dann seien die Bewerbungen jedoch bis Februar liegen geblieben. „Und zwischendurch hat sich Michael Karnetzki ständig hingestellt und gesagt, er habe kein Personal“, so Kopp.  

Erst jetzt im Mai, als der Bezirksbürgermeister die Urlaubsvertretung für Karnetzki übernahm, sei aufgefallen, dass die Unterlagen für die Auswahlverfahren unvollständig seien, also Nachbesserungen gemacht werden müssten. „Normalerweise könnte ein solches Verfahren in drei Monaten abgeschlossen sein, stattdessen dauert das jetzt schon ein halbes Jahr“, sagte Kopp. Mit dieser Art und Weise schade Karnetzki dem gesamten Bezirksamt.  

Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Maren Schellenberg, versuchte dann herauszufinden, woran die Verzögerungen liegen könnten. „Faul und dumm sind Sie ja nicht, aber vielleicht nicht in der Lage, Entscheidungen zu treffen, oder haben Sie ein Führungsproblem“, fragte sie den Bezirksstadtrat. Andere Abteilungen wären schließlich froh, wenn sie Stellen besetzten dürften. 

Norbert Buchta, der Fraktionsvorsitzende der SPD, sprang dann seinem Bezirksstadtrat zur Seite und mahnte, dass es beschämend sei, ein internes Verfahren öffentlich in der Art auszutragen. Er finde, dass das Bezirksamt in dieser Sache nicht entsprechend zusammenarbeite, es vielmehr nicht schaffe, eine kollegiale Arbeit zu leisten. „Sie sind eine Serviceeinheit und müssten sich gegenseitig unterstützen, stattdessen sagen Sie: Ätsch, bätsch, Du hast es wieder falsch gemacht, setzen: Sechs!“ In eine ähnliche Richtung argumentierte auch Martin Matz, Bezirksverordneter der SPD, in dem er vorschlug, dass das Bezirksamt sich doch endlich aufraffen solle, mit einer Stimme zu sprechen.

Die Autorin Anett Kirchner ist freie Journalistin, wohnt in Steglitz-Zehlendorf, und schreibt als lokale Reporterin regelmäßig für den Tagesspiegel Zehlendorf. Folgen Sie Anett Kirchner auch auf Twitter.

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