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Hans-Christian Ströbele ist grüner Bundestagsabgeordneter aus Friedrichshain-Kreuzberg.

© dpa

Hans-Christian Ströbele im Interview: Drogenhandel und Flüchtlingscamp: "Das Bezirksamt hat nicht versagt"

Hans-Christian Ströbele im Kreuzberg-Blog-Interview über das Flüchtlingscamp am Oranienplatz und den Drogenhandel im Görlitzer Park.

Am Görlitzer Park verlieren nach den Drogenfunden auf einem Spielplatz auch Anwohner die Geduld. War es richtig von Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann, sich auf ein "Agreement" mit Dealern zu verlassen, dass auf Spielplätzen keine Drogen gebunkert würden?

Ich weiß von keinem „Agreement“ der Bezirksbürgermeisterin. Auf Versammlungen zum Görlitzer Park wurde berichtet, dass mit den Leuten, die dort dealen, geredet worden ist: Dass sie sich fernhalten von Spielplätzen und Kinder in Ruhe lassen. Darauf bezieht sich vermutlich die Bemerkung von Frau Hermann. Wir alle – Frau Herrmann, die Grünen, auch ich - wollen natürlich, dass Kinder nicht vom Handel berührt, sondern davor geschützt werden.

Unterstützen Sie in Anbetracht der Lage die Coffeeshop-Pläne der Bezirksamts? Wenn ja, warum?

Das ist ein Versuch, das Cannabis-Problem in den Griff zu bekommen, indem man die Droge legalisiert. Die Grünen sind der Auffassung, dass die Drogenpolitik des Verbots und der Kriminalisierung falsch ist. Deshalb wollen wir am Görlitzer Park eine oder mehrere legale Verkaufsstellen. Dazu braucht man eine Genehmigung des Bundesgesundheitsamts. Das Hauptargument gerade von Monika Herrmann ist, dadurch die Kinder zu schützen. In einem Coffeeshop kriegen natürlich Kinder nichts. Es wäre die Möglichkeit, überhaupt irgendeine Kontrolle zu haben, etwa bei Jugendlichen, um sicherzustellen, dass die Cannabisprodukte nicht gepanscht oder vergiftet sind mit Zusätzen, die besonders süchtig machen.

Wie könnte der Görlitzer Park für Anwohner mit Kindern zurück gewonnen werden?

Der Coffeeshop ist eines der Mittel – auch wenn wir nicht die Illusion haben, damit alle Probleme zu lösen, etwa das der Kriminalität in der Umgebung. Man kann nur hoffen, dass es dann eine Entwicklung gibt, damit der Park wieder so ist wie vor ein paar Jahren. Jetzt muss man erstmal alle Möglichkeiten nutzen, damit Kokain, aber auch Cannabis nicht auf Spielplätzen oder da, wo Kinder sich aufhalten, gebunkert wird. Wir versuchen alles, die Kinder und die Jugendlichen zu schützen.

Mit welchen Mitteln? Angeblich bildet sich eine Bürgerinitiative am Görli. Wollen Sie eine andere Infrastruktur? Eine hellere Beleuchtung? Videoüberwachung?

Ich habe mich schon immer dafür engagiert, dass gerade im Görlitzer Park nachts Laternen leuchten. Dann können sich auch ältere Leute dort aufhalten, ohne dass sie im Dunkel durch die Gegend stolpern.

Im Konflikt um das Flüchtlingscamp auf dem Oranienplatz und die besetzte Gerhart-Hauptmann-Schule soll der Senat Lösungen finden. Hat das Bezirksamt da versagt - oder ist der Bezirk überfordert?

Das Bezirksamt hat nicht versagt. Es hält die Forderungen der Flüchtlinge überwiegend für berechtigt, kann diesen Forderungen aber nicht stattgeben. Es liegt nicht in der Hand des Bezirksamts, jemandem eine Arbeitserlaubnis zu geben, der als Asylbewerber oder Lampedusa-Flüchtling hier ist. Oder die Residenzpflicht aufzuheben oder die Lagerunterbringung zu beenden. Die Forderungen sind ja berechtigt. Herr Wansner und die CDU sagen: Räumt mal. Und dann? Dann stehen die Flüchtlinge in der Oranienstraße oder vor der Schule und haben immer noch keine Bleibe und keine Arbeit und keine Papiere. Das Problem ist nicht gelöst, es sind nur die Zelte weg – mit vielen Folgen, hohen Kosten und möglichen Wirkungen wie Großdemonstrationen und ähnlichem.

Wie müsste das Asylrecht verändert werden, um solche Konflikte zu vermeiden?

Die Forderungen der Flüchtlinge, die von Würzburg hierher marschiert sind, beziehen sich auf Auflagen, die sachlich überhaupt nicht begründet sind. Es sind reine Schikanebestimmungen, um das Asylrecht und das Hierherkommen so unattraktiv wie möglich zu machen und die Leute zu vergraulen. Für die Residenzpflicht oder das Arbeitsverbot gibt es keine vernünftige Begründung. Es geht doch nicht darum, dass diese Menschen einen tollen Arbeitsplatz vom Bezirksamt oder Senat kriegen – sie sollen sich bloß selber eine Arbeit suchen dürfen.

Soll jeder, der es bis hierher schafft, auch hier einen Asylantrag stellen dürfen?

Einen Antrag vielleicht. Aber vor allem muss man eine gemeinsame und gerechte europäische Lösung finden. Leute, die sich bis nach Deutschland durchgeschlagen haben - unter Lebensgefahr, manche kommen um im Mittelmeer – müssen hier humanitär behandelt und untergebracht werden. Man muss prüfen, ob es eine gesetzliche Aufenthaltsmöglichkeit, etwa Asyl, für sie gibt. Man darf Lampedusa nicht alleine lassen. Dann kommen solche Geschichten wie die mit Berlusconi, der den Menschen Ausweise gegeben hat, so dass die halblegal, ohne irgendeinen Status, durch Europa vagabundieren. Da müssen alle Länder, auch Deutschland, verpflichtet werden, ihren Teil dazu beizutragen. Und das geschieht überhaupt nicht. Jeder sagt: Schrecklich, was passiert im Mittelmeer – aber bitte nicht zu mir mit den Flüchtlingen.

Das Interview führte Werner van Bebber.

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