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Unterm Kreuz. Flüchtlinge und ihre Unterstützer halten die Kreuzberger St. Thomas-Kirche besetzt.

© Paul Zinken/dpa

Update

Flüchtlingsprotest in Berlin-Kreuzberg: Senator: Asylsuchende in Kirche handeln "schäbig"

Die St. Thomas-Gemeinde will die Gruppe von Flüchtlingen noch eine weitere Nacht in ihrer Kirche am Bethaniendamm übernachten lassen. Scharfe Kritik an der Aktion kam vom Innensenator.

Die etwa 30 Flüchtlinge, die die St.-Thomas-Kirche in Kreuzberg besetzt halten, dürfen dort eine weitere Nacht bleiben. Die Kirche will am Samstag aber neu entscheiden und sieht ihre Räume nicht als Dauer-Aufenthaltsort an - das sagte Pfarrerin Claudia Mieth am Freitagnachmittag bei einer Ansprache zu den Flüchtlingen. "Wir denken von Tag zu Tag", sagte Claudia Mieth. Eher unwahrscheinlich sei, dass es bis Sonnabend gelinge, den Flüchtlingen eine neue Unterkunft anzubieten. Die Gemeinde versuche, Räume in Nachbarkirchen aufzutreiben, hieß es. Gleichzeitig erhob die Gemeindeleitung schwere Vorwürfe gegen die Berliner Politik. „Die Senatoren Kolat und Henkel sind seit der Räumung der Gerhart-Hauptmann-Schule abgetaucht“, kritisierte der stellvertretende Superintendent des Kirchenkreises, Peter Storck am Nachmittag. Innensenator Henkel teilte zeitgleich mit:

„Berlin wird sich auf keine Erpressungsversuche einlassen. Es wird keine Verhandlungen über Recht und Gesetz geben. Daran wird sich auch nichts ändern. Den Flüchtlingen wurden Einzelfallprüfungen zugesichert, und diese Zusage wurde oder wird umgesetzt. In vielen Fällen hat es bereits ein eindeutiges Ergebnis gegeben, und das ist zu akzeptieren. Es gibt keine rechtliche Grundlage für irgendwelche Zugeständnisse, und auch nicht den politischen Willen, Besetzungen zu belohnen. Ein Zwei-Klassen-Recht lehne ich unverändert ab", hieß es in einer Mitteilung. Weiter heißt es darin: "Es ist schäbig, dass die Besetzer mit den Kirchen nun diejenigen in Bedrängnis bringen, die sich in den letzten Monaten für sie eingesetzt haben. Das zeigt, dass diese erpresserischen Gruppierungen auch das letzte Maß verloren haben. Sollte sich der Kirchengemeinderat zu einem Strafantrag entschließen, wird die Polizei schnell und entschlossen handeln.“

Henkel war nicht erreichbar

Für den kommenden Mittwoch wolle die Kirche in der Heilig-Kreuz-Kirche ein Forum organisieren, auf dem alle Seiten ihre Positionen darstellen sollen. Auch der Senat werde dazu eingeladen, hieß es am Nachmittag."Der Staat weigert sich, die Flüchtlinge unterzubringen, die Kirche bemüht sich", sagte Gemeindekirchenrat Matthias Lehmann. Und er ergänzte: „Wir helfen bei der Lösung des Problems, aber wir sind nicht die Lösung.“ . Nach Lehmanns Worten hatte die Gemeinde am Freitag mehrmals versucht, Innensenator Frank Henkel (CDU) zu kontaktieren, dieser sei aber nicht zu erreichen gewesen. Eine Räumung der Kirche will die Gemeindeleitung verhindern.

Einer der Flüchtlinge mit Unterstützern in der Thomaskirche am Bethaniendamm.
Einer der Flüchtlinge mit Unterstützern in der Thomaskirche am Bethaniendamm.

© dpa

Die Lage ist völlig friedlich, Polizei ist nicht sichtbar präsent. Allerdings sei man mit der Polizei im Gespräch, sagte Pfarrerin Mieth am frühen Freitagabend. Eine Räumung durch die Polizei sei derzeit ausgeschlossen", heißt es in einer Stellungnahme der Gemeinde. Allerdings gelte dies nicht absolut: "Wenn es zu gewaltsamen Situationen kommt, werden wir die Polizei rufen müssen", sagte Gemeindekirchenrat Thorsten Schaare.

Die Gemeinde, kritisierte jedoch das Verhalten der Flüchtlinge. So seien der Aufgang zur Empore, die Glöckner-Stube sowie der Zugang zum Heizungskeller aufgebrochen worden, "ohne dass hierfür jemand Verantwortung übernommen hätte", wie es in der Mitteilung hieß. Für die zweite Nacht habe man sich zusichern lassen, dass verschlossene Türen auch verschlossen bleiben.

Flüchtlinge wollten Heizung anstellen

Ein Kirchenrat berichtete, dass die Flüchtlinge in der ersten Nacht versucht hätten, die Heizung im Keller anzustellen. Damit seien sie aber gescheitert, da die Anlage sehr kompliziert sei. Die Gemeinde kritisierte zudem, dass keiner der Flüchtlinge Verantwortung übernommen hätte. "Die Lage ist absolut unübersichtlich, was die Anzahl und die Verantwortung der Anwesenden betrifft", heißt es in der Mitteilung. Auch die Flüchtlinge kritisierten ihrerseits die Kirchenleitung. Nach der Ansprache der Pfarrerin riefen einige: "So können Sie sich nicht davonstehlen."

Der Kreuzberger CDU-Abgeordnete Kurt Wansner forderte am Freitag eine schnelle Beendung der Besetzung. "Ich fordere den Gemeindekirchenrat auf, die Duldung der Besetzung aufzuheben und Anzeige zu stellen", teilte Wansner am Mittag mit. "Erst damit ist eine Beendigung dieser Besetzung möglich."

Vor dem Kirchengebäude sind in den Bäumen einige Transparente gespannt mit Slogans wie "Kein Mensch ist illegal" und "Refugees welcome". Morgens um Viertel nach zehn hatte die Pfarrerin bereits eine Andacht mit den Flüchtlingen abgehalten.

Der Konflikt um die Flüchtlinge vom Kreuzberger Oranienplatz und aus dem Hostel in der Friedrichshainer Gürtelstraße war am frühen Donnerstagabend in die nächste Runde gegangen, diesmal mit einer Kirchenbesetzung: Eine Gruppe von Flüchtlingen und ihren Unterstützern hatte die St. Thomas-Kirche am Kreuzberger Mariannenplatz besetzt. Zunächst war von 80 bis 100 Besetzern die Rede.

Ebenfalls in der Kirche war am Freitagmorgen Turgay Ulu, der bereits bei den Oranienplatz-Protesten im vergangenen Jahr als Sprecher der Flüchtlinge auftrat. Er sagte, die Gruppe wolle in der Kirche bleiben. Die meisten der dortigen Flüchtlinge seien obdachlos geworden, nachdem der Senat ihre Anträge geprüft und abgelehnt habe und sie somit ihre Unterkünfte in der Friedrichshainer Gürtelstraße, am Askanischen Ring, in der Haarlemer Straße und im Marienfelder Damm verlassen mussten.

Keine Anzeige: Polizei schreitet bislang nicht ein

Am Donnerstagabend beobachtete die Polizei den Vorgang an der Thomaskirche, allerdings ebenfalls ohne tätig zu werden, weil keine Anzeige wegen Hausfriedensbruch vorlag. "In der Nacht war alles ruhig", sagte eine Sprecherin am Freitagmorgen dem Tagesspiegel. Der Berliner Abgeordnete Oliver Höfinghoff von der Piratenpartei, der am Mittwoch wegen eines mutmaßlichen Angriffs auf Mitglieder der rechten Szene seine Immunität verloren hatte, war am Donnerstagabend vor Ort und berichtete per Twitter. "Stimmung in und um die Thomaskirche ist entspannt. Polizei in geringer Stärke außerhalb des Bereichs", schrieb er.

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Die von Linksgruppierungen gerne genutzte Internetplattform linksunten.indymedia.org. berichtete von 120 Menschen in der Kirche. Außerdem wurde auf der Plattform die Besetzung mit dem „Vertragsbruch des Berliner Senats“ gegenüber den Flüchtlingen begründet. „Bisher ist alles ruhig, Verhandlungen mit der Kirchenleitung finden statt“, hieß es.

Von der Kirchengemeinde war zunächst niemand telefonisch zu erreichen. Die Polizei bestätigte lediglich, dass man mit Kräften an der Kirche sei, um die Lage zu sondieren. Am späten Abend hieß es, dass die Pfarrerin der Gemeinde in die Kirche gekommen sei, um sich ein Bild von der Lage zu verschaffen und mit den Besetzern zu reden.

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