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In Pankow gibt es ein Patenschaftsprojekt für Väter.

© imago

Wer macht was in Pankow?: Paten für Papas

Pankow ist der geburtenstärkste Bezirk Berlins - genau der richtige Ort, um ein Patenschaftsprojekt für Väter auf die Beine zu stellen, findet der Sozialpädagoge Andreas Gerts.

Manchmal sind es ganz banale Fragen, die Väter umtreiben. Vor allem, wenn sie zum ersten Mal Vater geworden sind. Zum Beispiel in welchem Abstand ein Heizstrahler über dem Wickeltisch angebracht werden sollte. Manchmal haben Väter aber auch Angst, der neuen Verantwortung nicht gerecht zu werden, oder sie fürchten, dass ihre Beziehung angesichts des Babystresses auf der Strecke bleibt. Andreas Gerts (44) kennt solche Sorgen aus eigener Erfahrung. Gemeinsam mit seiner Partnerin zieht der Sozialpädagoge aus Pankow drei Kinder groß. Außerdem organisiert Gerts Geburtsvorbereitungskurse speziell für Männer, und auch dort sieht er sich mit Fragen konfrontiert, die weit über das Thema Geburt hinausgehen. Deshalb hat er im Sommer 2014 ein Patenschaftsprojekt für Väter und mit Vätern in Pankow aufgebaut, "Papapaten" heißt es. "Pankow ist der mit Abstand geburtenstärkste Bezirk Berlins. Wo, wenn nicht hier, wäre ein solches Projekt gut angesiedelt", sagt Gerts. Das Jugendamt Pankow sah das wohl ähnlich und bewilligte eine Anschubfinanzierung.

Andreas Gerts hatte die Idee zum Papapaten-Projekt.
Andreas Gerts hatte die Idee zum Papapaten-Projekt.

© Ulrike Scheffer

"Ich hätte das bei meinem ersten Kind selber gut gebrauchen können", sagt Gerts, "einen anderen Vater, den man anrufen kann, wenn man ein konkretes praktisches Problem hat oder wenn man sich einfach mal aussprechen möchte." Eine neutrale Person sei da besser geeignet als vielleicht ein Freund oder jemand aus der Familie. Schließlich falle es Männern oft schwer zuzugeben, dass sie sich überfordert fühlen, nicht alles unter Kontrolle haben. Vier Prozent aller Väter litten sogar unter einer postnatalen Depression, ein Phänomen, das man bisher nur von Frauen kannte. Gleichzeitig habe sich das Selbstverständnis der Väter verändert. "Männer möchten für ihre Familie da sein, die Vaterrolle bewusst ausfüllen, aber sie wollen auch weiter im Beruf ihren Mann stehen", sagt Gerts. Genauso wie Frauen gerieten Männer heute schnell in die "Vereinbarkeits-Falle" - sprich, sie kämpfen darum, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen.

Auch Sexualität ist ein Thema

Acht Väter-Patenschaften hat Andreas Gerts inzwischen vermittelt. Robert Mieritz (35), Vater zweier Kinder und Beamter beim Umweltbundesamt, steht auf der Liste potenzieller Paten. Noch hat er allerdings kein "Patenkind". "Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich Blut und Wasser geschwitzt habe, als ich meinem Kind zum ersten Mal die Windel gewechselt habe", sagt er. Inzwischen habe er den Alltag mit Kindern aber ganz gut im Griff und würde seine Erfahrungen gern weitergeben. "Ich möchte anderen Vätern vor allem die Angst vor der neuen Aufgabe nehmen, damit die Freude an dem neuen Menschen nicht in den Hintergrund gerät", sagt er zu seiner Motivation, sich als Pate zur Verfügung zu stellen. Im Bekanntenkreis hat er Vätern schon gelegentlich Tipps gegeben - manchmal auch zum Thema Partnerschaft. "Frauen verändern sich, wenn ein Kind da ist, ihre Aufmerksamkeit konzentriert sich aufs Kind, sie sind meist auch reizbarer", erklärt Mieritz. Das sei für eine Beziehung natürlich belastend. "Meine Erfahrung ist aber: Irgendwann ist die Partnerin wieder die Alte." Und irgendwann, so sagt Andreas Gerts, sei auch wieder Raum für Sexualität in einer Beziehung mit Kind. "Auch das ist ein Thema, das Väter umtreibt, und es tut gut zu hören, dass es ganz normal ist, wenn Sexualität in den ersten Monaten nach der Geburt schlicht untergeht."

Uli Malende will Väter behinderter Kinder unterstützen.
Uli Malende will Väter behinderter Kinder unterstützen.

© Ulrike Scheffer

Uli Malende (38) wäre wohl froh gewesen, wenn er sich nach der Geburt seiner zweiten Tochter vor zweieinhalb Jahren mit solchen Alltagsproblemen hätte beschäftigen können. Doch er hatte ganz andere, existenzielle Sorgen. Seine Tochter leidet an einer seltenen Krankheit, dem Franceschetti-Syndrom. Schwere Fehlbildungen im Gesicht, fehlende Ohrmuscheln und Gaumenspalten sind nur einige der mit dem Syndrom verbundenen Schäden. Die Kinder haben Atemprobleme, können nicht schlucken und oft nicht hören und sprechen. Es sei eine ganz andere Verantwortung, in eine solche Vater-Rolle hineinzuwachsen, sagt Malende, der Sozialarbeiter ist. "Statt meiner Frau beim Stillen zuzusehen, musste ich meinem Kind eine Sonde legen, um es zu füttern." Deshalb wolle er in dem Pankower Papapaten-Projekt gezielt Vätern mit behinderten Kindern Unterstützung anbieten.

Väter behinderter Kinder stehen vor besonderen Herausforderungen

Für Uli Malende, seine Frau und die einige Jahre ältere Tochter änderte sich alles durch die Krankheit der jüngeren Tochter. "In den ersten Monaten konnte sie nur auf unserem Bauch schlafen, sonst wäre sie erstickt", berichtet der Vater. Es folgten Operationen, immer neue Therapien. Auch heute drehe sich in der Familie alles um die Behinderung der Kleinen. "Und das wird sicher auch so bleiben", sagt Malende. Gerade Väter kämen mit einer solchen Situation oft nicht zurecht. "In vielen Fällen zerbricht die Familie, der Vater zieht sich zurück, die Mutter bleibt mit dem Kind allein." Als er sich der einzigen Franceschetti-Selbsthilfegruppe in Deutschland angeschlossen habe, sei ihm bewusst geworden, wie wichtig der Austausch mit Eltern sei, die ähnliche Sorgen hätten. "Es gibt aber viel zu wenig Hilfsangebote für Väter von behinderten Kindern."

Diskriminierung im Alltag

Malende will Vätern auch ganz generell mehr Selbstbewusstsein vermitteln. Denn Väter würden oft gar nicht ernst genommen, sagt er. "Wenn ich bei meiner Tochter im Krankenhaus bleibe, wird am nächsten Tag trotzdem meine Frau gefragt, wie die Nacht war." Ob auf dem Spielplatz oder in der U-Bahn, Väter mit Kindern würden ständig bevormundet und ungefragt beraten. "Irgendwie scheinen wir hilflos zu wirken, vor allem auf Frauen." Väter sollten sich stärker für ihre Interessen einsetzen, findet er. "Wir müssen lernen, über unsere Rolle zu sprechen."

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