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Die Frage, wer die Zitadelle und die dort befindlichen Menschen 1945 tatsächlich rettete, ist umstritten.

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Berlin-Spandau: Streit um Straße: Wer rettete die Menschen in der Zitadelle?

SPD, Linke und Grüne fordern Straßenumbenennung für die Zufahrt zur Zitadelle. CDU, FDP und AfD wollen erst die tatsächliche Rollenverteilung prüfen.

Um die Benennung der Zitadellenzufahrt nach Wladimir Gall kam es in der Bezirksverordnetenversammlung am Mittwochabend zum Eklat. Während SPD, Linkspartei und Grüne mehrheitlich einen entsprechenden Prüfauftrag an das Bezirksamt durchsetzten, forderten CDU, FDP und AfD eine Klärung der tatsächlichen Verantwortlichkeiten bei der Rettung von zahlreichen Frauen, Kindern und Senioren, die bei Kriegsende auf der Festung Zuflucht gesucht hatten.

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Die Rolle des 2011 verstorbenen, einstigen Hauptmannes der Roten Armee ist umstritten. Er hatte seinem Vorgesetzten, Major Wassili Grischin, bei den Kapitulationsverhandlungen als Dolmetscher gedient. Schon zu DDR-Zeiten hatte Wladimir Gall ein Buch mit den Erinnerungen aus seiner Sicht veröffentlicht. Er ist wiederholt nach Spandau zurückgekehrt und auch vom Bezirksamt als Retter der Zitadelle und der dorthin geflüchteten Menschen gefeiert worden. Am Eingang der Festung erinnert eine Gedenktafel an beide Offiziere.

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Umbenennung soll 2019 groß gefeiert werden

SPD, Linkspartei und Grüne wollen nun dass das Bezirksamt prüft, ob der zur Zitadelle führende Abzweig der Straße Am Juliusturm in Wladimir Gall-Weg umbenannt werden kann. Die Benennung soll zu dessen 100. Geburtstag am 20. Januar 2019 groß gefeiert werden. CDU, FDP und AfD forderten dagegen vergeblich eine Überweisung an die zuständigen Fachausschüsse der Bezirksverordnetenversammlung, um dort zunächst die tatsächliche Rollenverteilung weiter zu prüfen.

CDU fragt sich ob der Richtige geehrt werden soll

Die Frage sei, ob hier der Richtige geehrt werden soll, sagte CDU-Fraktionschef Arndt Meißner unter Hinweis auf die kontroverse Meinung der Historiker. Volker Wilkening (AfD) verwies auf die Rolle zweier junger Volkssturm-Offiziere. Der damals erst 21jährige Leutnant Josef Brettschneider, der während seiner Lehrerausbildung 1943 eingezogen worden war, und sein Kamerad Leutnant Ebbinghaus hätten auf deutscher Seite die unblutige Übergabe der Zitadelle ausgehandelt und sich damit ebenso verdient gemacht. In dem nach seinem Tod von seinem Sohn veröffentlichen Tagebuch schreibt Brettschneider, der Gall später auch persönlich wiedergetroffen hatte, dass die Bedingungen zur Kapitulation - freier Abzug der Zivilisten und Kriegsgefangenschaft für die Soldaten - von ihm gefordert und letztendlich von einem russischen Oberst schriftlich bestätigt wurden.

SPD-Fraktionschef wirft AfD "Geschichtsklittung" vor

SPD-Fraktionschef Christian Haß warf der AfD „Geschichtsklitterung“ vor, worauf Wilkening als Quelle auf das Spiegel-Archiv verwies. Die AfD wich anschließend dann komplett vom Thema ab und forderte in einem Änderungsantrag, die Straße nach dem deutschen General August von Thümen und dem russischen General Ludwig Adolph Peter zu Sayn-Wittgenstein zu benennen, die 1813 die Zitadelle aus französischer Besatzung befreit hatten. Für diesen Vorschlag konnten sie allerdings keine Mitstreiter finden und mit knapper Mehrheit wurde der ursprüngliche Prüfantrag von SPD, Linkspartei und Grünen angenommen.

Obwohl damit noch nichts entschieden ist und die Antwort des Bezirksamtes zur weiteren Diskussion an den Ausschuss für Bauen, Verkehr und Grünflächen geht, will SPD-Fraktionschef Christian Haß schon jetzt die Familie von Gall und die russische Botschaft von dem Prüfantrag informieren. Da gab man sich selbst bei den Linken zurückhaltender. „Auf die inhaltliche Diskussion in den Fachausschüssen darf man schon jetzt gespannt sein“, erklärte der Fraktionsvorsitzende Lars Leschewitz.

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